«Bin froh, muss ich es nicht fertig essen»
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Der Schweizer Zmorge-Klassiker verschwindet
Rettet das Konfi-Brot!

Einst gehörte es auf jeden Frühstückstisch. Jetzt ist der Konsum von Konfitüre rückläufig. Warum hat es das Konfi-Brötli schwer? Schuld ist unter anderem der Zeitgeist.
Publiziert: 09.05.2023 um 01:25 Uhr
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Aktualisiert: 15.05.2023 um 15:39 Uhr
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Alexandra FitzCo-Ressortleiterin Gesellschaft

Erst ist es diese Süsse, die einem direkt ins Blut und dann ins Hirn schiesst. Gefolgt von der etwas säuerlichen Note der Früchte. Dann trifft man auf die Butter. Cremig und fettig. Am Ende beisst man auf Brot – diese weiche, vertraute Unterlage, die Basis für so viel Gutes bietet. Gibt es etwas Feineres als ein Konfibrot zum Zmorge?

Und nun das: Der Schweizer Chef von Hero – bekannt für Büchsenravioli und abgepackte Konfiportiönli in Alu – sagt in einem Interview mit der «Aargauer Zeitung», dass das Konfibrot am Schweizer Zmorgetisch an Bedeutung verliere. Der Markt sei seit Jahren rückläufig. Eine schwer verdauliche Nachricht. Wir finden deshalb, dass es Zeit ist für eine Ode an ein Stück Schweizer Kulturgut.

Was gibt es Besseres als ein Konfi-Brot zum Frühstück?
Foto: STEFAN BOHRER
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Vor allem die Jüngeren essen keine Konfi mehr

Bevor wir aber mit der Ehrenrettung anfangen, müssen wir tapfer sein und uns zu Gemüte führen, dass es die Marmelade wirklich gerade schwer hat und sie – sofern wir nichts unternehmen – bald von unserem Zmorgetisch verschwindet. Wir haben bei Hero nachgefragt. Bei Migros und Coop, die diverse Konfitüren im Angebot haben und bei Bonne Maman (deutsch für Grossmutter). Sie wissen schon, diese Marmelade, die mit ihrem rot-weiss-karierten Deckel das Gefühl von selbstgemacht vermittelt. Und mit ihrem französischen Namen obendrein etwas Exquisites verspricht.

Sie vermelden einheitlich: Die Anzahl Haushalte, die Konfi kaufen, sind in den letzten Jahren rückläufig. Während der Pandemie erlebte der Fruchtaufstrich ein Revival. Wir waren vermehrt zu Hause, hatten Zeit für den Zmorge, auch unter der Woche. Hero schreibt auf Anfrage: «Im Anschluss an die Pandemie und der erhöhten Mobilität der Bevölkerung, sind die Absätze in den letzten zwei Jahren wieder rückläufig und teilweise auch unter das Niveau von Vor-Corona gesunken.» Der Grund: Wir essen gesünder, und verbannen Zucker immer mehr von unserem Speiseplan. «Zuckerreduzierte Produkte gewinnen an Bedeutung», schreibt Coop, das gehe zulasten der traditionellen Konfitüren. Vor allem bei der jüngeren Bevölkerung ist der Konfi-Konsum gemäss Hero rückläufig. Die Jungen bevorzugen gesündere Alternativen.

Bowls, die hübsch aussehen, Porridge, das früher einfach Haferflöckli hiess, Avocados ohne Ende. Am Wochenende verabredet man sich zum Brunch und zahlt unendlich viel für ein Food-Koma. «All you can eat» ist nichts für den Menschen, damit kann er nicht umgehen. Spätestens mit kleinen Kindern wird sowieso nicht mehr gebruncht. Tagwache ist früher. Früher als all die hippen Cafés aufmachen. Das Glas Wein am Mittag, die Butter zum Kochen und jetzt auch noch der Zucker zum Frühstück – alles wird einem weggenommen. Alles wird optimiert. Genuss war gestern.

Im Alter greift man wieder zur Konfi

Meine These lautet: Das Konfi-Brot steht am Anfang unseres Lebens hoch im Kurs. Das beste Beispiel. Mein eineinhalbjähriger Sohn (ja, er darf hin und wieder Konfi essen. Selbstgemachte! Und ja, ich finde das okay). Wenn er morgens ein Konfi-Brot kriegt, leuchten seine Augen und er sieht im wahrsten Sinne des Wortes nur noch rot. Wenn ich das geschmierte Brot in seinen Teller lege, strahlt er. Ein Strahlen, wie es nur Kinder können. (Ja, ich weiss, es ist der Zucker, und das Glückshormon Dopamin, welches sein Gehirn ausschüttet. Aber wer Kinder hat, weiss: Ein zufriedenes Kind am Tisch hilft den Nerven). Auf jeden Fall lutscht er die Himmbeerkonfi vom Brot, wirft dann das aufgeweichte Ding zurück in den Teller und sagt: «Meh!» Da fällt mir das Lied «Mueter gimmer es Butterbrot» des Trio Eugster ein. Schon die Volksmusiker besangen den feinsten Zmorge.

Aber bevor Sie mich jetzt bei der Kesb anschwärzen, komme ich zum Punkt. Meine Vermutung: Als Kind finden wir Konfi-Brötli super. Es ist meist die erste Berührung mit Süssem und man nimmt, was man kriegt, nicht wahr? Irgendwann kommt dann die «Gar nicht zmörgele»-Phase, dann die «sich bewusst ernähren»-Phase, die «Brunch mit Freunden»-Phase, bis wir wieder aufs Konfi-Brot kommen. So kurz vor der Pension. Die Babyboomer, wage ich zu behaupten, kamen nie weg von diesem Stoff. Drum, egal in welcher Phase ihr gerade seid, glaubt mir, mit fortschreitendem Alter kommt dann wieder das Konfi-Brot auf den Tisch. Denn wenn man nicht mehr den Zucker reduziert, sondern den Zmorge. Wenn man das Brot wieder beim Beck kauft und grosszügig Butter und Konfi draufschmiert.

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