Von der Lösung zum Problem
Wie der Dieselmotor seinen guten Ruf verlor

Partikelfilter und Abgasreinigung machten den Diesel zur einfachen Lösung gegen zu hohe CO2-Emissionen. Doch seit dem Abgas-Skandal von 2015 steigt die Verunsicherung: Welcher Antrieb ist nun der richtige?
Publiziert: 08.07.2019 um 04:58 Uhr
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Aktualisiert: 15.01.2021 um 02:00 Uhr
Andreas Faust

September 2015. Eben liess sich VW-CEO Martin Winterkorn an der IAA in Frankfurt noch feiern. Doch am 23. September muss er zurücktreten: Drei Tage zuvor räumte VW nach Vorwürfen der US-Umweltbehörde EPA ein, in fast 500'000 US-Dieselfahrzeugen unzulässige Motorsoftware eingesetzt zu haben. Weltweit waren über elf Millionen Autos betroffen, in der Schweiz rund 128'000.

Der Diesel wurde stark und sauber

Dabei hatte sich der Dieselmotor bis dahin einen guten Ruf erarbeitet. Lange als lahme Dreckschleuder verschrien, hauchten ihm Turbolader hohe Leistung und viel Drehmoment ein. Dank höherer Diesel-Energiedichte verbrauchen Dieselmotoren 20 bis 30 Prozent weniger Treibstoff als vergleichbare Benziner – mit entsprechend positiver Auswirkung auf den Ausstoss klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2). Partikelfilter reduzierten den Russausstoss gegen null, und Stickoxide sollten per Abgasnachbehandlung mit Harnstoff entschärft werden. Die Diesel-Zukunft sah rosig aus.

Die gesamte Branche am Pranger

Der Dieselskandal fegte die komplette VW-Führung weg, kostete den Konzern Milliarden an Bussen und beschädigte sein Image vor allem in Amerika nachhaltig. Die Aufarbeitung wird Ermittlungsbehörden und Gerichte noch Jahre beschäftigen. Gleichzeitig stellte er die gesamte Autobranche an den Pranger. Fast jeder Hersteller sah sich dem Vorwurf ähnlicher Manipulationen ausgesetzt – begründet und unbegründet.

NOx-Problem: Vor allem die Diesel stossen Stickoxide aus – bis zu zehn Mal mehr als Benziner. Seit der Euro-6-Norm ist der Ausstoss bei ihnen aber so begrenzt wie bei den Benzinern schon seit Euro 4.
Foto: Blick Grafik
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Diesel runter, CO2 rauf

Und er ruinierte den Ruf des Dieselmotors, selbst in dieselverliebten Ländern wie Belgien, wo der Anteil von über 80 Prozent 2014 auf unter 35 Prozent 2018 stürzte. In der Schweiz sank der Dieselanteil bei Neuwagen vom Allzeithoch im Jahr 2015 mit 42,4 Prozent auf rund 32 Prozent 2018. Mit negativen Auswirkungen auf die CO2-Bilanz: Im letzten Jahr stiess ein Schweizer Neuwagen im Schnitt fast 138 g/km CO2 aus, nach 135 g/km im Jahr 2015. Ein Problem, denn ab Januar 2020 gilt ein Grenzwert von nur noch 95 g/km über die gesamte Neuwagenflotte.

Die Verunsicherung ist gross

In Deutschland geht zudem die Angst vor Fahrverboten um. Per Klage hat die Deutsche Umwelthilfe Kommunen verpflichtet, die Nutzung von Dieselfahrzeugen bei Überschreitung der Stickoxid-Grenzwerte zu verbieten. Autofahrer in ganz Europa und auch der Schweiz sind verunsichert: Der Durchbruch der E-Mobilität steht zwar bevor – aber welcher Antrieb ist bis dahin für Umwelt und Geldbeutel der richtige? Kann und darf man noch ein neues Dieselfahrzeug kaufen? Sollte man jetzt schon auf Strom umsteigen? Oder doch lieber Hybride oder Erdgas fahren?

Unsere BLICK-Serie «So fahren wir in die Zukunft» gibt Antworten auf diese Fragen.

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