Berner Platte – die SonntagsBlick-Kolumne
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Aline Trede über die Energiewende, die auch ohne neue AKW möglich wäre.
Publiziert: 08.09.2024 um 10:25 Uhr
Aline Trede*

Bundesrat Rösti kündigt in vorauseilendem Gehorsam einen Gegenvorschlag zur Initiative «Jederzeit Strom für alle» an, und die Medienlandschaft ist voll der Rückkehr des Atomstroms. Ohne einmal einen Blick auf das Gesamte zu werfen. Bundesrat Röstis Kampagnenmaschinerie funktioniert, die Medien rennen jedem Piep von ihm wie auch der SVP hinterher. Hinter der aktuellen Debatte steckt der Wille, das Verbandsbeschwerderecht, die Umweltverbände, die Energiewende und jegliche ökologischen Themen zu bodigen – um dann in grossen Mengen neue Subventionen für fossile Energien zu scheffeln.

2017 hat die Schweizer Bevölkerung den Atomausstieg beschlossen, das Verbot neuer Atomkraftwerke gutgeheissen. Die bürgerliche Mehrheit hat sich seither geweigert, einen klaren Ausstiegsplan zu skizzieren, Abschaltdaten für AKW existieren nicht, das ältestes Atomkraftwerk der Welt steht in unserem Land. Wir müssen den Weg der erneuerbaren Energien konsequent gehen. Die Bevölkerung hat ihn einmal mehr letzten Juni mit dem Ja zum Stromgesetz bestätigt. Der Zubau der Erneuerbaren läuft. Die Transformation des Energiesystems ist gross, da können wir uns das Ablenkungsmanöver des Bundesrats nicht leisten.

Und die Gegenargumente sind zahlreich: Die Atomkraft ist eine sehr teure Angelegenheit. Die Versprechungen, es gebe jetzt dann kleinere und sichere AKW, die hören wir seit 30 Jahren. Fakt ist aber, dass das neue finnische AKW rund viermal teurer war als geplant und über 11 Milliarden kostete. AKW sind nicht rentabel. Darum wurde auch das AKW Mühleberg vom Netz genommen und befindet sich im Rückbau. Atomstrom wurde jahrelang quersubventioniert, eine Versicherung übernimmt niemand. Es gibt keine 100 Prozent sichere AKW heutzutage. Das der Bevölkerung vorzugaukeln, ist nicht redlich. Die Endlagerfrage ist ungelöst. Der atomare Abfall landet noch immer in einem Zwischenlager.

Aline Trede, Nationalrätin und Fraktionschefin der Grünen.
Foto: keystone-sda.ch

Die Energiewende ist möglich und realistisch, auch wenn die bürgerliche Mehrheit in den letzten Jahren vieles verschlafen hat. Mit einem Solarpotenzial von 60 TWh schon nur auf Dächern und Fassaden, mit der Speicherleistung unserer Wasserkraft und Zubau von Wind und Biomasse und einer guten Einbettung ins Europäische Stromsystem gelingt sie uns. Gehen wir den eingeschlagenen Weg, statt aufs AKW-Bänkli zu sitzen und zu warten, bis uns die Vergangenheit einholt.

*Aline Trede ist Fraktionschefin der Grünen im Nationalrat und Umweltwissenschaftlerin. Sie schreibt jeden zweiten Sonntag für uns – im Turnus mit SVP-Nationalrat Alfred Heer.

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