Fachleute sind besorgt
Grüsel-Massenspender verbreiten ungestört ihren Samen

Seit 2022 steht in der Schweiz die Samenspende auch Frauenpaaren offen. Dennoch suchen viele im Netz nach einem privaten Spender. Und treffen auf dubiose Männer, die oft vor allem eines wollen: Sex.
Publiziert: 22.04.2024 um 00:11 Uhr
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Aktualisiert: 23.04.2024 um 14:13 Uhr
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Rebecca WyssRedaktorin Gesellschaft / Magazin

Auf den ersten Blick wirkt Ben Beo normal: ein Unternehmer aus der Region Bern, 48 Jahre alt, 1,76 gross, sportlich. So beschreibt er sich im Netz. Stutzig macht sein Facebook-Profilbild, auf dem er oben ohne mit einem Hammer posiert, ein Riesen-Smiley verdeckt sein Gesicht. Ben Beo ist ein Alias-Name. Der Mann will anonym bleiben. Unsere Recherche zeigt, weshalb.

Ben Beo bietet auf Facebook und einschlägigen Internetseiten Frauen mit Kinderwunsch seinen Samen an. Fünf Kinder hat er laut eigenen Angaben so gezeugt. Seine bevorzugte Methode beschreibt er dort im Juni 2023 so: «Machen wir es auf die natürliche Art, verzichte ich auf die Entschädigung.» Die natürliche Art ist Sex. Nach der «Schwängerung», schreibt er weiter, will er keinen Kontakt mehr. «Da ich gebunden bin.» Das ist nicht zulässig in der Schweiz: Die Kinder haben das Recht, mit 18 zu erfahren, wer der Erzeuger ist.

Wenn die Privatspende zur Katastrophe wird

Die Zahl der Samenspenderkinder nimmt zu. Laut Bundesamt für Statistik entstanden vor sechs Jahren noch 3661 Babys aus Spenden in hiesigen Kinderwunschkliniken, 2022 waren es bereits 4524. Doch die Dunkelziffer ist höher. Fernab der Kliniken wuchert im Netz ein Markt mit dubiosen privaten Samenspenden heran.

Im Netz wimmelt es nur so von dubiosen Männern, die eine Samenspende anbieten. Einer davon ist Ben Beo, seine Identität hält er geheim.
Foto: zVg
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Blick hat gerade die Folgen publik gemacht: Das Frauen-Ehepaar Gerber (Name geändert) aus dem Aargau und weitere Paare fielen auf den deutschen Massenspender Martin W. herein. Er sagte ihnen nicht, dass er einen Schwerbehinderten-Ausweis, Epilepsie und eine chronische Darmerkrankung hat. Einige Kinder von ihm sind gesundheitlich auffällig.

Ben Beo hat auch die Gerbers angeschrieben. Die Frauen wollten seine Dienste nicht. Tamara Gerber sagt: «Ich fand es unheimlich, dass das Spenden für ihn ein Fetisch ist.» Das habe er ihnen gegenüber offen gelegt. Andere Frauen berichten in Facebook-Foren das Gleiche. Wir wollen mehr wissen. Doch auf unsere Anfrage schreibt Ben Beo: «Da ich gerne diskret bin und bleibe, werde ich keine Auskunft geben.»

Fachleute beobachten die Entwicklung kritisch.

Die Rechtsanwältin Karin Hochl ist auf Fortpflanzungsmedizin spezialisiert. Sie sagt: «Wir haben immer noch viele Beratungen für private Samenspenden.» Obwohl seit 2022 auch Frauenpaare Zugang zu einer Samenspende in einer Kinderwunschklinik haben. Bei einer privaten Samenspende, sagt sie weiter, setze man sich «einem gewissen Risiko» aus.

Auch Reproduktionsmedizinern ist das Phänomen bekannt. Peter Fehr von der Zürcher Klinik OVA IVF hört in Gesprächen mit Paaren «immer wieder, dass sie es zuerst erfolglos mit einem privaten Samenspender versucht haben». Manche hätten schlechte Erfahrungen gemacht. In einem Fall habe ein Spender ein Paar nach dem ersten Kind gestalkt.

Das Problem ist: Im Schweizer Recht ist die private Samenspende nicht geregelt. Karin Hochl sagt: «Nach Gesetz wäre der Spender der rechtliche Vater.» Die Behörden erwarten, dass er die Vaterschaft für das Kind anerkennt.

Kinderwunschkliniken prüfen die Spender

Sicherer sind offizielle Samenspenden über Kinderwunschkliniken. Diese unterstehen dem Fortpflanzungsmedizingesetz. Die Vaterschaft des Spenders ist ausgeschlossen. Auch einen Fall wie Martin W. gäbe es dort nicht. Die Auflagen für Spender sind streng.

Acht Kliniken in der Schweiz betreiben ein Samenspenderprogramm, die Bewilligung dafür erteilen die Kantone. Eine davon ist jene des Mediziners Peter Fehr, er sagt: «Wir suchen unsere Spender gut aus.» Die Ärzte fragen und untersuchen die Bewerber nach Krankheiten und Operationen. Testen sie mehrmals auf Infektionskrankheiten, checken sie auf häufige Erbkrankheiten durch. Den Ausschlag geben auch: die Qualität des Spermas, Aussehen, Alter, Bildung und Motivation des Spenders. Geld darf keine sein, dafür sorgen die maximal 2000 Franken, die die Spender für das ganze Prozedere erhalten. Nur drei von zehn Bewerbern schaffen es ins Programm.

Doch egal, ob man mit dem Partner ein Kind zeugt, oder den Samen eines Fremden nimmt: Ein Restrisiko bleibt immer. Peter Fehr sagt: «Wir bieten medizinische Sicherheit, aber nicht die Garantie auf ein gesundes Kind.»

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