BLICK besucht den weltgrössten Electronic Market in Shenzhen
Hier kauft auch Wish alle China-Gadgets ein

Fake-iPhones, Drohnen, Kopfhörer, verrückte Roboter und Handys für 20 Franken: Im weltgrössten Electronic Market findet man jedes Gadget, muss aber beim Shopping auch aufpassen. BLICK hat sich ins Gewühl gestürzt.
Publiziert: 18.12.2019 um 12:54 Uhr
Roboter, Spielkonsole, Feuchtigkeitsspender: Im Electronic Market in Shenzhen findet man wohl jedes Gadget, das momentan in China gebaut wird.
Foto: Lorenz Keller
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Lorenz Keller aus Shenzhen

Von aussen sieht es ein wenig aus wie ein Mediamarkt. Doch fährt man die Rolltreppe zum Eingang hoch, ist man zunächstl überwältigt. Überall blinken LEDs, eine Drohne fliegt durch die Luft, jemand hämmert auf ein elektronisches Schlagzeug. Statt eines grossen Ladens gibts hunderte kleiner Stände.

Auf sechs Stöcken: ein Gewusel und Gewimmel, ein Labyrinth an Mini-Shops bis tief ins riesige Gebäude hinein. Jeder Verkäufer bietet hunderte, wenn nicht gar tausende verschiedener Produkte an, teilweise bis unter die Decke aufeinander drapiert.

Die Produkte werden fast alle in der Region produziert

Jedes Gadget, das in China produziert wird, findet man auch hier, auf dem weltgrössen sogenannten Electronic Market. Kein Wunder, in der Region nahe Hongkong mit den Städten Shenzhen und Guangzhou mit total 30 bis 40 Millionen Einwohnern werden sie auch fast alle produziert. Was also via Online-Billighändler Wish oder Aliexpress in die Schweiz geschickt wird, gibts auch hier im Huaqiangbei Electronic Market zu kaufen.

BLICK wirft sich ins Abenteuer. Den ersten Trends begegnet man schon nach wenigen Metern. So werden in mehreren Varianten digitale Drums angeboten sowie Klavier-Matten. Die kann man ausrollen und mit den Fingern darauf spielen. Sensoren erkennen, welche Taste man gedrückt hat. Noch beliebter sind Mikrofone mit eingebauten Effekten. Und natürlich ganze Sets mit Licht, Mikrofon und Handyhalterung für Social-Media-Produktionen.

Weiter gehts mit Drohnen und Robotern, Kopfhörern und Bluetooth-Lautsprechern. Eine wirkliche Ordnung ist nicht auszumachen. Im zweiten Stock haben sich zwar einige Verkäufer von LEDs und Licht-Installationen gruppiert, aber die findet man auch anderswo. Manche Shops haben sich spezialisiert, andere sind Gemischtwarenläden, die vom Kabel bis zum hochauflösenden Mikroskop alles anbieten.

Am besten vor 12 Uhr kommen

Einzige Faustregel: Je weiter weg von der Rolltreppe, desto wilder. So gibts in den oberen Stockwerken einzelne Teile zu kaufen, etwa Akkus, Prozessoren, Gehäuse oder Kamera-Module. Bis vor ein paar Jahren war dieser Bereich noch viel dominanter, in dem in grossen Mengen Bauteile gehandelt wurden.

Wer vor zwölf Uhr den Electronic Market besucht, kann noch ohne Gedränge durch die Gänge flanieren. Aber keine Angst, die Händler stürzen sich nicht gleich auf die westlichen Touristen, die ja auf den ersten Blick erkennbar sind. Obwohl vieles nach Bazar aussieht, fühlt es sich eher wie ein normales Einkaufszentrum an.

Die Verkäufer sind zurückhaltend, aber sehr freundlich. Sie zeigen einem gerne, wie die Gadgets funktionieren. Ein grosser Vorteil gegenüber dem Online-Shopping: Man sieht, ob ein Gerät wirklich funktioniert oder nur Schrott ist.

Chinesen zählen anders

Allerdings: Obwohl die Chinesen im weltweiten Handel führend und international vernetzt sind, Englisch sprechen trotzdem die wenigsten. Das ist auch in Huaqiangbei so. Kommuniziert wird mit Lächeln und Zeichensprache, die Preise werden in den Taschenrechner eingetippt.

Aber aufgepasst: Wer Zahlen mit den Fingern zeigt, muss sich bewusst sein, dass die Chinesen anders zählen. Nämlich mit einer Hand auf zehn. Wer also zwei Stück von einem Gadget möchte, sollte ein Victory-Zeichen machen. Nutzt er Daumen und Zeigfinger, bedeutet das in China acht.

Günstiger als bei Wish und Aliexpress

Langweilig wird es den Händlern nicht. Werden keine Kunden bedient, werden immer mal wieder Bestellungen für internationale Webseiten wie Wish oder Aliexpress eingepackt.

Die Preise sind recht homogen und 20 bis 30 Prozent tiefer als jene bei Wish oder Aliexpress bezahlt. Gute Chancen auf weitere 20 bis 30 Prozent Nachlass hat man vor allem, wenn man mehr als ein Produkt bei einem Händler kauft.

Bezahlt wird primär digital. Am populärsten ist WeChat, eine App wie WhatsApp, über die man aber auch ganz leicht via QR-Code bezahlen kann. Da man als Tourist WeChat nicht mit Geld laden kann und Kreditkarten nur bei wenigen Läden akzeptiert werden, muss man Bargeld nutzen.

Während Touristen bei den meisten Gadgets nicht Gefahr laufen, massiv übers Ohr gehauen zu werden, sieht es bei Markenprodukten anders aus.

iPhones etwa werden an jeder Ecke angeboten. Manche gar noch in vermeintlicher Originalverpackung. Was man wirklich erhält, ist aber schwer zu sagen.

Finger weg vor IPhone-Schnäppchen

Manche iPhones sind offensichtliche Fälschungen, wenn etwa Farben angeboten werden, die Apple gar nicht im Sortiment hat. Teurere Modelle könnten so genannte «Refurbished»-Produkte sein, also Occasions-Telefone, die wiederaufbereitet wurden. Was genau drin steckt und was genau gemacht wurde, ist für Laien kaum feststellbar.

Darum Finger weg von vermeintlichen Schnäppchen und sich lieber ein witziges Gadget als Souvenir auswählen. Der Digital-Redaktor hat sich etwa für 15 Franken ein Mini-Handy im Cola-Design gekauft. Plus als Geschenk eine ähnlich teure digitale Tafel für Text und Zeichnungen, die man auf Knopfdruck magisch wieder löschen kann.

Nach zwei Stunden hat man jedes interessante Produkt bei mehreren Händlern gesehen und sucht den Weg zurück an die frische Luft. Doch was ist eigentlich in den anderen Gebäuden im Quartier Huaqiang drin? Die Antwort ist ganz einfach:

Ein weiterer, noch chaotischer Electronic Market. Und noch einer. Und ein Handelsplatz in Einkaufszentrum-Grösse mit hunderten Shops für Kosmetik und Schönheitsprodukten. Hier merkt man, warum die Region um Shenzhen als «Fabrik der Welt» bezeichnet wird.

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