Export, Schredder oder verschollen
Wohin verschwinden unsere alten Autos?

Beim Kauf eines neuen Autos wird in der Regel ein altes eingetauscht oder aus dem Verkehr gezogen. Doch was passiert nach dem Verkauf damit?
Publiziert: 05.05.2021 um 11:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.05.2021 um 11:03 Uhr
Raoul Schwinnen

Viele kennen die Situation: Sie kaufen ein neues Auto und müssen den alte loswerden. Der bequemste Weg ist, das alte Fahrzeug direkt beim Verkäufer des neuen Wagens in Zahlung zu geben. Doch was passiert dann mit dem alten Auto?

Ist es noch in einem guten Zustand und hat noch nicht allzu viele Jahre und Kilometer auf dem Buckel, wird es als Occasion in der Schweiz einen neuen Besitzer finden. Ist es aber bereits älter und sein technischer Zustand nur noch mittelprächtig, kommt es oft in den Export. Alte Schweizer Autos sind – weil besonders gut gewartet – vor allem in den Balkanstaaten, in Osteuropa und in Afrika beliebt. «Autofahrer in Entwicklungsländern sind froh um die alten Autos aus der Schweiz. Diese werden dort noch jahrelang gefahren», weiss Daniel Christen, Geschäftsführer der Stiftung Auto Recycling Schweiz.

Über 140'000 Export-Occasionen jährlich

Im letzten Jahr wurden auf diese Weise 141’856 Autos aus der Schweiz in 119 verschiedene Länder exportiert. Der durchschnittliche Preis dieser Fahrzeuge betrug 4168 Franken. Auffallend: Kosteten nach Bosnien-Herzegowina oder in den Kosovo exportierte Autos 4516 oder 5167 Franken im Schnitt, bringen nach Libyen oder Niger abgeschobene Autos gerade mal 623 beziehungsweise 965 Franken.

Beim Kauf eines neuen Autos wird in der Regel ein altes eingetauscht oder aus dem Verkehr gezogen.
Foto: Raoul Schwinnen
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Befindet sich das nicht mehr erwünschte Fahrzeug in einem derart maroden Zustand, dass es selbst für den Export nach Afrika nicht mehr interessant ist, wird es in der Schweiz verwertet und dann verschrottet. Im letzten Jahr betraf dies 53’635 Fahrzeuge. Ein lukratives und umweltfreundliches Geschäft, denn rund 90 Prozent der Materialien aus einem Altauto können wieder verwertet werden. Deshalb gibt Andreas Kaufmann, Geschäftsführer der Autoverwertung Truninger in Rickenbach ZH zu bedenken: «Werden zu viele Altautos ins Ausland exportiert, fehlen bei uns wichtige Materialressourcen. Unsere Schweizer Wirtschaft braucht den Autoschrott.»

Mehr als 50'000 «Verschollene» pro Jahr

Was uns beim genaueren Studium der Export- und Schredder-Statistikzahlen auffällt: Im letzten Jahr wurden insgesamt 250’036 Fahrzeuge offiziell in der Schweiz ausser Betrieb gesetzt. Zählen wir die 141’856 ins Ausland transferierten sowie die 53’635 in der Schweiz geschredderten Autos ab, bleiben 54’545 Fahrzeuge, deren Fahrzeugausweise 2020 nie als ungültig abgestempelt wurden und die irgendwo als Ladenhüter bei einem Occasionshändler oder auf einem Privatgrundstück vor sich hin gammeln.

Oder illegal den Weg ins Ausland finden. Denn gemäss Insidern fahren jeweils über die Weihnachts- und Osterfeiertage oder während der Sommerferien auffallend viele Autos mit Zollnummern aus der Schweiz Richtung Ost- und Südosteuropa. Viele dieser Fahrzeuge findet man danach in keiner Exportstatistik mehr, weil ihre Zollnummer irgendwann abläuft und das Fahrzeug so quasi «verschollen» ist. Zudem werden nicht selten Container mit alten Fahrzeugkomponenten oder ganze Autos ohne offizielle Packliste ausgeschafft. Das ist zwar illegal – gemacht wirds aber trotzdem.

JahrAbgemeldetExportverschrottetverschollen
2016281'304131'31976'11273'873
2017293'998156'29377'07660'629
2018288'370169'62472'03246'674
2019290'618164'75061'42864'440
2020250'036141'85653'63554'545


Und so ist es also möglich, dass wir auf einer Ferienreise irgendwo im tiefen Osten Europas oder in Afrika plötzlich unserem längst tot geglaubten Auto begegnen.

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