Erste Studie gibt Hoffnung
Schweizer Forscher macht Blinde sehend

Bislang lässt sich vererbte Blindheit kaum behandeln. Jetzt gibt es Hoffnung: Ein Schweizer Biotech-Unternehmen hat eine neue Therapie entwickelt – die erste klinische Studie an Menschen ist vielversprechend.
Publiziert: 15.02.2024 um 19:07 Uhr
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Aktualisiert: 16.02.2024 um 09:20 Uhr
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Katja RichardRedaktorin Gesellschaft

Über eine Million Menschen weltweit leiden an vererbter Blindheit, in der Schweiz ist etwa einer von 3000 Menschen betroffen. Die Tragik an der Krankheit: Man weiss, dass man erblindet, aber nicht wie viel Zeit noch bleibt. Das Augenlicht geht nach und nach verloren, ohne dass man etwas dagegen tun kann.

Jetzt gibt es Hoffnung für Betroffene der Netzhauterkrankung Retinitis pigmentosa: Der Schweizer Matthias Steger (53) forscht mit seiner Biotech-Firma Endogena Therapeutics an einer neuartigen Methode gegen die Krankheit. Der Wirkstoff EA-2353 wurde in einer ersten klinischen Studie in den USA erstmals an 14 erblindeten Menschen getestet, die Resultate sind vielversprechend: «Manche konnten hell und dunkel wieder besser unterscheiden. Andere haben wieder sehen können, wie sich eine Hand vor den Augen bewegt oder sogar die Finger daran abzählen», sagt Steger. «Ein Patient hat berichtet, dass er wieder sehen kann, ob er Kaffee oder Milch in die Tasse leert. Ein anderer kann jetzt ohne Blindenstock zu seinem Arzt laufen.» 

Wissenschaftliche Sensation

Das mag nicht nach viel klingen, aber für Betroffene ist es eine Verbesserung der Lebensqualität und ein Hoffnungsschimmer. «Die Studie wurde an Menschen durchgeführt, die bereits komplett erblindet sind und es wurde nur ein Auge behandelt», erklärt der Biochemiker. «Im ersten Schritt geht es darum, zu beweisen, dass der zu testende Wirkstoff keinen Schaden anrichtet.» 

Matthias Steger, Gründer von Endogena Therapeutics sucht neue Wege gegen vererbte Blindheit.
Foto: Thomas Meier
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Fenster zur Welt

Die Augen sind Vorposten des Gehirns und das Fenster zur Welt. Der Sehsinn ist das wichtigste Sinnessystem des Menschen, er liefert bis zu 80 Prozent der Informationen über die Aussenwelt und beschäftigt ein Viertel des Gehirns. Die Netzhaut ist das Nervengeflecht im Augeninnern und damit ein Teil des Gehirns, das aus mehr als hundert verschiedenen Zelltypen besteht. 127 Millionen Lichtrezeptoren verwandeln das Licht, das sie durch die Linse erreicht, in elektrische Impulse und geben diese an den Sehnerv weiter. Mit dem Alter nehmen Augenerkrankungen zu, die häufigste Ursache für Erblindung ist die altersbedingte Makuladegeneration.

Die Augen sind Vorposten des Gehirns und das Fenster zur Welt. Der Sehsinn ist das wichtigste Sinnessystem des Menschen, er liefert bis zu 80 Prozent der Informationen über die Aussenwelt und beschäftigt ein Viertel des Gehirns. Die Netzhaut ist das Nervengeflecht im Augeninnern und damit ein Teil des Gehirns, das aus mehr als hundert verschiedenen Zelltypen besteht. 127 Millionen Lichtrezeptoren verwandeln das Licht, das sie durch die Linse erreicht, in elektrische Impulse und geben diese an den Sehnerv weiter. Mit dem Alter nehmen Augenerkrankungen zu, die häufigste Ursache für Erblindung ist die altersbedingte Makuladegeneration.

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In der nächsten klinischen Studie wird der Wirkstoff EA-2353 an Menschen getestet, deren Augenlicht noch nicht ganz erloschen ist. Die Erbkrankheit verläuft über Jahre und zerstört nach und nach die Fotorezeptoren auf der Netzhaut. Die Idee hinter der neuen Therapie ist, diesen Prozess aufzuhalten und sogar rückgängig zu machen, sprich, die Rezeptoren neu zu bilden. «So wie sie einst im Embryo gewachsen sind», erklärt Biochemiker Steger. Was er zuerst im Reaganzglas und dann an Mäusen bewiesen hat, ist eine wissenschaftliche Sensation: «Wir haben als erste gezeigt, dass Fotorezeptoren im erwachsenen Auge eines Säugetiers regeneriert werden können», so Steger. Dazu wurde im Januar ein wissenschaftlicher Artikel im International Journal of Molecular Sciences publiziert. 

Moleküle öffnen biologische Pfade

Möglich ist das dank Molekülen, die in aufwendigen Prozessen und mithilfe künstlicher Intelligenz eruiert und synthetisiert werden – sie sind die wichtigste Währung der Pharmabranche. «Sie sind wie ein Schlüssel, der das Schloss zu biologischen Pfaden öffnet und so Prozesse in den Zellen regulieren kann», sagt Steger. Auf diese Weise werden die Augenstammzellen aus ihrem Ruhezustand «geweckt» und das Wachstum wieder aktiviert. Die Anwendung mittels einer Injektion in den Augapfel ist einfach und heutzutage Routine. Weil die Methode den genetischen Defekt nicht aufhebt, muss die Substanz, regelmässig wieder angewendet werden.

Der Ansatz wurde zunächst an Mäusen getestet, nun laufen die ersten klinischen Studien an Menschen. Bis EA-2353 auf den Markt kommt, dauert es noch mindestens drei Jahre – sofern die nächsten Studien erfolgreich sind. Hoffnung dürften sich laut dem Wissenschaftler vor allem junge Patienten machen: «Also bevor die komplette Degeneration der Netzhaut eingesetzt hat.»

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