Der Sohn der krebskranken Edith Mettler wird in der Schule gemobbt
«Ich kämpfe für Nils - bis zum bitteren Ende»

Nils (10) wird schon länger von einem gleichaltrigen Mitschüler geplagt. Weil er schüchtern ist, wehrt er sich nicht. Seine Mutter tut es für ihn. Doch ihre Hilfeschreie in der Schule und bei der Stadt Grenchen SO bleiben bis heute ohne Erfolg. Jetzt greift Edith Mettler (47) zum letzten Mittel. Sie outet sich im BLICK als Krebskranke. Um zu zeigen, wie ernst es ihr ist. Und wie ernst dieser Fall ist. Denn: Sie hat nichts mehr zu verlieren.
Publiziert: 09.09.2016 um 08:49 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 17:07 Uhr
Trösten sich gegenseitig: Edith Mettler und ihr Sohn Nils.
Foto: Peter Gerber
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Ralph Donghi (Text) und Peter Gerber (Fotos)

Edith Mettler (47) aus Grenchen SO kämpft mit den Tränen. «Ich habe Brustkrebs und weiss nicht, ob ich überlebe», sagt sie ganz offen. Hinzu kommt: Ihr Sohn Nils (10) wird an der Schule massiv gemobbt. «Und niemand schreitet ein!», sagt Mettler. Sie wisse nicht mehr weiter. «Ich weiss nur, dass ich nichts mehr zu verlieren habe. Darum zeige ich jetzt mein Gesicht und käm­pfe öffentlich für Nils. Notfalls bis zum bitteren Ende.»

Das hat sie ihm am 12. Mai 2016 versprochen. Als Nils sie am Spitalbett besuchte und von den erneuten Plagereien in der Schule erzählte. «Das war drei Tage nach der Schockdiagnose und einen Tag nach meiner ersten Operation, bei der mir ein Teil der rechten Brust entfernt wurde», sagt Edith Mettler. «Vielleicht musste es sein, dass ich krank werde. Damit ich zeigen kann, wie ernst dieser Fall ist.»

Die Quälereien im Schulhaus Halden begannen, so berichtet sie, schon in der ersten Klasse. Täter sei immer der gleiche Mitschüler. Nils sagt: «Ich wurde von ihm an die Wand gedrückt, geschubst, herumgeschleudert oder zu Boden gerissen.» Der Bub behandelt auch andere Kinder so. Mittlerweile sind alle in der vierten Klasse. Die anderen Kinder hatten offenbar den Mut, sich zu wehren. Die Klassenlehrerin reagierte, indem sie diesen Schüler einfach etwas weiter weg setzte.

Intervention bei der Klassenlehrerin brachte nichts

Danach sei es wieder eine gewisse Zeit gut gegangen. Aber der Bub plagt Nils immer wieder. «Sein Gewaltpotenzial wurde immer schlimmer», sagt Edith Mettler. Eine Intervention bei der Klassenlehrerin bringt nichts. Mettler kontaktiert die Schulleiterin, sogar die Stadt. Ein runder Tisch wird einberufen mit den Eltern des Störenfrieds. «Sein Vater machte mit seiner Aggressivität alle mundtot», sagt Edith Mettler, «mich zeigte er später sogar an.» Die Schule, die anderen Eltern – alle hätten Angst vor diesem Mann.

Edith Mettler begleitet Nils in den Unterricht, um ihn zu beschützen. Die Schule droht ihr darauf mit Hausverbot. Dann zeigt Nils der Mutter eine Zeichnung, die sein Peiniger ihm gegeben hat: Er als Monster Jigsaw dargestellt, Nils als kleines Männchen.

«Da hatte ich endgültig genug.» Sie und ihr Mann Mark (43) nehmen einen Anwalt: alt Nationalrat und Grenchens Ex-Stadtpräsident Boris Banga (66). «Es geht hier klar um Tätlichkeit, Drohung und Nötigung» , sagt Banga. Er erstattet Anzeige, reicht eine Aufsichtsbeschwerde gegen die Schulleiterin ein: «Weil alle wegschauen und der Täter wegen seiner Auffälligkeiten nicht einmal von einer Fachstelle abgeklärt wurde.»

Anzeige erstattet – ohne Erfolg

«Die Jugendanwaltschaft hat nicht einmal ein Verfahren eröffnet», sagt Banga. Auf Nachfrage von BLICK sagt die leitende Jugendanwältin Barbara Altermatt nichts zu den Gründen.

«Man sah bei Nils halt keine äusseren Verletzungen», meint Edith Mettler. Dabei wird er sogar krankgeschrieben, weil er solche Angst hat, in die Schule zu gehen.

Ein weiterer Versuch nach den Sommerferien scheiterte. Jetzt lernt Nils zu Hause, die Schule schickt ihm die Hausaufgaben per Post über Anwalt Banga.

Die Stadt schlägt vor, Nils an eine andere Schule zu versetzen. Der Gipfel, findet Edith Mettler: «Er als Opfer soll gehen? Der Täter, ein Ausländer, darf bleiben?» Anwalt Banga: «Als SPler bin ich der Letzte, der etwas gegen Ausländer hat. Aber so etwas geht nicht.»

Situa­tion besonders belastend

Nils meldet sich leise zu Wort: «Ich möchte doch nur, dass er versetzt wird und ich wieder zur Schule kann.» Für seine Mutter, eine selbständige Ladenbesitzerin, ist die Situa­tion besonders belastend. Sie hat über ein halbes Dutzend Chemotherapien hinter sich und muss eine Perücke tragen. Doch sie will ein Zeichen setzen, auch für andere: «Ich bin sicher, es gibt noch mehr solche Fälle.»

Konkrete Fragen von BLICK wollen weder die Schulleiterin noch der Gesamtschulleiter, noch die Stadt beantworten. Nur so viel: «Wir sind überzeugt, im vorliegenden Fall situativ angemessen gehandelt zu haben und dem Fall und den damit verbundenen Emotionen genügend Rechnung zu tragen.»

Der Vater des angeschuldigten Buben verweigert das Gespräch. Auf die Anfrage von BLICK reagiert er aggressiv. Anwalt Banga überlegt sich jetzt, die Kesb zu informieren. «Mit einer Gefährdungsmeldung zum Täter. Die Kesb müsste dann handeln – wenn es schon Schule und Stadt nicht tun.»

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