Anschlüsse in jedem Mehrfamilienhaus
Mieter sollen E-Autos zum Durchbruch verhelfen

Noch ist der Anteil an E-Autos auf unseren Strassen verschwindend klein. Am gemeinsam organisierten Anlass der ETH Zürich und der St.Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke (SAK) zeigten Experten nun auf, wie die E-Mobilität in den nächsten Jahren die Massen erreichen kann.
Publiziert: 18.01.2020 um 05:07 Uhr
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Aktualisiert: 12.03.2021 um 10:10 Uhr
Andreas Engel

Der bekannte Zukunftsforscher Matthias Horx rief die 2020er-Jahre kürzlich zum «Jahrzehnt der Ökologie» aus. Damit die Prognose eintrifft und der CO2-Ausstoss in der Schweiz auch wirklich sinkt, muss aber einiges passieren – besonders auf unseren Strassen. «Heute basieren mehr als ein Drittel der CO2-Emissionen in der Schweiz auf dem Verkehr», erklärt Stephan Walter vom Bundesamt für Energie (BFE). Für drei Viertel dieser Emissionen seien PW verantwortlich.

Die Politik gibt mit immer strengeren Grenzwerten schon Gegensteuer: Seit diesem Jahr dürfen in der EU und der Schweiz neu zugelassene Autos im Schnitt nur noch 95 g CO2/km ausstossen – im letzten Jahr lag der Wert noch bei 130 g CO2/km. Die Kunden scheint das trotz teils deutlich gestiegener Neuwagenpreise noch nicht zu interessieren. Mit durchschnittlich 137,8 g/km stiessen Neuwagen in keinem anderen europäischen Land im letzten Jahr mehr Emissionen aus als in der Schweiz!

Nur vier Prozent der Autos elektrisch

Für ETH-Professor Thomas Bernauer völlig unerklärlich: «In vielen Bereichen achtet die Schweizer Bevölkerung auf eine nachhaltige Lebensweise. Beim Auto dürfen es aber immer gerne einige PS mehr sein. Hier besteht ein hoher Aufholbedarf.» Zwar war der Anteil an neu zugelassenen E-Autos im ersten Halbjahr 2019 nur in Schweden, den Niederlanden und Norwegen höher als in der Schweiz. Die absoluten Zahlen zeigen aber: Die 13'000 verkauften E-Autos 2019 machen lediglich einen Anteil von vier Prozent unter allen Neuwagen in der Schweiz aus – dies waren im letzten Jahr über 300'000.

Heute basieren laut BFE mehr als ein Drittel der CO2-Emissionen in der Schweiz auf dem Verkehr – für drei Viertel dieser Emissionen seien PW verantwortlich.
Foto: zvg
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Neben Vorbehalten wie hohem Kaufpreis, zu geringer Reichweite oder beschränkter Modellauswahl sei auch die fehlende Ladeinfrastruktur ein Problem. «Um alle Bevölkerungsschichten zu erreichen, braucht es nun mit hoher Priorität den Ausbau von Ladeinfrastruktur in und um Mietshäuser.» Bisher würden sich vor allem einkommensstarke Haushalte mit Eigenheim ein E-Auto als Zweitwagen leisten.

Anschlüsse sollen Standard werden

In die gleiche Kerbe schlägt Stephan Walter vom BFE: «Das öffentliche Schweizer Ladenetz ist bereits vergleichsweise dicht. Neben der Schnellladung ist aber besonders das langsame Laden am Arbeitsplatz und zu Hause von Bedeutung. Dort stellen sich noch verschiedene Herausforderungen.» Eine davon ist die standardmässige Installation von Ladeanschlüssen für E-Autos in Mehrfamilienhäusern. Dazu hat der schweizerische Ingenieur- und Architektenverein (SIA) das Merkblatt «Infrastruktur für Elektrofahrzeuge in Gebäuden» entworfen.

«Wir beobachten eine Zunahme von Anfragen der Bauherren und Investoren für Ladestationen für Zweck- und Wohnbauten», erklärt Matthias Vogelsang, Mitglied der SIA-Kommission. In dem Merkblatt, das zum technischen Standard in der Schweiz werden soll, sind die Ziele klar definiert: «Mindestens 60 Prozent der Parkplätze in Neubauten sollten in Zukunft mit Kabelkanälen und Anschlüssen für das Laden von E-Autos erschlossen werden», führt Vogelsang aus. «In jedem Mehrfamilienhaus sollten mindestens zwei Ladeplätze verfügbar sein.»

Nach Bedarf erweitern

Weil E-Autos dadurch aber zum grössten Verbraucher in einem Haushalt werden, stehen auch die Netzbetreiber vor grossen Herausforderungen: Wie können in grossen Überbauungen Dutzende E-Autos zeitgleich mit Strom versorgt werden, ohne den Hausanschluss verstärken zu müssen, was hohe Kosten mit sich ziehen würde? «Dafür bieten wir ein dynamisches Lastmanagement an», erklärt Patrick Speck, Leiter Elektroinstallationen bei den SAK. «Mit unserer hochskalierbaren Ladelösung können an einer 63-Ampere-Sicherung bis zu 30 Ladestationen installiert werden. Erfahrungsgemäss ist ein solcher Anschluss in den meisten Mehrfamilienhäusern heute ohne Ausbau des Hausanschlusses möglich.»

Dank der deutlich schlankeren Architektur sei diese Lösung nicht nur viel günstiger in der Installation, sondern die Anzahl Ladestationen könnte auch jederzeit und nach Bedarf erweitert werden. Das käme wiederum den Hauseigentümern zugute, meint Speck: «Eine gute Ladeinfrastruktur könnte schon bald ein Entscheidungskriterium für Mieter werden, wenn sie eine neue Wohnung suchen.»

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