Leser erzählen von ihren schlimmsten Drogenerfahrungen
Horrortrip, Nahtoderfahrung, Entzug

Zum Weltdrogentag haben wir die Community nach ihren schlimmsten Erlebnissen mit Rauschmitteln gefragt. Hier erzählen vier Leserinnen und Leser, was Substanzmissbrauch mit ihnen angerichtet hat.
Publiziert: 06.07.2020 um 09:00 Uhr
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Aktualisiert: 06.07.2020 um 11:48 Uhr
Neil Werndli

Dass Drogen der Gesundheit schaden, weiss jedes Kind. Trotzdem lässt sich nicht leugnen, dass viele Schweizer Drogen konsumieren. Noch nie war in der Schweiz so viel und so reines Kokain auf dem Markt wie heute. Die Schweizer Schüler sind laut der WHO ausserdem Europameister im Kiffen.

Vergangene Woche fand der Weltdrogentag statt, bei dem es darum geht, auf die Gefahren des Drogenkonsums hinzuweisen und Prävention zu betreiben. Wir haben die Community aufgerufen, uns ihre negativen Erfahrungen mit Rauschmitteln zu erzählen. Die schlimmsten Geschichten liest du hier.

Daniel: «Ich kann nicht mehr in die Schweiz zurück»

«Ich wuchs in einer Pflegefamilie auf und wurde da rausgerissen. So landete ich in der Stadt und lernte dort die falschen Leute kennen. Mit 14 fing ich mit dem Kiffen an und rauchte dann 30 Jahre lang Cannabis. Dazwischen auch immer wieder LSD – ich bin sogar Albert Hofmann, dem Entdecker des LSD, begegnet – und Kokain. Vor allem beim Kokain wusste ich, dass es eigentlich schlimm ist. Trotzdem konsumierte ich am Ende fast jeden Tag.

Die BLICK-Community vertraut uns ihre schlimmsten Erfahrungen mit Drogen an. Leser Martin erlebte in den Siebzigerjahren einen Horrortrip.
Foto: BLICK
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Irgendwann wurde mir klar: Wenn ich jetzt keine Lösung finde, kommt das nicht gut. Dann bin ich abgetaucht. Und zwar wortwörtlich: Ich wurde Tauchlehrer. Ich ging einfach nach Zürich zum Flughafen und haute ab. Für mich war das der einzige Weg. Zurück blieb aber ein Scherbenhaufen. Meine Wohnung gab ich nicht ab, das Auto liess ich einfach stehen. Das war 2011. Danach war ich acht Jahre lang unterwegs. Hätten die Ämter gewusst, wo ich bin, hätte ich wahrscheinlich Ärger bekommen. Weil ich aber überall nur schwarz gearbeitet habe, interessierte das niemanden.

Daniel bei einem Tauchgang in Marsa Alam, Ägypten.

Heute bin ich 57 Jahre alt und überhaupt nicht unglücklich. Für einen ehemals Drogenabhängigen habe ich viel erreicht. Ich war sogar als Dozent für Fachinformatik tätig. Das einzige, was ich bereue: Ich kann bis heute nicht zurück in die Schweiz. Ich habe dort keinen Job, keine Wohnung, keine Freunde und konnte mir während meiner Zeit im Ausland auch nie das dafür nötige finanzielle Polster aufbauen.

Eigentlich wäre ich gerne Jugendberater, um mit Leuten zu arbeiten, die am gleichen Punkt sind wie ich damals. Ich bereue grundsätzlich zwar nichts, trotzdem weiss ich heute: Das Leben ist besser ohne Drogen. Mit diesen Substanzen möchte man ein Problem lösen, und das hat fast immer mit Gefühlen zu tun. Deshalb rate ich Jugendlichen: Spürt euch selbst! Wenn du zum Beispiel einen Berg hochkletterst, fühlst du dich danach auch gut. Ich habe das beim Tauchen gelernt: Diese Welt ist absolut unglaublich, und wenn man unter Wasser ist, merkt man, dass man auch Unmögliches erreichen kann.»

Anna*: «Ich sah, wie sie meine Tochter reanimierten»

«Ich selber konsumiere keine Drogen, aber meine Tochter. Sie hatte bereits in ihrer Kindheit Mühe, weil sie häufig ausgegrenzt wurde. Zwar ist sie sehr intelligent, trotzdem fand sie keinen Anschluss. Bereits mit 13 ist sie dann in die Drogen abgerutscht. Der Weg führte über verschiedenste Substanzen irgendwann zu Heroin.

Besonders traumatisch war für mich ein Abend im Jahr 2012. Sie nahm gleichzeitig Methadon, Codein, Benzos und Bexin. Dazu kam noch Alkohol. Mischkonsum ist das Schlimmste. Aber sie hatte eine solche Toleranz aufgebaut, dass ich nicht einmal merkte, dass sie konsumiert hatte. Um zirka 22 Uhr ging sie schlafen, und ich hörte aus ihrem Zimmer merkwürdige Schnarchgeräusche. Deshalb habe ich nachgeschaut und festgestellt, dass sie kaum noch atmete. Ich rief sofort die Polizei und den Notarzt. Sie schickten mich aus dem Zimmer – nach einer halben Stunde ging ich aber trotzdem hinein und sah, wie sie meine Tochter reanimierten. Zuerst meinten die Ärzte, es sehe nicht gut aus. Irgendwann kam sie dann aber zum Glück doch wieder zu sich.

Meine Tochter erinnert sich nicht daran. Erst als sie Jahre später den medizinischen Bericht las, sagte sie: ‹Mama, ich begreife erst jetzt, was ich dir angetan habe.› Heute ist sie clean, abgesehen von der Substitution. Sie hat den Drogen sukzessive abgeschworen. Ich glaube, entscheidend war, dass ich ihre Krankheit immer akzeptiert und sie nie aufgegeben habe. Eigentlich sollten wir mit allen Süchtigen so umgehen.

Die aktuelle Drogenpolitik ergibt in meinen Augen keinen Sinn. Das Problem ist die Illegalität – Repression bringt nichts. Sucht gehört zum Menschen, und eine drogenfreie Welt ist reines Wunschdenken. Es braucht Drogenmündigkeit, Aufklärung und natürlich knallharten Jugendschutz. Das erste Ziel sollte nämlich sein, dass sich jemand, der Drogen konsumiert, am Ende nicht damit umbringt.»

*Name geändert

Martin: «Auf dem Trip dachte ich, ich müsse mich umbringen»

«In der Zeit zwischen 18 und 25 habe ich ein paar Sachen ausprobiert. Von Gras über Amphetamine bis zu LSD und einmal sogar Opium. Eine strikte Grenze habe ich mir gesetzt und auch eingehalten: Nie an die Nadel.

Mein schlimmstes Erlebnis war auf LSD. In den Siebzigerjahren war das noch viel weiter verbreitet, und wir experimentierten auch im Jugendzentrum in Solothurn damit. Das war anfangs wunderschön. All die Farben und dann die Musik – das ist richtig eingefahren. Ausserdem war ich mit guten Leuten unterwegs. Das ist entscheidend: Nie allein konsumieren und nie, wenn man gerade mit Problemen kämpft! Trotzdem ging es dann einmal richtig schief.

Martin während seiner Zeit als Roadie bei einer Schweizer Rockband. (Bild: ZVG)

Wir hatten uns einen Trip geworfen und dazu ein, zwei Joints geraucht. Plötzlich hatte ich das Gefühl – nein, das dringende Bedürfnis! – mich umzubringen. Bis heute verstehe ich nicht, woher das kam. Jedenfalls suchte ich eine Pistole oder etwas, um Suizid zu begehen und sagte allen, ich müsse das nun einfach tun. Zum Glück passten meine Freunde gut auf mich auf. Sonst hätte das richtig übel enden können.

Mit dem LSD hörte ich nach diesem Trip natürlich auf und heute rauche ich höchstens noch ab und zu einen Joint. Wenn es nach mir geht, sollte man weiche Drogen sowieso legalisieren – daran würde der Staat dann auch mitverdienen. Die harten Sachen sollte man entkriminalisieren, damit eine kontrollierte Abgabe möglich ist. So bekommen die Süchtigen reinen Stoff, ohne in die Kriminalität abzurutschen. Schliesslich sollte es auch diesen Menschen, genau wie Alkoholikern, möglich sein ein mehr oder weniger normales Leben zu führen.»

Luc: «Der Heroinentzug war einfach nur mörderisch»

«Meine Probleme mit Drogen fingen während meiner Lehre auf der Baustelle an. Ich war jung und mit dem ganzen Leistungsdruck überfordert. Heroin half mir dabei. Wenn man das richtig dosiert, wirkt es wie Doping: Du bist leistungsfähiger, nicht mehr gestresst und spürst keine Schmerzen. Deshalb sah ich das als optimale Droge und habe es über Jahre konsumiert, ohne dass es jemand merkte. Unter der Woche zog ich Linien, am Freitag setzte ich mir eine Spritze und pennte dann quasi bis Montag durch.

Die Heroin-Szene ist ein sehr schräges Volk. Diese Leute linken einander und bescheissen, wo sie nur können. Deshalb habe ich mich irgendwann distanziert und landete 2003 zum ersten Mal bei der Drogenabgabe. Ich war dabei immer allein, weil ich meine Freunde und Familie nicht mit hineinziehen wollte.

Der Sport half Luc dabei, die Drogen aufzugeben. (Bild: ZVG)

Bei einem Arbeitsunfall verlor ich dann auch noch ein Stück meines Daumens, konnte nicht mehr arbeiten und somit auch keinen Stoff besorgen. Mein Körper sagte mir aber sowieso, es sei jetzt genug. Schliesslich machte ich einen Entzug. Dabei wurde ich zum Glück gut betreut – ohne Hilfe hätte ich das nicht geschafft. Glaub mir: Heroinentzug ist einfach nur mörderisch. Das Brutalste, das ich je erlebt habe. Zum Glück gibt es Schmerzmittel, sonst wäre ich gescheitert.

Innerhalb von zwei Monaten war mein Körper drogenfrei. Dann musste ich aber noch durch den psychischen Entzug. Diese absolute Leere. Ich habe das hauptsächlich mit Sport überwunden und mittlerweile über 50 Kilo abgenommen. Wenn du etwas vom Leben haben willst, musst du auf deine Gesundheit achten. Ich wünschte, das hätte ich früher gewusst.»

Hier findest du Hilfe

Diese Stellen sind rund um die Uhr für Menschen in suizidalen Krisen und für ihr Umfeld da:

Adressen für Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben

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