Exklusiv!
Hier schreibt Karin Keller-Sutter über Gleichberechtigung

Volkes Stimme ergibt sich aus Männern und Frauen, sagt Karin Keller-Sutter. Darum liegt es ihr am Herzen, dass Frauen hinstehen, ihre Meinung äussern und riskieren, kritisiert zu werden. Aus eigener Erfahrung weiss die Bundesrätin: «Man überlebt es» – und es lohnt sich.
Publiziert: 31.10.2022 um 00:05 Uhr
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Aktualisiert: 31.10.2022 um 20:52 Uhr
Von Bundesrätin Karin Keller-Sutter

Letztes Jahr feierten wir 50 Jahre Frauenstimmrecht in der Schweiz. Vor gut 50 Jahren erhielten die Frauen buchstäblich eine Stimme an der Urne. Das Ziel der EqualVoice-Initiative, die Stimmen der Frauen in den Medien zu stärken, begrüsse ich sehr. Sie benennt damit aus eigenem Antrieb einen Mangel, und sie sucht nach Lösungen, ganz ohne staatliche Vorgaben. Es mangelt heute nicht an Frauen, die etwas zu sagen haben – oder zu sagen hätten! In der Politik ist es inzwischen selbstverständlich, Frauen angemessen an der Macht zu beteiligen. Die Schweiz führte das Frauenstimmrecht zwar vergleichsweise spät ein, aber sie holte danach rasch auf.

In der Wissenschaft lag der Anteil weiblicher Studierender an unseren Universitäten vor 30 Jahren bei unter 40 Prozent; bereits seit zehn Jahren stellen die Frauen dagegen knapp die Mehrheit. Und allen Unkenrufen zum Trotz tut sich auch in der Wirtschaft einiges. Der Anteil Frauen in den Geschäftsleitungen der 100 grössten Unternehmen der Schweiz steigt jedenfalls seit Jahren: Von 9 Prozent im Jahr 2018 auf immerhin 19 Prozent in diesem Jahr. Und ihr Anteil in den Verwaltungsräten erreichte dieses Jahr die 30-Prozent-Marke.

Diese gesellschaftliche Veränderung ist in den Medien aber noch zu wenig abgebildet. Die Universität Zürich kam letztes Jahr in einer Studie zum Schluss, dass nur in 23 Prozent der Medienbeiträge eine Frau vorkommt. Der Anteil stagniert zudem seit 2015. Ausgerechnet in den Medien, könnte man sagen! Einer Branche, die sich selber doch eher als progressive Speerspitze der Gesellschaft sieht. Die Frage also ist: Wie kann die Medienbranche den Frauenanteil in ihrer Berichterstattung erhöhen?

Aus Sicht von Justizministerin Karin Keller-Sutter gibt es in Sachen Gleichstellung noch viel zu tun. Darum begrüsst sie den Ansatz der EqualVoice-Initiative.
Foto: Geri Born/Schweizer Illustrierte
Fabienne Bühler
Karin Keller-Sutter

FDP-Frau Karin Keller-Sutter, 58, wuchs als Wirtstochter in Wil SG auf. Sie machte eine Dolmetscher-Ausbildung und studierte Politikwissenschaften. Nach Stationen im Stadt- und Kantonsparlament, im Regierungs- und Ständerat sitzt sie seit 2018 im Bundesrat, wo sie aktuell das Amt der Justizministerin innehat. Keller-Sutter lebt mit ihrem Mann in Wil.

Fabienne Bühler

FDP-Frau Karin Keller-Sutter, 58, wuchs als Wirtstochter in Wil SG auf. Sie machte eine Dolmetscher-Ausbildung und studierte Politikwissenschaften. Nach Stationen im Stadt- und Kantonsparlament, im Regierungs- und Ständerat sitzt sie seit 2018 im Bundesrat, wo sie aktuell das Amt der Justizministerin innehat. Keller-Sutter lebt mit ihrem Mann in Wil.

Ich finde den Ansatz der EqualVoice-Initiative ziemlich klug. Man ruft damit die Journalistinnen und Journalisten nicht einfach nur dazu auf, öfter Frauen anzurufen statt Männer. Man gibt ihnen auch gleich die praktischen Instrumente in die Hände. Dazu gehört eine Liste, auf der man von der ETH-Architektin über die Rechtsprofessorin bis hin zur Unternehmerin unterschiedlichste Expertinnen findet.

Fast noch entscheidender scheint mir aber, dass man aktiv auf Expertinnen zugeht, um sie zu motivieren, für Medienanfragen tatsächlich zur Verfügung zu stehen und sich auf die Liste setzen zu lassen. Es nützt ja wenig, wenn seitens der Medien der Wille da wäre, vermehrt auch Expertinnen zu befragen, diese aber gar nicht bereit sind, Auskunft zu geben.

Aber nicht nur Expertinnen sollen häufiger in der Medienberichterstattung vorkommen, sondern Frauen ganz generell. Bei der Strassenumfrage oder dem Bericht aus dem Schrebergarten können auch Frauen befragt werden, es müssen nicht immer Männer sein! Volkes Stimme ergibt sich aus Männern und Frauen. Mit Ihrer Initiative schaffen Sie letztlich Chancen. Und wenn Frauen häufiger die Chance erhalten, sich zu äussern, kommen auch mehr Frauen in der Berichterstattung vor. Journalistinnen und Journalisten können also aktiv zur Chancengleichheit beitragen.

EqualVoice

Als internationaler Medienkonzern setzt sich die Ringier-Gruppe mit ihrer publizistischen und technologischen Kraft seit 2019 für die Gleichwertigkeit von Frauen und Männern ein. Ringier will mit der EqualVoice-Initiative die Frauen in der Berichterstattung sichtbarer machen, denn heute handeln Medienartikel in der Schweiz zu 72 Prozent von Männern. Zudem soll die Initiative mehr weibliche Vorbilder schaffen. Um das zu erreichen, misst Ringier den Frauen- und Männeranteil in den Onlineberichten mit einem von der ETH verifizierten Algorithmus und veranstaltet Events.

Als internationaler Medienkonzern setzt sich die Ringier-Gruppe mit ihrer publizistischen und technologischen Kraft seit 2019 für die Gleichwertigkeit von Frauen und Männern ein. Ringier will mit der EqualVoice-Initiative die Frauen in der Berichterstattung sichtbarer machen, denn heute handeln Medienartikel in der Schweiz zu 72 Prozent von Männern. Zudem soll die Initiative mehr weibliche Vorbilder schaffen. Um das zu erreichen, misst Ringier den Frauen- und Männeranteil in den Onlineberichten mit einem von der ETH verifizierten Algorithmus und veranstaltet Events.

Und darum geht es in erster Linie bei der Gleichstellung: Um Chancengleichheit. In der Bildung, bei der Berufswahl, der Wahl von Verwaltungsratsmitgliedern oder eben in den Medien. Frauen und Männer sollen grundsätzlich die gleiche Startchance haben. Es ist dann an den Frauen und Männern, diese Chance auch zu packen und etwas daraus zu machen.

Es geht aber nicht nur darum, dass Frauen in den Medien vorkommen. Sondern auch darum, wie sie in den Medien dargestellt werden. Es gehört auch dazu, dass man stereotypische Zuschreibungen, seien es nun männliche oder weibliche, erkennt – und vermeidet. Dass Frauen als Politikerin oder als Verwaltungsrätin vorkommen – und eben nicht als «Frau». Oder noch schlimmer: als «die Frau von»!

Dafür braucht es natürlich auch die Bereitschaft der Frauen, Auskunft zu geben, hinzustehen, zur eigenen Meinung zu stehen. Man muss sich exponieren, um gehört zu werden. Und man muss dabei auch das Risiko in Kauf nehmen, dass nicht alle gerne hören, was man sagt, und dass man kritisiert wird. Meine eigene Erfahrung lehrt mich: Man überlebt es!

Es braucht Frauen, die vorangehen, damit andere folgen. Ruth Bader Ginsburg, die verstorbene US-Richterin am Supreme Court, war eine dieser Frauen. Sie sagte einmal: «As women achieve power, the barriers will fall. As society sees what women can do, there will be more women out there doing things, and we’ll all be better off for it.» Auf Deutsch: «Sobald Frauen an die Macht kommen, fallen Schranken. Wenn die Gesellschaft erkennt, wozu Frauen fähig sind, wird es mehr Frauen geben, die sich engagieren. Und wir alle werden es dann besser haben.» Dem ist eigentlich nichts beizufügen.

Dieser Artikel stammt aus dem Print-Magazin zur Ringier-Initiative EqualVoice.

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