Neues Milch-Label «fair» wirft Fragen auf
Ist «fair» wirklich fair?

Richtpreise für Milch werden kaum an Bauern ausgezahlt. Die ächzen unter den Mini-Margen. Nun verspricht ein weiteres Label einen fairen Milchpreis. Dieses wird kritisiert – auch von Milchbauern.
Publiziert: 08.02.2018 um 12:32 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 18:55 Uhr
Vinzenz Greiner

Seit 2008 sinken in der Schweiz die Preise für Milchprodukte. Das gab das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) vergangene Woche bekannt. Mussten Herr und Frau Schweizer für ein Kilo Naturjoghurt 2008 noch 2.91 Franken berappen, war es im vergangenen Jahr mit 2.23 Franken gut ein Fünftel weniger. Der Preis für einen Liter Konsummilch, also für den menschlichen Verzehr aufbereitete Milch, sank um acht Prozent auf 1.38 Franken.

Des einen Freud, des anderen Leid. «Die Rückgänge der Konsumentenpreise über die letzten zehn Jahre liegen teilweise im sinkenden Rohstoffpreis (Rohmilch) begründet», schreibt das BLW. Stefan Kohler, Geschäftsführer von der Branchenorganisation Milch (BOM), deutscht aus: «Der Kunde zahlt weniger, der Bauer bekommt weniger.»

Priska Wismer-Felder (l.) und die anderen Initianten des neuen Milch-Labels «fair».
Foto: Initiative Fair, SMP

Der Richtpreis wird selten gezahlt

Kohlers Organisation, in der sich die gesamte Milchwirtschaftskette vom Bauern über den Verarbeiter bis zum Händler zusammengeschlossen hat, legt quartalsmässig Richtpreise für die sogenannte A-Milch fest. Die landet dann etwa als Voll- und Trinkmilch im Kühlregal. Allein, der Richtpreis, der derzeit bei 68 Rappen pro Kilo liegt, wird selten von den Verarbeitern an die Milchbauern gezahlt. Denn sie können laut Gesetz nicht dazu gezwungen werden. Entsprechend liegen die Preise, die die Milchbauern bekommen, im Schnitt deutlich darunter (siehe Grafik).

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Viele können ihre Produktionskosten nicht decken. Obwohl der Staat mit 58 bis 79 Rappen pro Kilogramm Milch unter die Arme greift, rechnet sich die Milchproduktion immer weniger. Gab es 2008 schweizweit noch rund 28'000 Milchbetriebe, waren es zuletzt nicht mal mehr 21'000.

Manche nehmen aber nicht Abschied vom Beruf des Milchbauern, sondern ihr Schicksal selbst in die Hand. Vergangenen Dezember schlossen sich Bauern im Zürcher Säuliamt zusammen und brachten «di fair Milch» in Volg- und Dorfläden.

Viele Bauern von «fair» ausgeschlossen

Nun wollen neun Bauern mit Unterstützung des Verbands Schweizer Milchproduzenten (SMP) das schweizweite Label «fair» einführen. Aber was bedeutet Fairness beim Milchpreis überhaupt? Es gehe darum, dass Bauern von der Milchproduktion leben könnten und auch Tiere gut behandelt würden, erklärt Priska Wismer-Felder (47), Bäuerin im Luzernischen und Sprecherin der Initiative.

Konkret müssen etwa alle Milchkühe in Ställen mit natürlichem Tageslicht gehalten werden – besonders tierfreundliches Stallhaltungssystem (BTS) nennt man das. Darüber hinaus müssen sie, gemäss dem Standard «RAUS», regelmässig nach draussen dürfen. Schweizweit werden allerdings nur 44 Prozent aller Milchkühe gemäss beiden Standards gehalten. Die bäuerliche Basisorganisation Big-M, die für höhere Milchpreise kämpft, kritisiert, dass dadurch sehr viele Bauern vom neuen Label ausgeschlossen würden, das ja die ganze Schweiz abdecken wolle.

«Für dieses Geld geht nicht jeder arbeiten»

«Das haben wir diskutiert», sagt Wismer-Felder zu BLICK. Man habe sich aber dann für diese Art entschieden, das Tierwohl nachzuweisen, weil man keine zusätzlichen Kontrollen dafür benötige. Fragen werfen auch die 75 Rappen auf, die die Bauern pro Kilogramm Milch bekommen wollen. Als letzten Sommer das «Fairmilk»-Label von Aldi lanciert wurde, kritisierte Big-M: «Damit man von einem fairen Preis sprechen kann, müsste der Bauer mindestens 80 Rappen verdienen.»

Ist das neue faire Label also gar nicht so fair? Die 75 Rappen seien so berechnet, dass man als Bauer – zuzüglich Direktzahlungen – auf 28 Franken Stundenlohn komme, sagt Wismer-Felder. «Und für dieses Geld geht auch nicht jeder arbeiten.»

«Das Attribut fair reicht nicht»

Kritik kommt auch von der Branchenorganisation Milch. «Es ist ja eine gute Idee, dass Milchbauern ihr Einkommen verbessern. Das Attribut fair reicht aber nicht», so Geschäftsführer Stefan Kohler gegenüber BLICK. Man brauche Mehrwert, wie etwa mit lokalen Partnerschaften im Säuliamt.

«Fair»-Sprecherin Wismer-Felder erwidert dazu, der Schwerpunkt des neuen Labels sei nicht der Produktinhalt. «Bei uns geht es um den Produzenten, das ist der Unterschied zu den anderen Labels.»

Ob dieser Fokus in Zukunft reicht? Wismer-Felder verlässt sich jedenfalls nicht allein auf die Milchproduktion. Auf ihrem Hof in Rickenbach LU züchtet sie Schweine, betreibt Ackerbau und produziert Strom.

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