Elektrischer Renault Trafic im ersten Test
Alternative oder Alibiübung?

Renault setzt seine Handwerksmeister weiter unter Strom. Der Trafic E-Tech Electric überzeugt als Kastenwagen L2H1 mit Praktikabilität und einem geringen Verbrauch.
Publiziert: 30.09.2023 um 12:35 Uhr
Wolfgang Gomoll

Wir haben es vermisst, jetzt ist es wieder da: das grüne Blatt. Inmitten der digitalen Instrumentenanzeige im Renault Trafic E-Tech Electric belohnt das Signet alle, die ökologisch unterwegs sind. Wie oft dieses virtuelle Effizienz-Gütesiegel beim harten Alltagseinsatz eines Handwerkers wie dem Elektro-Trafic auftauchen wird, lassen wir mal dahingestellt. Entscheidend ist, dass der elektrifizierte Lieferwagen die variablen Anforderungen der Branche erfüllt. Das ist beim Trafic E-Tech Electric umso wichtiger, da der Nutzlaster ein Vertreter des BEV-Medium-Van-Segments ist, das europaweit im vergangenen Jahr um 56 Prozent zugelegt hat.

Wichtiges Drehmoment

Für einen solchen Transporter ist der stromernde Renault-Transporter mit einer Leistung von 122 PS (90 kW) auf den ersten Blick nicht gerade üppig motorisiert. Aber jeder Vollblut-Trucker weiss, dass Drehmoment und Hubraum fast noch wichtiger für ein entspanntes Fortkommen sind. Also schrumpft die Power im Eco-Fahrmodus auf 82 PS (60 kW), aber die 245 Newtonmeter Drehmoment bleiben erhalten. Deswegen kommt man auch auf Eco in der Stadt und auf Landstrassen souverän und gut klar.

Anders als beim kleinen Bruder Kangoo E-Tech Electric kann man beim Stromer-Trafic die Rekuperation weder abschalten noch variieren, was man bei langsameren Geschwindigkeiten spürt. Wir bevorzugen aus energetischer Sicht das reine Segeln, weil die Energiewiedergewinnung immer mit Verlusten einhergeht und der Fahrer immer das Verzögerungszepter in der Hand behalten sollte.

Für einen solchen Transporter ist der Renault Trafic E-Tech Electric mit einer Leistung von 122 PS (90 kW) auf den ersten Blick nicht gerade üppig motorisiert.
Foto: @GREG
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Gute Verbrauchswerte

Das Resultat ist ein Normverbrauch von 22,2 kWh/100 km. Wir kamen bei unserer Testfahrt gar auf 19,0 kWh/100 km. Das ist ein ordentlicher Wert, da wir mit einer Beladung von 300 Kilogramm unterwegs waren. Das Fahrwerk kommt mit dieser Extra-Last noch längst nicht an seine Grenzen. Was komplett fehlt, ist eine Kamera, die das Bild auf einen Monitor projiziert, der als Rückspiegel fungiert. So schauen wir beim Blick in den Innenspiegel auf ein graues Stück Hartplastik und nutzen vermehrt die Seitenspiegel, die aber nicht den gewohnten Heck-Bereich abdecken. Beim Rangieren helfen eine Rückfahrkamera und Ringsum-Sensoren.

Renault gibt die Reichweite des Trafic E-Tech Electric, der mit einer 52-Kilowattstunden-Batterie bestückt ist, mit maximal 297 Kilometer an. Damit ist dieser Transporter mehr für die urbanen Gegenden geeignet, weniger für die Langstrecke. Wer dennoch mehr Strecke machen muss, für den wird der französische Hersteller demnächst eine «Long-Range»-Version des E-Nutzlasters nachschieben, die mit einer Batterieladung bis zu 322 WLTP-Kilometer weit kommt. Allerdings ist dann die Höchstgeschwindigkeit auf 90 km/h reduziert.

Das bringt uns zum Laden, das bei diesem Szenario häufig während der Nacht im Depot des Betreibers stattfinden dürfte. Dafür reicht die serienmässige Ausstattung mit dem 11-kW-Onboardlader aus, mit dem die Energiespeicher mit 16 Ampere in 5:42 Stunden von 10 auf 100 Prozent gefüllt sind. Kreuzt man in der Ausstattungsliste den 22-kW-Onboardlader an, sind bei 32 Ampere 15 bis 80 Prozent in knapp anderthalb Stunden absolviert. Mit in diesem Zusatzpaket ist eine Wärmepumpe, die die Effizienz verbessert. Da in der Logistikbranche auf den Rappen genau gerechnet wird, werden die Kunden das Ordern dieser Option vom Einsatzszenario abhängig machen. Schnelleres Gleichstromtanken wird erst bei einer später im Jahr erscheinenden Version angeboten.

Keine Einschränkungen

Doch wie praktisch ist der E-Trafic? Die Renault-Manager betonen, dass der fast keine Einschränkungen gegenüber dem Verbrenner hat. Die L2H1-Version (5,48 Meter lang und 1,97 Meter hoch) hat ein Fassungsvermögen von maximal 6,7 Kubikmetern. Mit den beiden Schiebetüren und den weit aufschwingenden Schmetterlingstüren, die mit einem Handgriff so ausgehakt werden können, um sie komplett zur Seite wegzuklappen, fällt der E-Trafic auch in diesem wichtigen Wert der Handwerker-Rangliste nicht ab. Allerdings hätten wir uns über Griffe an der Beifahrerseite gefreut, die das Einsteigen erleichtern. Bei einem Gewicht von 1885 Kilogramm kann man bis zu 1185 Kilogramm Nutzlast in den Laderaum packen. Also ist der Stromer-Trafic eine echte Alternative zum klassischen Transporter. Zum Vergleich: Bei der Version mit Verbrennungsmotor sind es 66 Kilogramm mehr.

Zur Einführung des Renault Trafic E-Tech Electric in diesem Herbst stehen nur die L2-Versionen zur Verfügung. Die L1-Varianten des Transporters kommen Ende des Jahres. Bei den Preisen für den E-Trafic hüllen sich die Franzosen noch in Schweigen. Der Verbrenner-Trafic mit dem Zweiliter-Dieselmotor und 6-Gang-Schaltgetriebe startet in der L1-Variante bei 30'900 Franken, der L2 bei 33'800 Franken.

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