Das halbe Werk in Stuttgart wurde abgerissen
Porsche legt den Schalter um

An der IAA wird er enthüllt, und gleichzeitig starten die neuen Produktionsanlagen: Für den Elektro-Sportwagen Taycan hat Porsche 760 Millionen Franken in die Hand genommen und sich neu erfunden.
Publiziert: 18.08.2019 um 04:56 Uhr
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Aktualisiert: 04.02.2020 um 17:24 Uhr
Andreas Faust

Allzu sauber wirds wohl nicht gewesen sein, wahrscheinlich pfiff durch die Ritzen der Wind – und ob das Dach dicht war? Vor 71 Jahren startete Porsche in einer Scheune im österreichischen Gmund. Bescheidener Anfang, aber im letzten Jahr lieferte der Stuttgarter Sportwagenbauer über 265'000 Fahrzeuge aus. Und pünktlich zur Internationalen Automobilausstellung IAA in Frankfurt (12. bis 22. September) wird das neue Werk für den Porsche Taycan eingeweiht.

An der IAA geht der Vorhang auf: Ab Anfang 2020 soll der Viertürer im Coupé-Format als erstes Elektromodell der Marke an den Start gehen. Rund 625 PS, eine Beschleunigung auf Tempo 100 in unter 3,5 Sekunden, maximale Reichweite über 500 Kilometer dank einer 96 Kilowattstunden starken Batterie. Diese arbeitet erstmals mit 800 Volt Spannung. «Höhere Spannung bedeutet weniger Kabel und damit weniger Gewicht», sagt Robert Meier, Projektleiter der Taycan-Entwicklung.

So schnell lädt derzeit keiner

Neues Werk für den Taycan: Pünktlich zur IAA in Frankfurt am Main wird Porsche das neue Werk für sein erstes Elektromodell eröffnen.
Foto: Zvg
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Per Schnellladung mit bis zu 350 Kilowatt – üblich sind heute bis zu 150 – soll die Batterie innert vier Minuten genug Strom für 100 Kilometer Reichweite saugen können. Wenns klappt, wäre das Branchenrekord. «Die Kollegen von den Schwestermarken im VW-Konzern fragen ständig, ab wann sie die Technik übernehmen können», freut sich Meier. Die nötige Infrastruktur baut Porsche derzeit gemeinsam mit ABB, Audi, BMW, Daimler und Ford im Konsortium Ionity auf. Bis Ende kommenden Jahres sollen europaweit 400 Säulen bereitstehen.

Das neue Elektromodell fordert aber nicht nur von Garagisten und Kunden ein Umdenken – das gesamte Unternehmen justiert sich neu – von der Personalrekrutierung über die Produktionsplanung bis hin zur CO2-Neutralisierung für den schlankeren ökologischen Fussabdruck. Eine bestehende Fabrik einfach umzubauen, war nicht die Lösung, sagt Werksplaner David Tryggvason. Eine neue musste her. Nicht auf der grünen Wiese in Tschechien, der Slowakei oder Mexiko, wie es dem aktuellen Branchentrend entspräche. Sondern mitten im Stammwerk in Stuttgart-Zuffenhausen. «Wir bündeln hier unsere Elektro-Kompetenz. Qualifizierte und motivierte Mitarbeiter sind entscheidend», sagt Tryggvason. Und die gebe es vor allem hier am Ort: 1500 neue Kollegen stellt Porsche für den Taycan und die Kombivariante Cross Turismo neu ein.

Kapazität vor dem Start verdoppelt

Eichen mussten nicht weichen, dafür aber rund die Hälfte der alten Anlagen. An ihrer Stelle erhebt sich jetzt ein Klotz aus 112'000 Kubikmetern Beton, auch eine Art Prototyp für das flexible Werk von morgen. Die geplante Jahreskapazität von 20'000 Taycan wurde aufgrund des schon jetzt grossen Kundenandrangs längst verdoppelt. Aber die Risiken der volatilen Weltwirtschaft und das unvorhersehbare Interesse an Elektroautos lassen sich besser abfedern, wenn auch andere Modelle – bis zu 30 Derivate – hier vom Band rollen könnten.

Dabei rollt hier gar nichts vom Band. Autonome, selbstfahrende Transportwagen chauffieren die Fahrzeuge durch die Produktionsstationen, Roboter arbeiten nicht mehr in Käfighaltung wie bisher, sondern Hand in Hand mit menschlichen Kollegen. Industrie 4.0 heisst das Zauberwort und meint Vollvernetzung, Integration von Mensch und Maschine, maximale Flexibilität und Nachhaltigkeit in Ressourcennutzung und Emissionen. Bei der Produktion der 200 Prototypen für die Erprobung auf rund 6,5 Millionen Testkilometern entwickelte Porsche auch den Fertigungsprozess neu.

Investitionen von 6,5 Mrd. Franken bis 2022

Der Standort im alten Werk stehe auch symbolisch für den Wandel. «Jeder hier soll sehen können, in welche Richtung Porsche steuert», sagt Tryggvason: Weitere Hybridisierung, nach Taycan und Cross Turismo soll die Neuauflage des SUVs Macan ebenfalls rein elektrisch kommen. Bis 2022 investiert das Unternehmen 6,5 Milliarden Franken in die
E-Mobilität, davon nur – vergleichsweise – 500 Millionen Franken in den Taycan sowie
760 Millionen in den Werksneubau.

Gut möglich, dass die Trumpfkarte Elektro Porsche-Chef Oliver Blume auch den Karriere-Jackpot einbringt. Gerüchteweise wird der studierte Produktionsfachmann mittelfristig als neuer Audi-Chef gehandelt; selbst für die Nachfolge von Herbert Diess auf dem Thron des Mutterkonzerns VW soll er im Gespräch sein.

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