Abnehmen mit Diabetes-Mittel
Schweizer Professorin weiss, wie Fettweg-Spritzen wirken

Es gilt als neues Wundermittel zum Abnehmen: Wer sich Diabetes-Mittel spritzt, verliert an Gewicht. Jetzt untersuchte die Psychologieprofessorin Géraldine Coppin, wie das Medikament die Freude am Essen verändert.
Publiziert: 04.09.2023 um 20:14 Uhr
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Aktualisiert: 15.11.2023 um 15:59 Uhr
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Katja RichardRedaktorin Gesellschaft

Ein Piks in den Bauch und schon purzeln die Pfunde: Diabetes-Mittel haben einen weltweiten Abnehmhype ausgelöst. Seit Prominente wie Elon Musk (52), Kim Kardashian (42) oder Robbie Williams (49) damit abgenommen haben, gibt es einen Run auf die sogenannte Fettweg-Spritzen. Der führt bei den Herstellern sogar zu Lieferengpässen.

Mit der neuen Art abzunehmen hat sich auch die Psychologieprofessorin Géraldine Coppin (37) von der FernUni Schweiz auseinandergesetzt. «Die Gewichtsabnahme ist erwiesen, aber die genauen Mechanismen sind noch nicht vollständig geklärt», sagt sie. Bei einem Forschungsprojekt am Food & Human Behaviour Lab der Universität Genf in Zusammenarbeit mit dem Unispital Genf hat Coppin spezifisch untersucht, ob der Genuss am Essen verloren geht.

Studie mit Messungen im Belohnungszentrum

An der Studie haben 73 Menschen mit einem durchschnittlichen Bodymass-Index von 34 teilgenommen, also mit Übergewicht. Die eine Hälfte bekam ein Placebo, die andere ein Medikament mit dem Inhaltsstoff Liraglutid. Der GLP-1-Antagonist ist dem körpereigenen Darmhormon ähnlich und für den Gewichtsverlust verantwortlich. Es senkt den Blutzuckerspiegel, ohne zu einer Unterzuckerung zu führen. Im Schnitt nehmen Patienten im Jahr so um etwa 15 Prozent des Körpergewichts ab. Die Studienteilnehmer, die Liraglutid bekommen haben, nahmen innerhalb von 16 Wochen im Schnitt neun Kilo ab.

Kim Kardashian hat angeblich mit Diabetes-Mittel abgenommen.
Foto: GC Images
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Vielmehr interessierte aber in der Studie, wie sich der Genuss am Essen verändert. Getestet wurde das einmal mit einem Schoggi-Milchshake und einmal mit einer geschmacksneutralen Lösung. Die beiden Getränke wurden in einem MRT-Scanner verabreicht, um die neuronalen Reaktionen während des Verzehrs zu messen. «Der Fokus lag dabei auf dem Belohnungszentrum im Gehirn», erklärt Coppin. «Wir sind von der Hypothese ausgegangen, dass sich dort mit der Einnahme von Liraglutid etwas verändern würde.» Anders als erwartet war aber zwischen den Versuchsgruppen kein signikanter Unterschied messbar.

Freude am Essen bleibt

Die Schlussfolgerung, die man laut Coppin daraus ziehen kann: «Liraglutid führt zu einer Gewichtsabnahme. Und es gibt keine neuronalen Beweise dafür, dass die Lust aufs Essen abnimmt oder auf bestimmte Lebensmittel verändert.» Dies sei für Adipositas-Patienten ein positive Nachricht: «Es bedeutet, dass sie eine solche Therapie über einen längeren Zeitraum durchführen können, mit einer guten Chance, die Freude am Essen nicht zu verlieren.»

Die Professorin hat sich auf das Thema Emotionen und Ernährung spezialisiert. Das Leiden von Menschen mit Übergewicht sei gross, über vierzig Prozent seien in der Schweiz davon betroffen. «Das hat der Veränderung unserer Essensgewohnheiten und der ständigen Verfügbarkeit von Nahrung zu tun», sagt sie. «Mit Übergewicht ist auch viel Scham verbunden, dabei waren unsere Fettreserven in unserer Menschheitsgeschichte überlebenswichtig», so die Psychologin. Und selbst wer es schafft, abzunehmen, habe für immer einen veränderten Metabolismus.

Hoffnung für Übergewichtige

Die Entwicklung solcher Abnehm-Medikamente machen laut der Expertin Hoffnung: «Sie können zu einer Alternative für operative Massnahmen bei starkem Übergewicht sein.» Sobald man das Medikament absetzt, nehmen die Patienten in der Regel wieder zu. «Darum muss man es wohl ein Leben lang einnehmen.» Bestimmte Medikamente werden bei der Indikation von Übergewicht von den Krankenkassen übernommen. «Allerdings bezahlen diese nur für drei Jahre», so Coppin. Das mache keinen Sinn, den Adipositas sei eine komplexe und chronische Erkrankung. «Bei Bluthochdruck oder Diabetes nimmt man die entsprechenden Medikamente auch ein Leben lang ein, wenn es angezeigt ist.»

Wer nur ein paar Kilo abnehmen will, dem ist die Einnahme solcher Diabetes-Mittel darum nicht empfohlen. Sobald man sie absetzt, nimmt man wieder zu. Ausserdem müsse man auch nicht superdünn sein: «Der BMI ist relativ», so Coppin. «Und gerade ab einem gewissen Alter ist ein bisschen Speck auch nicht ungesund. Darin stecken auch Reserven, die vorteilhaft sind, etwa im Fall von anderen Erkrankungen oder bei operativen Eingriffen.»

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