«Ich höre während der Fahrt gern Metal, Rock und Gothic»
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Sound beim ÖV-Fahren:«Ich höre während der Fahrt gern Metal, Rock und Gothic»

Schlager im Postauto, Metal im «Drämli»
Fahrt im Takt

Die Welt des öffentlichen Verkehrs wird lauter: In vielen Betrieben ist Sound am Steuer neuerdings erlaubt. Drei Fahrdienstmitarbeitende ziehen Bilanz und erzählen, welche Musik sie in Tram und Bus hören.
Publiziert: 28.01.2024 um 10:34 Uhr
Tim von Felten

In den Zürcher Tramcockpits ist es nicht mehr still: Seit den Sommerferien 2023 dürfen die Pilotinnen und Piloten bei der Arbeit Musik hören – Busfahrerinnen und -fahrer ebenso. Im einjährigen Versuch wollen die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) ermitteln, ob man den Sound im Führerstand definitiv erlauben soll.

Die VBZ stützen sich auf einen praktisch identischen Versuch der Basler Verkehrsbetriebe (BVB), der ein Jahr zuvor startete und mittlerweile mit erfreulichen Resultaten beendet wurde: Die Tramführerinnen und -führer dürfen weiterhin ihren Lieblingssongs und -bands lauschen.

Auch auf dem Land tut sich was: Seit wenigen Monaten ist Musikhören am Postauto-Lenkrad erlaubt. Zuvor war dies eigentlich verboten. Mediensprecher Urs Bloch erklärte 2014 aber laut «Tages-Anzeiger», dass ausserhalb der Stosszeiten oder mit praktisch leerem Fahrzeug auch mal ein Auge zugedrückt werde, wenn beim Steuern Musik läuft.

Postautochauffeur Reto Döbeli, in Frick AG fotografiert, mag Schlager.
Foto: Linda Käsbohrer
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In den Bussen der Verkehrsbetriebe Zürichsee und Oberland sowie im Stadtbus Winterthur war es den Fahrerinnen und Fahrern schon immer gestattet, Radio zu hören. Bei Bernmobil ist Musik am Bussteuer erlaubt, im Tramführerstand nicht.

In Zürich können Fahrdienstmitarbeitende ein kleines Bluetooth-Böxli direkt von der VBZ erwerben.
Foto: Linda Käsbohrer
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Die Neuerung bei den VBZ stiess nicht bei allen auf Anklang. So beschwerte sich SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (62) auf X über den «Soundteppich», mit dem die Fahrgäste in den Zürcher Bussen belästigt würden. Laut der Politikerin fände dies niemand ausser dem Chauffeur gut.

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Da hat Badran wohl unrecht. Das zeigen die vielen Reaktionen der User, die für den Frust von Badran nur wenig Verständnis haben. Viele sind der Auffassung, dass die Musik wichtig ist, um den Beruf attraktiver zu machen.

Welchen Unterschied macht das Musikhören wirklich beim Tram- und Busfahren? Blick hat drei Fahrdienstmitarbeitende gefragt, was der Sound bei der Arbeit für sie bedeutet.

Janina Degen (32), Tramführerin BVB

«Wir haben schon lange gefordert, dass Musik im Tramführerstand erlaubt wird. Ich habe mich dafür eingesetzt, da ich auch beim Autofahren gerne Sound habe. Beim Tramfahren hat mir einfach etwas gefehlt. Gerade während der Corona-Pandemie war es noch ruhiger als sonst, dann hörte man oft nur das Brummen der Elektronik.

Tramführerin Janina Degen lebt in Lupfig AG mit ihrem Partner.
Foto: Stefan Bohrer

Ich bin jemand, der ganze Alben auf Spotify hört. Früh am Morgen schalte ich aber auch mal das Radio an, um mitzubekommen, was auf der Welt läuft. Für mich ist die neue Regelung eine grosse Veränderung. Die Musik beruhigt mich beim Fahren, und ich bin konzentrierter.

Bei der Arbeit spiele ich gerne Metal, Rock und Gothic-Musik ab. Zwei meiner Lieblingsbands sind Within Temptation und Epica, sie spielen Symphonic Metal. Black Metal höre ich auch gerne, aber nur zu Hause – mir ist bewusst, dass Fahrgäste im vorderen Teil mitbekommen, was bei mir im Führerstand läuft. Es kam auch schon vor, dass Leute vorne geklopft und mir ein Kompliment für meinen Musikgeschmack gemacht haben.

Ab der Station Kleinhüningen – wo wir über die Grenze nach Deutschland fahren – müssen wir die Musik abschalten. In Deutschland gelten andere Regeln. Für eine Tramfahrt in Basel empfehle ich den Song ‹Beyond the Matrix› von Epica, ein wundervolles Lied zum Nachdenken.»

Michel Schmid (46), Kombifahrer (Tram und Bus) VBZ

«Der Alltag als Tram- oder Busfahrer kann schnell eintönig werden. Mich persönlich hat immer gestört, dass ich beim Fahren nicht mitbekam, was auf der Welt passiert. Von den News erfuhr man erst, wenn man dann zu Hause ans Handy ging. Deswegen sind für mich beim Fahren die Kurznachrichten wichtig, die einmal in der Stunde im Radio kommen.

Kombifahrer Michel Schmid fährt Tram und Bus für die VBZ.
Foto: Linda Käsbohrer

Ich möchte nicht mehr ohne Musik Tram fahren. Natürlich schalte ich sie in hektischen Situationen ab. Wir haben klare Regelungen: Bei uns hört jeder mit einem kleinen Bluetooth-Böxli Musik oder Radio. Podcasts, lange Nachrichten und Hörbücher sind verboten. Da bin auch ich der Auffassung, dass mich das ablenken würde.

Ich höre immer Radio Vintage, dort gibt es viel Abwechslung. Und ausser den Kurznachrichten kein Gerede. Es läuft die Musik, die in meinen Jugendjahren populär war – 80s und 90s halt. Auch beim Sender Swisspop schalte ich ab und an ein. Denn ich mag auch Schweizer Künstler, zum Beispiel Bligg oder Stress. Privat höre ich dann andere Sender. Ich brauche Abwechslung. So trenne ich zwischen Job und Privatem.

Ich wusste von Anfang an, dass Musik mich beim Fahren entspannen wird. Egal ob im Tram oder im Bus. Man ist einfach belastbarer. Seitdem man im Führerstand Radio hören darf, bin ich bei der Arbeit zufriedener.»

Reto Döbeli (50), Postautofahrer Kanton Aargau

«Musikhören bei der Arbeit bedeutet Erholung für mich. Ich weiss nicht, warum es bis vor kurzem eigentlich noch verboten war. Die Musik lenkt mich nicht ab – im Gegenteil! Sie hilft mir, mich zu konzentrieren.

Chauffeur Reto Döbeli arbeitet schon 23 Jahre für Postauto.
Foto: Linda Käsbohrer

Ich verwende das im Fahrzeug eingebaute Radio. Das war ursprünglich mal für die Pausen gedacht. Dann durfte man natürlich schon immer Musik hören. Vorne im Bus läuft bei mir vor allem Schlager, das ist mein Sound. Aber auch so etwas wie Gölä oder Stubetegäng mag ich.

Jeder hat da einen anderen Geschmack. Ich kenne einen Chauffeur, der hat immer Hudigäggeler an. Das hört man dann im Hintergrund, wenn er funkt. Da muss ich immer schmunzeln.

Wenn ich einen Song für die nächste Fahrt im Postauto empfehlen müsste – egal ob als Fahrer oder Passagier –, wäre das ‹Mini Schwiiz, mini Heimat› von Beatrice Egli. Das Stück muss man mal während einer Fahrt bei uns gehört haben. Ich finde, es passt einfach: Postauto bedeutet für mich Schweizer Tradition.»

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