Autoversicherungen: Warum das Lesen meterlanger Bedingungen lohnt
Durch die Hölle des Kleingedruckten

Bis zu 31 Seiten oder neun Laufmeter: Kaum jemand wühlt sich durch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) seiner Autoversicherung. Dabei kann sichs lohnen. BLICK hat nicht nur nachgemessen – sondern bei Comparis nachgefragt, worauf man in den AVB achten sollte.
Publiziert: 06.04.2020 um 16:39 Uhr
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Aktualisiert: 15.03.2021 um 15:22 Uhr
Timothy Pfannkuchen

Mal ehrlich: Haben Sie je die seitenlangen Allgemeinen Versicherungsbedingungen (ABV) Ihrer Autoversicherung gelesen? BLICK-Autoredaktor Andreas Engel (35) hat angesichts der Corona-Krise das Mehr an Zeit mal zum Wühlen in all dem Kleingedruckten genutzt – und verzweifelt fast: Bis zu 31 Seiten oder ausgedruckt über neun Meter Papier voller Fachbegriffe. «Anstrengend», urteilt Engel: «Aber man will ja mal wissen, woran man bei seiner Autoversicherung wirklich ist.»

Engel hat die AVB von zwölf Versicherern nachgemessen: Spitzenreiter ist die Vaudoise mit 31 Seiten – das sind 9,21 Laufmeter A4-Ausdrucke! Fast bescheiden dagegen die Dextra mit neun Seiten oder 2,67 Meter. Klar ist das ein ungerechter Vergleich, denn mal sind noch Titelblatt oder Anhang dabei, mal nicht. Aber selbst ohne sind es je nach Versicherung meistens 10 bis 15 Seiten an ABV.

Wieso Durchlesen lohnt

«Vielleicht wäre gerade jetzt, wenn die Menschen in der Corona-Krise mehr Zeit zu Hause verbringen, trotzdem die perfekte Gelegenheit, das mal durchzulesen», sagt Andrea Auer (33), die Mobilitätsexpertin vom Vergleichsportal Comparis.ch: «Es kann sich nämlich lohnen – vor allem wegen vier Punkten: Alleine die Entschädigung bei Totalschaden macht schnell mal 10'000 Franken Unterschied aus. Hinzu kommen Bonusstufen-, Parkschaden- und Assistance-Unterschiede.»

Allgemeine Versicherungsbedingungen können auch mal bis über neun Meter messen – hier mit BLICK-Autoredaktor Andreas Engel.
Foto: zVg
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Worauf man achten muss, erläutert Auer dem BLICK im Interview.

5 Fragen an: Andrea Auer (33), Comparis-Mobilitätsexpertin

BLICK: Frau Auer, wieso soll ich in den ABV auf den Zeitwertzusatz achten?
Andrea Auer: Weil sich hinter diesem Begriff beim Totalschaden je nach Autoalter und Neupreis bis über 10’000 Franken Unterschied verstecken können! Zur Erklärung: Die meisten Versicherer vergüten mehr, als das Auto zum Unfall-Zeitpunkt wert ist. Das gilt nicht nur für teure Neuwagen. Auch bei älteren Autos sind die Unterschiede teils gross. So vergüten einige Versicherer ab dem achten Betriebsjahr zum Zeitwert zehn Prozent vom Neuwert – vier davon sogar bis zum Auto-Lebensende. Das heisst, bei den Anbietern Dextra, Kasko2Go, Postfinance und Vaudoise bekommen Autofahrer bei einem Totalschaden oder einem Diebstahl zum Zeitwert immer noch zehn Prozent vom Neuwert zurück – egal, welchen Wert das Auto noch hat. Bei einem 45’000-Franken Auto sind das 4500 Franken. Andere erstatten ab dem achten Betriebsjahr lediglich den Zeitwert zurück.

Und was ist beim Bonusstufen-System zu beachten?
Das Bonusstufen-System gibt an, um wie viel Prozent die Prämie im Schadensfall ohne Bonusschutz erhöht wird. Grundsätzlich gilt: Bei einem schadenfreien Jahr sinkt die Prämie auf die nächst tiefere Stufe, pro Schadensfall steigt sie um vier Stufen – und die sind von Anbieter zu Anbieter sehr unterschiedlich. In den AVB findet man das meist unter «Prämienstufen». Hat man Bonusschutz, gilt der meist nur für einen Schaden im Jahr. Und es gibt Versicherungen, die gar kein Bonus-System haben: Dort ist die Prämie fix und steigt auch nach einem Schaden nicht an, etwa bei Dextra, Zurich und PostFinance.

Bleiben die Themen Parkschaden und Assistance ...
... wobei die Parkschaden-Deckung sozusagen der Klassiker ist. Sie kostet zwar ein wenig, ist aber wegen der Häufigkeit an Parkschäden empfehlenswert. Hier gibt es grosse Unterschiede, wie viele Schäden pro Jahr gedeckt sind – und auf welche Summe pro Parkschaden die Deckung maximal limitiert ist! Zu guter Letzt lohnt sich der Blick auf Mobilitäts- oder Assistance-Deckung, also Hilfeleistung nach Schäden. Beispiel: Organisiert die Versicherung den Ersatzwagen oder ich?

Kann ich denn jetzt den Versicherer wechseln?
Sicher! Sie können ja jederzeit fristgerecht auf das Ablaufdatum hin kündigen und jetzt bereits auf diesen Termin woanders eine neue Versicherung abschliessen.

Worauf muss ich beim Abschluss einer neuen Versicherung achten?
Beim Abschluss wichtig: Immer mindestens das jährliche Kündigungsrecht in der Police, und es gibt mittlerweile auch Versicherer mit Monatsverträgen wie etwa Smile. Für mehr als vierjährige Autos lohnt Vollkasko oft nicht mehr. Ausserdem darauf achten, dass man nicht überversichert: Insassenunfall ist nicht zwingend nötig, und mitgeführte Sachen sind je nachdem oft im Hausrat mitversichert.

BLICK: Frau Auer, wieso soll ich in den ABV auf den Zeitwertzusatz achten?
Andrea Auer: Weil sich hinter diesem Begriff beim Totalschaden je nach Autoalter und Neupreis bis über 10’000 Franken Unterschied verstecken können! Zur Erklärung: Die meisten Versicherer vergüten mehr, als das Auto zum Unfall-Zeitpunkt wert ist. Das gilt nicht nur für teure Neuwagen. Auch bei älteren Autos sind die Unterschiede teils gross. So vergüten einige Versicherer ab dem achten Betriebsjahr zum Zeitwert zehn Prozent vom Neuwert – vier davon sogar bis zum Auto-Lebensende. Das heisst, bei den Anbietern Dextra, Kasko2Go, Postfinance und Vaudoise bekommen Autofahrer bei einem Totalschaden oder einem Diebstahl zum Zeitwert immer noch zehn Prozent vom Neuwert zurück – egal, welchen Wert das Auto noch hat. Bei einem 45’000-Franken Auto sind das 4500 Franken. Andere erstatten ab dem achten Betriebsjahr lediglich den Zeitwert zurück.

Und was ist beim Bonusstufen-System zu beachten?
Das Bonusstufen-System gibt an, um wie viel Prozent die Prämie im Schadensfall ohne Bonusschutz erhöht wird. Grundsätzlich gilt: Bei einem schadenfreien Jahr sinkt die Prämie auf die nächst tiefere Stufe, pro Schadensfall steigt sie um vier Stufen – und die sind von Anbieter zu Anbieter sehr unterschiedlich. In den AVB findet man das meist unter «Prämienstufen». Hat man Bonusschutz, gilt der meist nur für einen Schaden im Jahr. Und es gibt Versicherungen, die gar kein Bonus-System haben: Dort ist die Prämie fix und steigt auch nach einem Schaden nicht an, etwa bei Dextra, Zurich und PostFinance.

Bleiben die Themen Parkschaden und Assistance ...
... wobei die Parkschaden-Deckung sozusagen der Klassiker ist. Sie kostet zwar ein wenig, ist aber wegen der Häufigkeit an Parkschäden empfehlenswert. Hier gibt es grosse Unterschiede, wie viele Schäden pro Jahr gedeckt sind – und auf welche Summe pro Parkschaden die Deckung maximal limitiert ist! Zu guter Letzt lohnt sich der Blick auf Mobilitäts- oder Assistance-Deckung, also Hilfeleistung nach Schäden. Beispiel: Organisiert die Versicherung den Ersatzwagen oder ich?

Kann ich denn jetzt den Versicherer wechseln?
Sicher! Sie können ja jederzeit fristgerecht auf das Ablaufdatum hin kündigen und jetzt bereits auf diesen Termin woanders eine neue Versicherung abschliessen.

Worauf muss ich beim Abschluss einer neuen Versicherung achten?
Beim Abschluss wichtig: Immer mindestens das jährliche Kündigungsrecht in der Police, und es gibt mittlerweile auch Versicherer mit Monatsverträgen wie etwa Smile. Für mehr als vierjährige Autos lohnt Vollkasko oft nicht mehr. Ausserdem darauf achten, dass man nicht überversichert: Insassenunfall ist nicht zwingend nötig, und mitgeführte Sachen sind je nachdem oft im Hausrat mitversichert.

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