Kompliment oder sexuelle Belästigung?
Liebe Männer, darauf kommts an!

Wie kann man einer Frau zeigen, dass sie einem gefällt, ohne sie zu belästigen? Die Sexologin Amelie Boehm (36) erklärt den Unterschied zwischen Kompliment und Catcalling.
Publiziert: 16.02.2024 um 20:35 Uhr
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Aktualisiert: 21.02.2024 um 16:42 Uhr
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Katja RichardRedaktorin Gesellschaft

Ist es immer eine Belästigung, wenn man einer Frau hinterherpfeift? Die Berichterstattung zum Thema Catcalling im Blick hat viele Reaktionen ausgelöst. Insbesondere Männer sind verunsichert und fragen sich, was man heutzutage noch darf und wie man eine Frau anspricht. Es zeigt sich aber auch ein Generationenkonflikt, was früher noch okay war, ist heute oft ein No-Go. Psychologin und Sexologin Amelie Boehm (36) ordnet ein, worauf es beim Flirt ankommt.

Nachpfeifen: Mag sein, dass manche Frauen das als Kompliment auffassen. Aus meiner Perspektive ist es das nie. Denn ein Mann, der das tut, hat nicht wirklich die Absicht, die Frau, die gerade vorbeigeht, tatsächlich kennenzulernen. Es geht viel mehr um ihr Äusseres. Sie ist bloss ein Objekt, auf das man mit dem Finger zeigt. Oft geschieht Catcalling in einer Gruppe von Männern, es kann eine Frau einschüchtern – kein guter Start für einen Flirt.

Kompliment: Es kommt bei einer Frau (und übrigens auch bei einem Mann) viel besser an, wenn man etwas Persönliches herausstreicht. Was immer hilft, ist Fragen stellen und aufmerksam zuhören, so zeigt man Interesse und findet gemeinsame Themen. Das Bewerten des Körpers kommt bei Frauen in einem ersten Schritt nicht gut an, insbesondere sowas wie, du hast einen schönen Busen. Erst wenn man intim miteinander ist, hört eine Frau gerne, dass man sie und ihren Körper als schön empfindet.

Amélie Böhm ist Sexologin und weiss, worauf es beim Flirten ankommt.
Foto: Nora Dal Cero
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Situation: Es macht einen Unterschied, ob man eine Frau auf der Strasse anspricht oder etwa in einer Bar. Es braucht mehr Mut, alleine auf jemanden zuzugehen, denn man muss auch etwas von sich selber preisgeben. Wichtig ist immer, das Gegenüber zu respektieren. Es mag altmodisch klingen, aber wer unsicher ist, kann sich überlegen: Wie möchte ich, dass jemand mit meiner Schwester oder auch einer guten Freundin umgeht?

Nein heisst nein: Eine mögliche Ablehnung nicht persönlich nehmen. Die meisten Frauen freuen sich, wenn ein Mann sie kennenlernen will. Als Mann muss man akzeptieren können, dass ein kleiner Flirt nicht weiterführen muss. Auch wenn man einen Drink bezahlt hat, gibt es keinen Anspruch auf ein Ja. Wichtig ist, ein Nein nicht als Kränkung zu nehmen. Vielleicht ist ja die Frau liiert, gerade in Trennung oder es passt sonst nicht.

Falsche Vorbilder: Viele Männer sind heute verunsichert, das Daten und Flirten scheint ein Minenfeld zu sein. Manche orientieren sich an Filmhelden oder Datingcoaches. Oft sind das Macho-Strategien, die nicht gut ankommen. Anstatt eine Rolle zu spielen, bleibt man lieber sich selber. Wer unsicher ist, fragt nach, das ist keineswegs unmännlich. Wir befinden uns punkto Geschlechterrollen in einem gesellschaftlichen Wandel – Frauen fühlen sich damit oft genauso unsicher. Darum ist heute eine ehrliche Kommunikation die beste Strategie.

Angst: Frauen haben noch immer Angst vor Männern, aus gutem Grund. Manche meiner Klientinnen erlebten nach einem Nein sogar Gewalt. Nein sagen ist ein Learning für die neue Generation von Frauen. Denn unseren Müttern und Grossmüttern wurde noch beigebracht, dass sie Männern zur Verfügung stehen müssen. Auf Belästigungen reagieren Frauen oft mit einem verlegenen Lächeln und bleiben höflich. Das ist keine Einladung weiterzumachen, es ist ein unbewusster Versuch, sich zu schützen.

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