Edtorial über Gesundheitsminister Berset
Bleiben wird die Federboa

Die Geschichte ist gnadenlos. Der abtretende Bundesrat und talentierte Politiker Alain Berset wird wohl mit Partybildern und explodierenden Prämien in Erinnerung bleiben.
Publiziert: 01.10.2023 um 17:57 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2023 um 23:20 Uhr
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Reza RafiChefredaktor SonntagsBlick

Es gibt zwei Alain Bersets. Der eine ist der Party-Minister, der mit Borsalino, roter Federboa, Bierdose und Zigarre an der Street Parade feiert, der auf dem Monte Verità Risotto schöpft oder wie am Donnerstag mit launigen Worten das Zurich Film Festival eröffnet.

Der andere Alain Berset ist der Bundesrat mit den Sorgenfalten. Er war einmal Hoffnungsträger seiner Partei und gilt als geschickter Taktiker. In der Regierung jedoch hatte er die Aufgabe gefasst, dem Volk die bittere Pille einer völlig blockierten Gesundheitspolitik zu verabreichen.

Diesen Alain Berset bekam die Öffentlichkeit am Dienstag zu sehen: Bei seiner Rede wirkte er ernst und holte lange aus, um schliesslich auf das unangenehme Thema des Anlasses zu kommen; hinter ihm waren Grafiken und Statistiken zu sehen, die das Drama relativieren sollten. Denn der SP-Magistrat musste auf der Schlussgeraden seiner Amtszeit einen Anstieg der Krankenkassenbeiträge um 8,7 Prozent verkünden – Prämienschock! Prämienhammer! Prämienschub! Das sind nicht die Schlagzeilen, mit denen ein abtretender Politiker in Erinnerung bleiben will.

Alain Berset am 12. August an der Street Parade.
Foto: keystone-sda.ch
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Erst recht nicht der Freiburger, der es in seiner Karriere wie kaum ein Zweiter verstand, all den Skandalen und Skandälchen zum Trotz «bella figura» zu machen. Die Erpressungsaffäre, die Corona-Leaks, der missglückte Hobbyflug über Frankreich, sein Kampf gegen eine 5G-Antenne – alles perlte an ihm ab. Neben seinen praktisch gekleideten Kollegen wirkte Berset stets wie ein Staatsmann von europäischem Rang.

Und nun das! Als Berset 2012 das Innendepartement übernahm, lag die durchschnittliche Monatsprämie bei 250 Franken. Nächstes Jahr werden es gut 360 Franken sein, was einer Steigerung um 44 Prozent entspricht.

Dabei waren die Prämienrunden unter ihm nicht einmal schlimmer als unter seinen Vorgängern – und nicht zu vergessen: Auch die Lebenserwartung ist in den zwölf Jahren gestiegen.

Doch die Geschichte ist gnadenlos. Von Alain Berset werden explodierende Gesundheitskosten in Erinnerung bleiben. Und das Bild eines Zigarre paffenden Mannes mit Borsalino und einer roten Federboa auf dem Love Mobile.

Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen Reza Rafi

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