10 Gründe, um optimistisch zu sein
Wieso die Erde ein immer besserer Ort wird

Tagtäglich erreichen uns neue schlechte Nachrichten. Die Welt wirkt zurzeit wie ein düsterer Ort. Doch auf lange Sicht gesehen ist es hier so schön wie noch nie zuvor.
Publiziert: 13.11.2021 um 19:15 Uhr
Die Welt kann düster wirken, täglich erreichen uns neue schlechte Nachrichten. Doch auf lange Sicht gesehen ist es hier so schön wie noch nie zuvor.
Foto: imago images/photothek
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Daniel Arnet, Janina Bauer, Jonas Dreyfus, Lea Ernst, Silvia Tschui und Rebecca Wyss

Die Welt wird immer schlechter. Diesen Satz hören wir ständig, seit Jahren schon, noch mehr aber, seit die Corona-Seuche wütet. Streit über Massnahmen, Corona-Tote in Altersheimen, steigende Fallzahlen – die schlechten Nachrichten nehmen kein Ende. Und jetzt kommt auch noch der Winter. Bäh! Die Stimmung? Im Keller. Bevor nun auch noch ein Wirrkopf die apokalyptischen Reiter am Zürcher Hauptbahnhof willkommen heisst, rufen wir lieber dazwischen: Stopp! Der finstere Eindruck täuscht, ist eine Momentaufnahme. Und tut uns nicht gut. Deshalb wollen wir dem hier etwas entgegensetzen und zeigen: Einige der grossen Probleme der Menschheit – und der Schweiz – sind kleiner geworden. Die Welt wird besser! Aber schauen Sie selber.

Früher war alles gewalttätiger
Terrorangriffe, Morde, blutige Aufstände oder Kriege – solche Nachrichten fluten täglich unsere News-Feeds. Und gaukeln uns eine Zunahme der Gewalt vor. Doch das ist falsch. Gewaltverbrechen haben seit je abgenommen. Das hat der Harvard-Professor Steven Pinker im Buch «Gewalt» gezeigt. Im Mittelalter kamen in Europa pro Jahr 30 Morde auf 100'000 Menschen. Heute sind es in den meisten westeuropäischen Ländern dreissig Mal weniger – der Weltdurchschnitt liegt bei etwa sieben auf 100'000. Wie gefährlich der Alltag in den alten Zeiten war, zeigt das Beispiel eines einfachen Mannes im 15. Jahrhundert. Auf Reisen lauerten ihm mordlustige Wegelagerer auf. Gut möglich war auch, dass die gleichen Leute ihn und seine Familie beim Abendessen überfielen und alle töteten. Wollte er selber jemanden loswerden, bezichtigte er ihn einfach der Hexerei – oder der Blasphemie. Und hätte er in Afrika gelebt, wäre er vielleicht versklavt worden. Aber auch so konnte er jederzeit durch Folter sterben – oder im Krieg. Das alles änderte sich, als sich ein Staatensystem etablierte (mit den beiden jüngeren Weltkriegen als grossen Ausreissern). Starke Regierungen, Justizsysteme und Polizei mit Gewaltmonopol verdrängten Rechtlosigkeit und Selbstjustiz.

Ade Malaria?
Als Schweizer wird man höchstens mal als Tourist mit Malaria konfrontiert. Doch in den tropischen und subtropischen Gebieten der Erde gehört die von einem Parasiten ausgelöste Krankheit zum Alltag. Mehr als 266'000 Kinder unter fünf Jahren sterben jährlich daran. Sie machen rund zwei Drittel der jährlich 400'000 Todesopfer aus. Kein Wunder also, sprach die Weltgesundheitsorganisation (WHO) von einem historischen Moment, als sie Anfang Oktober erstmals in der Geschichte eine Malaria-Impfung empfehlen konnte. Der Impfstoff RTS,S respektive Mosquirix soll Kindern in den betroffenen Gebieten – 90 Prozent der Malaria-Todesfälle betreffen Afrika – zusammen mit den üblichen Säuglingsimpfungen verabreicht werden. Die Schwierigkeit, sagte der Epidemiologe Marcel Tanner in einem Interview mit der «NZZ», habe darin bestanden, nachzuweisen, dass es nicht zu Interaktionen zwischen den verschiedenen Impfstoffen komme. Bei Pilotprogrammen stellte die WHO fest, dass der Impfstoff, der das Immunsystem unter anderem auf den Umgang mit einem Protein des Erregers trainiert, die schweren Fälle um 30 Prozent senken konnte. Diese auf den ersten Blick bescheidene Wirkung kann jährlich rund 80'000 Kindern das Leben retten.

Sichere Strassen
Vergangenes Jahr starben 15 Personen bei Unfällen mit E-Bikes, 521 erlitten schwere Verletzungen. Ein Jahr davor waren es noch elf Tote und 355 Schwerverletzte. Diese Zahlen stammen aus der Jahresstatistik der Strassenverkehrsunfälle und sorgen nicht nur bei E-Bikern für ein ungutes Gefühl. Doch insgesamt haben die Dramen auf der Strasse abgenommen, wenn man einen Blick auf die vergangenen 40 Jahre wirft. Denn obwohl sich die Anzahl Autos, die auf unseren Strassen fahren, seit den 1980er-Jahren verdoppelte, nahm die Zahl der Verkehrstoten in der Schweiz gemäss ​​Bundesamt für Statistik in dieser Zeit um das Fünffache ab. Dafür verantwortlich ist unter anderem ein höheres Sicherheitsbewusstsein – die Zeiten, als man sich nur anschnallte, wenn ein Polizist in Sichtweite war, sind vorbei. Unfall-Hotspots werden heute genau untersucht, zudem gibt es viel mehr Strassen. Jedes Auto hat also mehr Platz als früher. Gleichzeitig stieg die Sicherheit der Fahrzeuge. Rückblickend ist es fast nicht vorstellbar, dass das erste deutsche Auto mit einem Airbag erst im Jahr 1981 auf den Markt kam.

Ärzte und Medizin halten uns gesund
1921 lag die Lebenserwartung eines Mädchens in der Schweiz bei knapp über 50 Jahren. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wäre es im Laufe seines Lebens an Tuberkulose oder an einer Lungenentzündung erkrankt – die häufigsten Todesursachen dieser Zeit. Vielleicht hätte es auch die Pockenepidemie erwischt, die sich zu der Zeit in der Schweiz ausbreitete. Oder es wäre als junge Frau bei der Geburt ihres Kindes verblutet. Heute, nur 100 Jahre später, stellt zumindest in den westlichen Zivilisationen keine dieser Krankheiten eine Gefahr mehr dar. Mit der Entdeckung des Penizillins 1928, dem Grundstein der modernen Antibiotika, konnte die Lebensgefahr durch Infektionskrankheiten minimiert werden. Während noch im Jahr 1967 jährlich zwei Millionen Menschen weltweit an den Pocken starben, gilt die Krankheit seit 1980 als ausgerottet – dank eines Impfwirkstoffs. Antibiotika und die Möglichkeit der Bluttransfusion, die mit der Entdeckung der AB0-Blutgruppen um 1900 einherging, senkten die Müttersterblichkeit. Und es gibt noch mehr: das Röntgen, die Kardiografie, die Chemotherapie, Impfstoffe gegen alle Arten von Viren – alles medizinische Fortschritte aus dem 20. Jahrhundert, die massgeblich sind für die Prävention und Therapie der heutzutage lebensbedrohlichen Krankheiten wie Krebs oder Herzinfarkt. Dank ihnen hat eine junge Schweizerin heute eine Lebenserwartung von 85 Jahren.

Alt, aber glücklich
«Da steh ich, ein entlaubter Stamm!», klagte bereits der Dichter Friedrich Schiller über das Altern. Schriftsteller Oscar Wilde fragte sich gar, was denn nun verabscheuenswerter sei: die Zeichen der Sünde oder die des Alters. Noch immer löst der Gedanke an den letzten Lebensabschnitt bei vielen Menschen Angst aus. Vor sozialer Isolation, dem Verlust von Lebensaufgabe oder Selbständigkeit, Altersgebrechen, Angst vor dem Ende unseres Lebens. Doch zu Unrecht, wie Studien aus den USA oder Grossbritannien zeigen. So ist das sogenannte Altersparadoxon mittlerweile wissenschaftlich belegt. Es zeigt: Je älter wir körperlich werden, desto wohler fühlen wir uns im Geist. Dank flexibleren Wohnmöglichkeiten, inklusiveren Altersstrategien und fortschrittlicher Medizin nimmt die durchschnittliche Lebenszufriedenheit im Alter zu, der Anteil depressiver Menschen ab. Ausserdem macht uns die Lebenserfahrung gelassener und weiser, wir haben nicht mehr das Gefühl, uns beweisen zu müssen. So können wir das Leben viel eher geniessen. Klingt gar nicht mehr so schlecht, oder?

Ozonschicht regeneriert sich langsam
Dieses Jahr war das Ozonloch über der Antarktis zwar so gross wie noch nie. Das jährlich auftretende Phänomen erreicht über der Antarktis zwischen September und Oktober seine grösste Ausdehnung und schliesst sich bis Dezember jeweils wieder. Generell erwarten Forscher aber, dass sich das Ozonloch bis ins Jahr 2060 oder 2070 wieder ganz schliesst – dank dem weltweiten Verbot ozonschädlicher Substanzen, wie etwa des Treibhausgases FCKW. Dass die Regeneration dauert, liegt an der langen Halbwertszeit dieser Substanzen. Auch der Klimawandel könnte die Erholung des Ozonlochs verlängern. Ist es aber mal «repariert», hat dies positive Wirkungen – nicht nur für uns und die Tierwelt wegen Hautkrebs, sondern auch fürs Klima: Die Ozonschicht verlangsamt die Erderwärmung.

Schweizer Tierwelt päppelt sich auf
Die schlechte Nachricht zu Beginn: Der Natur in der Schweiz geht es insgesamt nicht gut. Ein hoher Anteil an Tier- und Pflanzenarten steht auf der Roten Liste. Die Qualität von Lebensräumen wie Hochmooren, Flachmooren oder artenreichen Trockenrasen geht weiterhin zurück. Besonders beunruhigend ist der Rückgang der Insekten, weil Insekten in fast allen Lebensgemeinschaften wichtige Rollen übernehmen. Trotzdem gibt es gemäss Pro Natura auch gute Nachrichten, insbesondere was Wildtiere betrifft. Vor 150 Jahren waren fast alle grösseren einheimischen Wildtiere in der Schweiz ausgestorben. Es gab keine Rehe, Hirsche, Wildschweine, Biber, Steinböcke, Fischotter, Bartgeier, Luchse oder Wölfe mehr. Alle diese Tierarten wurden vom Menschen ausgerottet und sind nun wieder in unserer Landschaft zurück, breiten sich in der Schweiz nach und nach wieder aus. Manche dieser Arten stehen noch am Anfang dieser Entwicklung, wie etwa der Fischotter, manche sind mittendrin, wie etwa der Luchs, der Rothirsch oder der Bartgeier, und beim Reh ist diese Ausbreitungsphase bereits abgeschlossen. Beispielsweise sind in diesem Jahr 21 junge Bartgeier in der Schweiz ausgeflogen. Damit ist 2021 das erfolgreichste Brutjahr seit der Wiederansiedlung dieser Art. Dies zeigt, dass sich Tierarten erholen können, wenn Mensch nur will.

Bildungsarmut sinkt
Mit Bildung steigen die Chancen auf ein gutes Leben. Das gilt für den Einzelnen, aber auch für die ganze Gesellschaft. Schon US-Präsident John F. Kennedy hat in den 1960er-Jahren gesagt: «Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung.» Eine gebildete Gesellschaft ist oft auch eine fairere und insgesamt reichere Gesellschaft. Das gilt weltweit. Dennoch haben auch heute noch weltweit 250 Millionen Kinder keinen Zugang zu Schulbildung. Aber ihre Zahl ist in den letzten 20 Jahren um fast ein Drittel gesunken: Noch um die Jahrtausendwende waren es über 350 Millionen Kinder mehr, die nicht zur Schule konnten.

Bessere Wasserversorgung
Viele Bauwerke des Römischen Reichs (8. Jahrhundert v. Chr. bis 7. Jahrhundert n. Chr.) sind zerstört, doch eine ihrer grössten Ingenieursleistung prägt noch heute manche europäische Landschaft: das Aquädukt. Jenes von Vindonissa versorgte die Aargauer Gemeinde Windisch noch bis 1897 mit frischem Wasser. Denn bereits in der Antike wusste man: «In vino veritas, in aqua sanitas» – im Wein liegt zwar die Wahrheit, aber im Wasser die Gesundheit. Seit der Antike nahm die Wasserversorgung weltweit stetig zu und sorgte dadurch für Hygiene und Ausrottung tödlicher Krankheiten. Und die Entwicklung geht weiter, denn noch immer haben Milliarden Menschen kein sauberes Trinkwasser. Aber während 1980 erst 58 Prozent der Weltbevölkerung Wasser aus geschützten Quellen beziehen konnten, waren es gemäss der WHO 2015 bereits 88 Prozent. Und wenn die Forschung bei der Meerwasserentsalzung weiter so grosse Fortschritte macht, könnte das Problem dereinst gelöst sein, denn 70 Prozent des Planeten sind mit Ozeanen bedeckt.

Egalité!
Ob die Welt im letzten Jahrhundert tatsächlich besser geworden ist, hängt von der Betrachtungsweise ab. Eines aber ist sicher: Sie ist zu einem gerechteren Ort für Frauen und Mädchen geworden. Denn in Sachen Gleichberechtigung der Geschlechter wurde vieles erkämpft. Mittlerweile gilt in allen Staaten der Welt für Mann und Frau das gleiche Wahlrecht – mit einer einzigen Ausnahme: der Vatikanstadt. Daneben ist auch die politische Repräsentation von Frauen gestiegen. Während im Jahr 2000 noch 29 Mitgliedstaaten des Europarats in den nationalen Parlamenten eine Frauenrepräsentation von unter 20 Prozent vorwiesen, waren es im Jahr 2020 nur noch vier. In der Schweiz wurden im Jahr 2019 42 Prozent Frauen in den Nationalrat gewählt. Und auch in der Wirtschaft und der Bildung steigen die Chancengleichheiten der Geschlechter stetig. Das ist auch bitter nötig: denn die faire Einbeziehung von Frauen ist der Schlüsselfaktor für das Wohl aller Volkswirtschaften, so Klaus Schwab, Gründer des World Economic Forum (WEF). Trotz allem bleibt der Graben zwischen den Geschlechtern gross, wie nicht zuletzt während der Corona-Pandemie aufgedeckt wurde. Der diesjährige Global Gender Gap Report zeigt: Noch 135,6 Jahre dauert es, bis Frauen und Männer weltweit gleichberechtigt sind.
Es bleibt viel zu tun.


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