«Wieso hast du dich nicht gewehrt?»
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Sexuelle Belästigung:«Wieso hast du dich nicht gewehrt?»

«sichtbar»: Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
Wer sich wehrt, wird verwarnt

Betroffene sexueller Belästigung werden oft nicht ernst genommen. Wir sprechen mit Caroline Fux über Vorurteile gegenüber den Opfern. Zu Wort kommt auch Andrea, die sich gewehrt hat und dafür prompt verwarnt wurde.
Publiziert: 23.04.2021 um 12:15 Uhr
Lea Blum

Fassen Betroffene den Mut und erzählen jemandem von einem Erlebnis, müssen sie sich auf Reaktionen wie «Wieso hast du dich nicht gewehrt?» oder «Wieso sagst du erst jetzt etwas» gefasst machen. Caroline Fux ist Psychologin und Sexologin und betreut beim Blick den Ratgeber zu den Themen Sex, Liebe und Beziehung. Sie weiss, wie belastend solche Reaktionen sein können. Denn Menschen, die Opfer von sexueller Belästigung oder eines Übergriffs werden, fühlen häufig eine Art Kontrollverlust.

Der zweite Teil der Sendung «sichtbar» von Blick TV handelt von Reaktionen von Betroffenen, wenn sie einen Übergriff erleben, und davon, wie Arbeitgeber reagieren, wenn ihnen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz berichtet wird.

«Viele Opfer fallen in eine Schockstarre und können nicht reagieren», so Fux. Häufig werde davon gesprochen, dass Opfer sich nicht wehren können, weil sie den Täter nicht provozieren wollen. Es sei eine Art Schutzmechanismus, damit die Situation nicht noch schlimmer werde, als sie eh schon ist.

Im zweiten Teil der Sendung «sichtbar» von Blick TV geht es um die Frage, wie Opfer von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz reagieren und wie brutal es für sie ist, wenn sie nicht ernst genommen werden.
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Kämpfen, fliehen oder «freezen»

Für Menschen in Gefahrensituationen gibt es laut Fux drei Möglichkeiten. «Es ist ein biologisches Gefahrenprogramm, das der Körper und die Psyche abspielen: Man kann kämpfen, fliehen, oder freezen (deutsch: einfrieren).» Das sei kein aktiver Entscheid, wie Fux erklärt. «Wenn man sich tot stellt oder den eigenen Körper sinnbildlich verlässt, um das Erlebnis weniger wahrzunehmen, passiert das automatisch. Es ist wie ein Programm, das zum Selbstschutz abläuft.» Ein Phänomen, das man von Opfern sehr häufig höre und viele nicht kennen.

«Werden Opfer nach so einem Vorfall nicht ernst genommen, ist das brutal», so Fux. So empfindet es auch Andrea, die am Arbeitsplatz sexuell belästigt wurde. Im Affekt verpasst sie dem Mitarbeiter, der ihr an den Po gefasst hat, eine Ohrfeige und rennt zur Damentoilette. Vor lauter Fassungslosigkeit zerschlägt Andrea dort den Spiegel. Was darauf folgt, kann sie selbst kaum glauben. Andrea wird von ihrem Arbeitgeber wegen des Spiegels verwarnt, sie sei hysterisch und habe überreagiert. Andrea fühlt sich im Stich gelassen. Sie berichtet ihrem Arbeitgeber von der sexuellen Belästigung und wird trotzdem nicht ernst genommen.

Erlebnisse von Männern

Es ist wichtig, über dieses Thema zu sprechen, und es braucht Mut, die eigene Geschichte in der Öffentlichkeit zu erzählen. Sexuelle Belästigungen und Übergriffe finden nicht nur bei Frauen statt. Wir möchten auch über Erlebnisse von Männern berichten. Hast du auch sexuelle Belästigung erlebt? Erzähl uns davon mit dem Formular unten!

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