Stilexperte Jeroen van Roojen zum ZKB-Look
«Für einen Anzug sind heute die meisten Männer zu schwach»

T-Shirt statt Hemd: Als eine der letzten Banken in der Schweiz lockert die ZKB den Dresscode für ihre Mitarbeiter. Das sagt Stil-Experte Jeroen van Roojen (54) zum neuen Look.
Publiziert: 14.08.2024 um 19:02 Uhr
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Katja RichardRedaktorin Gesellschaft

Er ist der profilierteste Stil- und Modeexperte der Schweiz: Jeroen van Roojien (54) berät Unternehmen und Private für den zeitgemässen Auftritt in verschiedenen Kontexten. So schätzt er die Uniform der ZKB-Mitarbeitenden ein.

Was halten Sie von der Lockerung der Kleidervorschriften?
Die Kantonalbank war eine der letzten Banken, die tapfer am dunkelblauen Anzug festgehalten hat. Die meisten Banken haben in den letzten Jahren ihren Dresscode gelockert. Viele hatten davor veraltete Konzepte, die nicht mehr zum Zeitgeist passen. Bei der UBS gab es vor 15 Jahren noch einen 44-seitigen Leitfaden für die Kleiderordnung. Sogar die Farbe der Unterwäsche war vorgeschrieben. Das hat damals für Spott und Empörung gesorgt. 

Wie sollte denn der BH aussehen?
Hautfarben. Und keinesfalls durch die Kleidung sichtbar. Solch rigide und ultrakomplexe Vorschriften sind nicht mehr zeitgemäss. Auch wenn es um Tattoos oder Make-up und Fingernägel geht, das macht sich ja in allen Branchen bemerkbar, auch bei den Airlines. Wobei in den oberen Etagen der Banken ein gewisser Dresscode nach wie vor gepflegt wird. 

Kurze Sackos und enge Hosen sind schon wieder out: Eine Aufnahme von Stil-Experte Jeroen van Roojien von 2016.
Foto: Philippe Rossier
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Wie fällt die Stilkritik zum neuen ZKB-Look aus?
Die Silhouette ist nicht falsch. Aber die enge Chinohose mit tiefer Taille, kombiniert mit dem kurzen Konfirmanden-Jäckli, das ist schon fast wieder veraltet. Zudem sind sie zu lang, so enge Hosen dürfen unten keine Handorgeln falten. Und das Namensschild am Revers des Jackets ist nicht harmonisch, es gehört auf die Brusttasche. 

Es wurde Kritik laut, dass die Mitarbeitenden wie Tennisspieler aussehen?
Das hat wohl mit den Turnschuhen zu tun. Die weissen Sneakers haben sich ja längst durchgesetzt. Aber jeder weiss, dass die höchstens zwei Tage lang so sauber leuchten. Und ich bin neugierig, was für Socken dazu getragen werden. Diese Garderobe braucht also Pflege und der Look ist spätestens in fünf Jahren überholt. 

Was wäre zeitgemässer?
Die Mode geht eher in Richtung Oversize und Unisex, Frauen und Männer laufen in der gleichen Kleidung rum und das passt auch. Mich erstaunt es eh, dass Männer bereit sind, so enge Hosen zu tragen, man sieht doch förmlich, dass es zwickt. Engen Hosen bei Männern irritieren mich, vor 20 Jahren hätte das kein Mann getragen. In einer Bundfaltenhose hat man doch viel mehr Freiheit.

Was ist mit der Krawatte, stirbt die ganz aus?
Erstaunlicherweise sind es die ganz jungen Männer, die sich wieder dafür interessieren. Aber auf eine verspielte und neugierige Weise, so wie der Musiker Crimer. Aber Männer über 40, die noch den Krawattenzwang kennen, die werden das nicht mehr tragen. Nicht mal zur Hochzeit, lieber ein Pochettli. 

Es ist derzeit enorm heiss, aber an gewissen Anlässen, wie dem Locarno Film Festival treten unsere Bundesräte in Anzug und Krawatte auf. Muss das sein?
Einen klassischen Anzug zu tragen, benötigt eine gewisse Leidensbereitschaft, daran erkennt man den Profi. Heute tragen nur noch Politiker, Richter und Bestatter Schale. Normale Männer sind heute zu schwach, um das auszuhalten. Allerdings hat der Anzug in den letzten 20 Jahren eine enorme Entwicklung durchlaufen. Das ist keine steife Schale mehr. Ein Sommer-Anzug braucht kein Futter und es kommen Leinen, Baumwolle und Hightechmaterialien zum Einsatz, die den Körper atmen lassen und in dem man sich bewegen kann. Das ist fast so bequem wie eine Jogginghose, aber eleganter.

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