Neuer Togg T10X im Fahrbericht
Blick testet den türkischen Tesla

Achtelfinal-Sieger Türkei überrascht nicht nur fussballerisch: Der Togg T10X mausert sich zum türkischen Prestigeobjekt. Der Elektro-Crossover beeindruckt mit seinen Fahr- und Ladeleistungen können sich sehen lassen, wie unsere Testfahrt zeigt.
Publiziert: 03.07.2024 um 06:10 Uhr
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Aktualisiert: 03.07.2024 um 15:27 Uhr
Wolfgang Gomoll

Der 2018 gegründete, türkische Autobauer Togg hat die Corona-Pandemie schadlos überstanden. Auch, weil der Staat viel Geld in den Aufbau der Marke pumpte. Das Projekt ist ein persönliches Anliegen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan (70). Und mit Gürcan Karakas (59) sitzt ein erfahrener Manager an der Spitze des Newcomers: Karakas war mehr als 20 Jahre bei Bosch in Deutschland beschäftigt und dort unter anderem für das Asiengeschäft verantwortlich. Mit leicht schwäbischem Akzent erklärt er: «Wir wollen mehr sein als ein Autohersteller.»

Was das bedeutet, sehen wir beim Blick ins Cockpit des Elektro-Crossovers Togg T10X: Von den Vordersitzen blicken wir auf eine ganze Bildschirmfront, die sich von links nach rechts übers gesamte Armaturenbrett zieht. Togg verlässt sich nicht auf Apple oder Google, sondern hat sein eigenes Betriebssystem entwickelt, zu dem auch ein App-Store gehört. Die Apps werden per Drag-and-drop auf den Startbildschirm gezogen, während das verbundene Telefon induktiv in der Ladeschale lädt.

Zweites Wohnzimmer

Bei der Navigation durch die teils verschachtelten Menüs könnte Togg noch nachlegen. Gut gelöst hingegen: der mittige Drehdrücksteller, der die Bedienfreundlichkeit erhöht. Ein weiterer Monitor oberhalb der Mittelkonsole dient zur Einstellung der Klimaanlage und zur Konfiguration der darüber liegenden Bildschirme.

Türkisches Prestigeprojekt: Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan (hier mit Ehefrau Emine) steckte viel Geld in den Aufbau der Marke Togg.
Foto: Anadolu Agency via Getty Images
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Togg bezeichnet die Fahrgastzelle als zweites Wohnzimmer und hat das Infotainment dementsprechend gestaltet. Dafür hat der türkische Autobauer grosse Player aus fast allen Wirtschaftszweigen des Landes ins Boot geholt, darunter die Fluggesellschaft Turkish Airlines, von der im System auch Flugtickets geordert werden können. «Wir haben ein eigenes Ökosystem entwickelt», erklärt Karakas. Deswegen gibt es mit sogenannten Toggen auch eine eigene Währung: Für Transaktionen und Aktivitäten gibt es Bonuspunkte, die man in Toggen umwandeln kann, um damit zum Beispiel an der Ladesäule Strom zu tanken.

Komfortabler SUV

Doch all die Digitalisierung nützt nichts, wenn der Togg T10X auf der Strasse scheitert. Aber auch punkto Fahreigenschaften gibt sich der Elektro-SUV keine Blösse. Wir sitzen im Topmodell T10X AWD Long Range mit 435 PS (320 kW) und 700 Nm Drehmoment, 4x4 und einer 88,5-kWh-Batterie. Diese soll Reichweiten von bis zu 468 Kilometern ermöglichen. Die beiden E-Motoren kommen – natürlich – von Bosch.

Auch ohne Hinterachslenkung soll der 4,60 Meter lange T10X einen äusserst kleinen Wendekreis von 9,50 Metern haben. Entsprechend agil lässt sich das knapp 2,2 Tonnen schwere Gefährt bewegen. Dank der Elektro-Power geht es auf Wunsch auch zackig vorwärts: Den Standardsprint von 0 auf 100 km/h absolviert der Stromer in 4,8 Sekunden, die Spitze ist bei 185 km/h erreicht. Die Stärke der Rekuperation lässt sich in drei Stufen bis zum One-Pedal-Driving einstellen. Den Durchschnittsverbrauch gibt Togg mit 19,7 kWh/100 an. Pluspunkte sammelt der Togg, den es auch mit Heckantrieb (218 PS, 0–100 km/h in 7,8 s) und mit zwei verschiedenen Batteriegrössen (314–523 km Reichweite) gibt, für sein komfortabel, aber nicht schwammig abgestimmtes Fahrwerk.

Schweizer Start unklar

Beim Stromtanken kann Togg locker mit Wettbewerbern wie Skoda Enyaq oder VW ID.4 mithalten und sie teils sogar überholen: 22 Kilowatt an einer AC-Säule schaffen nicht alle Konkurrenten. Am DC-Schnelllader saugt der E-SUV mit maximal 180 kW. Somit füllt sich die Batterie von 20 auf 80 Prozent in nur 28 Minuten. Bei den Fahrassistenten bietet der T10X einen adaptiven Tempomaten, Toter-Winkel-Warner, Stau- und Einpark-Assistenten. Ende des Jahres soll der T10X nach Deutschland kommen. Ob und wann er auch seinen Weg in die Schweiz findet, ist noch unklar.

Die Preise stehen auch für Deutschland noch nicht fest. In der Türkei gehts bei umgerechnet rund 40’000 Franken los, die Topversion dürfte mehr als 65’000 Franken kosten. Der Vertrieb soll wie in der Türkei direkt erfolgen. Dafür sollen in grossen Städten wie München, Berlin und Hamburg sogenannte Experience Center entstehen. In den nächsten fünf Jahren sollen weitere Modelle für Umsatz sorgen: Eine Limousine (10F), ein kleinerer SUV (T8X), ein Van sowie ein leichtes Nutzfahrzeug. Bis 2032 sollen dann eine Million Toggs auf Europas Strassen rollen.

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