Band erobert Kinderherzen im Sturm
Achtung, «Deine Freunde» machen ziemlich coolen Rap!

Sie erobern Kinderherzen mit Beats und Raps. Die deutsche Band «Deine Freunde» macht Kindermusik, die auch Erwachsenen gefällt.
Publiziert: 13.01.2018 um 14:42 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 04:52 Uhr
Deine Freunde rocken. Das finden Kinder und Erwachsene.
Alexandra Fitz

Sie springen, rufen und schwitzen. Manche sind nach ­einem Konzert so verausgabt, dass die Eltern sie raustragen müssen und sie bereits bei der Garderobe in Papas Armen schlafen. So ein Konzert ist nichts für kleine Kinder? Doch, gerade für sie.

Die deutsche Band Deine Freunde macht Musik für Kinder – dafür vergöttern die Kleinen sie. Sie singen von Oma, die immer Schokolade reicht, und Mama, die ihnen ­ekliges Gemüse aufzwingt. Von Erwachsenen, die stets sagen: «Du bist aber gross geworden.» Und vom Aufschieben der Hausaufgaben. Die Kleinen kennen jede Zeile und rappen aus ganzem Herzen mit.

Kindermusik, die wie diefür die Grossen daherkommt

Die drei Hamburger bringen coole Beats und witzige Texte in die Kinderzimmer. Das Neue: Diese Kindermusik klingt gross und laut. Die Band will, dass Kinder denken: Boah, ich bin an einem richtigen Konzert! Das ist ziemlich klug. Denn für Kinder hat es einen ganz besonderen Reiz, wenn sich etwas nicht direkt an sie als Zielgruppe richtet. Sondern sie auch etwas «Erwachsenes» darin finden.

Hip-Hop für Kinder statt pädagogischer Vollwertkost. Schlaue Reime statt heiler Welt. Deine Freunde zeigen: Kindermusik muss nicht uncool sein. Und genau darin liegt der Erfolg. Wenn Eltern das Kinder-­Radio anwerfen, und es klingt: «Sibe chugelrundi Söi, liged näbenand im Höi. Und sie tüend grunze, und sie tüend schmatze. Und enand am Rügge chratze», ist das zwar süss, aber ab einem gewissen Alter auch peinlich. Man könnte sagen, dass Deine Freunde Kindermusik à la Schtärneföifi, Linard Bardill oder Andrew Bond ablösen. Ihre Musik füllt die Lücke, in der sich 6- bis 12-Jährige bisher befanden. Die eine Musik klingt zu stark nach Kindergartentante und die andere zu erwachsen. Deine Freunde sind die Lösung für Kinder, die neugierig auf Musik sind, aber noch zu jung für Cro, Sido oder Die Ärzte.

Die Hamburger Band begegnet den Kids auf Augenhöhe, will sich mit ihnen verbünden. Anstatt den Kindern von oben herab über den Kopf zu streicheln, ziehen sie sie auf ihre Seite. So nennt sich die Band auch komplett ironiefrei «die coolste Kinderband der Welt».

«Am Anfang verkopften wir uns, was kindergerecht ist. Doch nun ­haben wir uns davon befreit zu denken: Können wir das für Kinder machen oder nicht? Unsere Konzerte sind gross, laut und bassig», sagt Sänger Lukas Nimscheck. Der Humor auf der Bühne sei echt. Fragen Kinder ihn, ob er Bier trinke, antwortet er: «Gin Tonic.» Und findet: «Wir dürfen die Kinder nicht unterfordern, und wir müssen nicht so tun, als ob wir auch Kinder wären.»

Das rechnen ihnen ihre Fans hoch an. Der 9-jährige Felix etwa reist heute extra von Genf nach ­Zürich, um Deine Freunde live zu sehen: «Bei uns in der Schule hören das sehr viele, von der ersten Klasse Primarschule bis ins Gymna­sium.» Er finde die Texte witzig, die Lieder gut zum Mitsingen. Eltern bedanken sich, dass die Band nicht nur Heile-Welt-Lieder macht. Gemeint ist etwa der Rap-Song über zuknallende Türen. Welche Familie kennt das nicht?

Im Publikum geraten sich Knirpse in die Haare

Kinder seien ein ehrlicheres Publikum als Erwachsene. «Gefällt es ihnen nicht, verschränken sie die Arme und drehen sich um.» Spielt die Band ein Lieblingslied nicht, gibt es wütende Zwischenrufe.

Es gab auch schon mal eine Klopperei im Publikum. Zwei 7-Jährige schubsten sich. Da riefen Band und Publikum gemeinsam: «Vertragen! Vertragen! Vertragen!» Es klappte. «Kinder geben mehr zurück, wenn ihnen was gefällt. Wenn man Musik für Kinder macht, wird es schnell emotional.» Es klinge kitschig, aber es gebe nichts Besseres für die Seele, als auf der Bühne zu stehen und in 1000 Kindergesichter zu blicken. Es sei ein absoluter Traumjob.

Es war doch alles nur Zufall

Nie hätte die Band gedacht, einmal so gross zu sein. Nicht nur an Quartierfesten vor der Hüpfburg oder in Turnhallen-Ambiente zu spielen. Denn es war doch alles bloss Zufall. Lukas Nimscheck traf Florian Sump, der in den 90er-Jahren einst Schlagzeuger der Teenie-Band Echt war – allerdings zu einer Zeit, die den Kleinen fremd ist. Markus Pauli tourte als DJ mit Fettes Brot. Also keine Neulinge, neu war bloss die Zielgruppe. Florian Sump, der damals in einer Kita arbeitete, meinte: «Lass uns mal ­einen Hip-Hop-Song für Kinder aufnehmen.» Sie produzierten «Schokolade». Die Kids liebten es. Das Schöne sei, dass man bei Kindermusik nicht so sehr auf Coolness achten müsse. Um die es sonst in der Musik ständig gehe.

Deine Freunde spicken ihre Lieder mit Zitaten. Die Melodien und Beats erinnern bewusst an Michael Jackson, Deichkind oder DJ Bobo. Die Jungs konzentrieren sich auf Live-Auftritte. Und zwar von Donnerstag bis Sonntag. Sonst kommt keiner, sind ja alle in der Schule. «Um 19 oder 20 Uhr bist du schon im Hotel und kannst Playstation spielen. Andere Künstler kriegen gar nichts vom richtigen Leben mit, bei uns ist das wie im Wellnesshotel», schwärmt Sänger Nimscheck. Kinder seien als Fans null nervig. Es gebe kein Gekreische auf der Strasse. «Die fragen im Baumarkt ganz höflich: ‹Könnte es sein, dass du von Deine Freunde bist und dass wir ein Selfie machen könnten?›»

Auch die Eltern mögen ihre Musik

Woher wissen über 30-Jährige, was bei Kids von sechs und zwölf Jahren abgeht? Bisher hat nur Rapper Sump zwei Kinder. Statt Pausenhof-Recherche erinnern sie sich an ihre Kindheit. Die sei heute nicht anders: «Gleiche Probleme, gleiche Sprüche.»

An dieser Stelle sei noch ein Grund für die grosse Beliebtheit der Freunde genannt: Auch die Eltern mögen ihre Musik. Die Hälfte der Tickets geht an Erwachsene.
Zum Erfolgsrezept der Band gehört etwas, was sich in der Kinowelt schon seit längerer Zeit durchgesetzt hat: ein Erlebnis für die ganze Familie. Deine Freunde ähneln in dieser Beziehung Filmen wie «Ice Age», «Findet Nemo» oder «Merida».

Eltern begleiten ihre Kinder an die Konzerte, geben sie nicht einfach dort ab. Deine Freunde produzieren pro Album auch immer ein, zwei Songs für die Eltern. Inklusive Wortwitz oder «Bachelor»-Veräppeln. Das verstehen die Kinder dann oft nicht. Sie sollen ihre Eltern fragen, meint Nimscheck. Aber eigentlich müssen sie auch nicht jede Anspielung kapieren. Darüber freuen sich die Eltern, und die freut auch, dass die Band nach authentischem Rap klingt, denn Rap kann man nicht imitieren. Das Lied «Fontanelle» (tönt wie Schlafzimmer-R ’n’ B) ist unfassbar skurril. Was eine Fonta­nelle ist, wissen wohl nicht einmal alle Erwachsenen.

Fan Felix übrigens hätte gerne mal einen witzigen Song über Lehrer. «Voll die gute Idee», sagt Nimscheck. Deine Freunde nehmen ihr Publikum eben ernst.

Bald auch coole Kindermusik aus dem Bündnerland

Und wo sind die Nachahmer bei dem Erfolg? Bisher ist es noch ruhig. Doch einen könnte es schon bald geben: Der Bündner Ex-«Music-Star»-Kandidat Sandro Dietrich (29) plant poppige Musik für Kinder. Erste Demos seien schon vorhanden. «Ich bin Teilzeitlehrer, und mir fiel auf, dass es an frischen Kinderliedern mangelt», schreibt Dietrich auf Anfrage.

Bis es so weit ist, rocken Kiddies noch zu Deine Freunde. Und zwar in einem abgetrennten Bereich. Die Eltern können hinten an der Bar bechern. «Wir haben gemerkt, dass Kinder ohne Begleitung freier sind. Sie sollen sich nicht wie an einer Bibi-Blocksberg-Show fühlen. Hardcore-Fans wollen abgehen, und sie gehören ganz nach vorne», erklärt Nimscheck.
Und Hardcore-Fans springen, rufen und schwitzen.

 Deine Freunde treten heute Sonntag um 17.30 Uhr im Club X-TRA in Zürich auf.

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