«Ich war ein Idiot»
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Drei Jahrzehnte im Gefängnis:«Ich war ein Idiot»

Hugo Portmann (60) sass 35 Jahre seines Lebens hinter Gittern
«Gefangenschaft stinkt wie Müll»

Hugo Portmann (60) gehörte zu den berühmtesten Verbrechern der Schweiz. 35 Jahre seines Lebens sass er hinter Gittern. Vor einem Jahr kam er frei. Wie geht es ihm?
Publiziert: 09.10.2019 um 12:23 Uhr
Ausbrecherkönig Hugo Portmann sass insgesamt 35 Jahre hinter Gittern.
Foto: Keystone
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Adrian Meyer

BLICK: Herr Portmann, wie riecht die Gefangenschaft?
Es stinkt wie Müll. Man kann sich nicht an den Geruch gewöhnen.

Was ist das schlimmste am Gefängnis?
Es ist so eintönig, so asozial, ein Leerlauf. Man ist zu 80 Prozent fremdgesteuert. Es zerstört Menschen, die keine Disziplin haben und nicht wissen, wie sie überleben sollen.

Ihr einstiger Partner, Walter Stürm, hat sich in Haft umgebracht. Was hat Sie am Leben gehalten?
Ich war in der Fremdenlegion, dort habe ich gelernt, wie man körperlich und psychisch überlebt. Das half, damit ich ohne Haftschaden rauskam und mich in der Zivilisation wieder zurechtfinden konnte. Ich hatte einen disziplinierten Tagesablauf, stand um 5 Uhr auf, trieb Sport, las viel, liess mich nicht vom Fernsehen verblöden.

Sie waren 35 Jahre im Gefängnis. Länger sass niemand in  der Schweiz, ohne jemanden getötet zu haben.
Ich will mein Handeln nicht bagatellisieren. Aber man wollte ein Exempel an mir statuieren und zeigen, wer der Herr ist im Haus. Jeder andere hätte in meiner Situation Selbstmord begangen. Ich habe nie aufgehört, für meine Freiheit zu kämpfen. Ich wollte nie kapitulieren, sondern rauskommen. Ich habe mir sogar noch im Gefängnis eine Uhr mit GPS gekauft!

Haben Sie je an Suizid gedacht?
Nein. Warum? Ich wusste immer, ich komme irgendwann frei.

Man wollte Sie nach 35 Jahren als Gewohnheitsverbrecher verwahren. Ohne freiwillige Psychotherapie wären Sie nicht mehr freigekommen. Doch einer Therapie haben Sie sich stets verweigert. Warum?
Ich wurde zu Recht bestraft, dagegen habe ich mich nie gewehrt. Nur dagegen, dass man gesunden Menschen wie mir eine Pseudotherapie verschreiben will. Dabei wäre es besser, man würde für die Reintegration der Insassen sorgen. Ich bin ja das beste Beispiel dafür. Ich habe am Schluss gegen das System gewonnen. Meine Freiheit habe ich mit geradem Rücken erkämpft. Das macht mich überglücklich.

2018 kam es zum Prozess, den Sie dank eines neuen psychiatrischen Gutachtens gewannen. Sie kamen frei. Haben Sie je daran gezweifelt?
Nein. Ich war zwar oft müde. Aber dann stand ich wieder auf. Wer sein Ziel hartnäckig verfolgt, wird am Ende gewinnen.Aber man darf sich nicht darin verbeissen. Ich hatte schon einen Plan B. Ich wollte niemals im Gefängnis sterben.

Was bedeutet Ihnen Freiheit?
Alles. Sie ist wie Luft zum Atmen. Als normaler Mensch kann man sich nicht an die Unfreiheit gewöhnen. Ich war schuldig und wusste, ich muss mit den Konsequenzen leben. Verbittert war ich nie. Ich habe immer versucht, Mensch zu bleiben.

Sie hatten viel Zeit.
Es war verlorene Zeit.

Und Sie hatten wenig Besuch.
Den wollte ich gar nicht. Wer wartet auf jemanden, bei dem man nicht weiss, wann er wieder rauskommt?

Kein Tag im Gefängnis ist ein guter Tag, sagten Sie einmal.
Es gibt keinen schönen Tag im Gefängnis. Der schönste Tag ist der, an dem du entlassen wirst.

Wie haben Sie den gefeiert?
Mein Rechtsanwalt hat mich zu einem Freiheitsessen eingeladen.

Mit welchem Gefühl wachen Sie heute auf?
Es ist bombastisch. Ich bin privilegiert, ein freier Mensch mit Arbeit und Einkommen. Die Menschen wissen gar nicht, wie gut sie es in der Schweiz haben. Ich hatte noch keinen schlechten Tag in Freiheit.

Sie arbeiten seit Ihrer Freilassung als Müllmann bei der Stadt Zürich. Wie kam es dazu?
Die dachten ja alle, ich sei draussen nicht überlebensfähig und würde keine Arbeit finden. Ich wollte das Gegenteil beweisen und habe schon beim Prozess gegen meine Verwahrung Werbung gemacht. Dafür, dass ich arbeiten will. Ich hoffte, dass dies die Medien aufnehmen. Und so war es. BLICK hat mir da sehr geholfen. Am Schluss hatte ich vier Jobangebote. Eines war von der Stadt Zürich.

Als Sie ins Gefängnis kamen, gab es keine Bancomaten. Welche Veränderungen sind Ihnen draussen aufgefallen?
Der Anstand ist vielen abhanden gekommen. Die Menschen sind gehetzter, egoistischer. Es wird nicht mehr viel Rücksicht genommen. Jeder will zuerst drankommen. Diesem Egoistenklub will ich nicht beitreten.

Was bedeuten Ihnen heute materielle Dinge?
Nichts. Ich schlafe auch jetzt noch auf dem Boden. Die Schlafmatte rolle ich morgens ein, so habe ich mehr Platz in meiner Einzimmerwohnung.

Sie wurden einst kriminell, um sich ein Wohnmobil zu kaufen. Ist das immer noch Ihr grosser Traum?
Ja. Ich spare für einen Wohnwagen oder Zirkuswagen. Meine Rente wird kaum für eine Wohnung reichen. Ich will einen Stellplatz irgendwo in der Schweiz mieten, das ist billiger. Und dann viel in der Natur sein, Fahrrad fahren und Sport treiben.

Was in Ihrem Leben bereuen Sie?
Ich hätte mein Leben natürlich anders gestaltet. Ich gab viel zu früh auf, einen Job zu suchen. Und wurde kriminell. Ich kann die verlorene Zeit nicht mehr aufholen. Aber es ist jetzt so, wie es ist. Ich schaue nicht zurück, sondern nach vorne.

Haben Sie Ihren Frieden gefunden?
Den hatte ich schon immer. Ich habe viel und lange über mich nachgedacht. Ich wusste, immer wieder abhauen, das ist russisches Roulette. Aber ohne Perspektive, was sollte ich tun? Drinnen verrecken? Das konnte ich nicht akzeptieren.

Der berüchtigtste Bankräuber der Schweiz

Hugo Portmann (60) begann seine kriminelle Karriere, als er als 24-jähriger Hilfsarbeiter mit einem Gabelstapler einen Tresor seines Arbeitgebers klaute. Er floh nach Frankreich, wurde Fremdenlegionär mit Kriegseinsatz im Tschad. 1983 überfiel er zwei Banken und kassierte 12 Jahre Zuchthaus. Drei Mal brach er danach aus dem Gefängnis aus: 1988 auf Hafturlaub (wobei er eine Bank überfiel), 1992 rannte er nach einem Gebirgslauf einfach weiter, 1999 türmte er beim Schneeschaufeln einen Haufen auf und sprang über die Mauer. Mit Ausbrecherkönig Walter Stürm (†57) beging er danach seinen letzten Banküberfall mit Geiselnahme. Der Plan misslang. Seither sass er in der Strafanstalt Pöschwies – bis zum 16. Juli 2018.

Ausbrecherkönig Hugo Portmann
SonntagsBlick

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