Porsche 911 Turbo S Cabrio im Test
Dieses PS-Monster ist sinnlos – aber geil!

Pünktlich zum Sommer schickt Porsche das offene Topmodell der 911er-Reihe auf die Strasse. BLICK war mit dem neuen Turbo S Cabrio unterwegs und stellt die Sinnfrage: Ist dieses Höllengerät jetzt vollkommen hirnrissig oder doch wahnsinnig geil?
Publiziert: 07.01.2021 um 09:10 Uhr
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Aktualisiert: 25.02.2021 um 15:17 Uhr
Andreas Engel

Wir wollen ehrlich sein: Ein sinnloseres Auto als den neuen 911 Turbo S Cabrio von Porsche gibts eigentlich nicht. Warum? Zum einen ist der 911er ein Sportwagen: Bei ihm gehts nur um Spass, nicht um Nutzen – und Letzterer ist bei diesem Fahrzeug stark eingeschränkt. Ausserdem ist der Turbo S das Topmodell der Baureihe, was ihn im Vergleich zum standardmässigen und auch schon teuren Carrera nochmals einige VW Golfs teurer macht.

Zu guter Letzt handelt es sich beim Testwagen auch noch um die Cabrioversion des Turbo S. Und ein Cabrio ist ein Genussmobil für Freiheitsliebende – aber doch kein Bolide für die Rennstrecke? Echte Petrolheads dürften jetzt mit dem Kopf nicken. Trotzdem aber ist der 911 Turbo S als Cabrio jeden Rappen wert – immerhin 30'300'000 Rappen (also 303'000 Franken) an der Zahl! Warum?

Steckbrief: Porsche 911 Turbo S Cabrio

Motor 3.8-B6-Turbobenziner, 650 PS (478 kW), 800 Nm@2500–4000/min, 8-Gang-PDK, 4x4
Fahrleistungen 0–100 km/h in 2,8 s, Spitze 330 km/h
Masse L/B/H = 4,54/1,90/1,30 m, 1710 kg, Kofferraum 128 l + 163 l
Verbrauch Werk/Test 11,3/12,5 l/100 km, 257/297 g CO2/km, Energie G
Listenpreise Ab 288'500 Fr. (Basis: Carrera, 385 PS, ab 130'900 Fr.), Testwagen 303'250 Fr.

Motor 3.8-B6-Turbobenziner, 650 PS (478 kW), 800 Nm@2500–4000/min, 8-Gang-PDK, 4x4
Fahrleistungen 0–100 km/h in 2,8 s, Spitze 330 km/h
Masse L/B/H = 4,54/1,90/1,30 m, 1710 kg, Kofferraum 128 l + 163 l
Verbrauch Werk/Test 11,3/12,5 l/100 km, 257/297 g CO2/km, Energie G
Listenpreise Ab 288'500 Fr. (Basis: Carrera, 385 PS, ab 130'900 Fr.), Testwagen 303'250 Fr.

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Foto: Rossen Gargolov
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Zwölf Sekunden bis Sommer

Wer schon mal Cabrio gefahren ist, weiss: An einem Sommertag gibts nichts Schöneres, als sich den Wind durch die Haare wehen zu lassen. Beim Turbo S huscht das Stoffverdeck in zackigen zwölf Sekunden unter die Abdeckung im Heck – selbstredend per Knopfdruck elektrisch an der deutlich übersichtlicher gewordenen Mittelkonsole. Dort kann auch das Windschott elektrisch ausgefahren werden, wenn der Wind doch mal Orkanstärke erreicht. Doch dazu gleich mehr.

Denn vorher checken wir die Optik. Die ist aussen gewohnt evolutionär weiterentwickelt: Der ganze Wagen ist breiter als der Vorgänger (vorne 45 mm, hinten 20 mm), die Haube etwas kantiger, die seitlichen Lufteinlässe grösser – Gleiches gilt für den massigen Heckspoiler. Die Türgriffe fahren sich neu elektrisch ein und aus, es gibt erstmals 20-/21-Zoll-Mischbereifung, hinten ziert eine LED-Leiste das Heck. Innen gibts – endlich – deutlich weniger Knöpfe, ein grosses Touchdisplay und als Hommage an vergangene Zeiten einen analogen Drehzahlmesser zwischen digitalen Rundinstrumenten. Verarbeitung und Sportsitze gefallen sofort.

Die Wucht nach vorne

Porsche-like wird links des Lenkrads gezündet. Und was hinter uns anfängt zu fauchen, ist nichts anderes als die Crème de la Crème der Porsche-Motorenpalette. Der neue Sechszylinder-Boxer mit nun 3,8 Liter Hubraum spannt dank allerhand technischer Finessen die Muskeln nochmals stärker an als der alte Wundermotor, leistet jetzt 650 PS (+ 70 PS) und brutale 800 Nm (+ 50 Nm). In kaum zu fassenden Zahlen heisst das: 2,8 Sekunden vergehen bis zur 100er-Schwelle, bis 200 km/h sinds knappe 9 Sekunden. Und erst bei 330 km/h ist Schluss.

Pure Theorie, denn die Praxiserfahrung lautet: In diesem Höllengerät muss sich der Pilot anschnallen, physisch sowieso, aber besonders psychisch. Denn so gutmütig der Turbo S wie alle 911er in der Normalstellung des Fahrmodi-Rädchens am Lenkrad ist, so bestialisch geht er auf den höheren Sportstufen ab.

Der Turbo S ist rohe Gewalt

Und da wären wir wieder bei der Sinnlosigkeit, und die bezieht sich nicht nur aufs Cabrio: Das Turboaggregat hat so eine Wucht, solch eine rohe Gewalt, dass diese Maschine für öffentliche Strassen eigentlich völlig ungeeignet ist. Denn der Turbo S ist einfach zu schnell, zu heftig, und verlangt bei artgerechter Haltung stets volle Konzentration. Geniessen der Landschaft? Da nimmt man besser den Zug.

Bei aller rohen Kraft gibt sich das Elfer-Topmodell auf der Strasse so präzise wie ein Chirurg bei der Herz-OP: Die Lenkung ist noch direkter, die adaptiven Stossdämpfer passen sich noch schneller und häufiger dem Untergrund an, der generierte Abtrieb der anpassbaren Aerodynamik lässt den Turbo S noch besser am Asphalt kleben. Als Dompteur des Kraftflusses sorgt Porsches Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe, das die Antriebsmomente blitzschnell zwischen Vorder- und Hinterachse verteilt.

Kribbeln im Bauch, Knistern im Heck

Bei all der Technik – Allradlenkung kommt zusätzlich obendrauf – bleibt zwar unterm Strich ein Leergewicht von über 1600 Kilo. Doch ausser dem Höchstmass an Traktion und Haftung bekommen wir davon auch in engen Kehren kaum etwas mit. Vielmehr freuen wir uns, noch einmal Gas zu geben, noch einmal den erst sägenden, dann grollenden Sound aus den Endrohren zu vernehmen, um ein letztes Mal dieses Kribbeln im Bauch zu spüren.

Wenn wir dann am Ende der Testfahrt dem Knacken und Knistern des heiss gelaufenen Boxermotors im Heck lauschen, dann verstehen wir auch als Otto-Normal-Verdiener, warum sich die zahlungskräftige Kundschaft ein Turbo S als Cabrio für über 300'000 Franken in die Garage stellt. Weil es einfach der Wahnsinn ist!

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