Die Geschichte der Siegerpodest-Tradition
Darum knallen in der Formel 1 die Champagner-Korken

Bei der Siegerehrung bespritzen sich die Formel-1-Piloten gegenseitig mit Schaumwein. Was hat der edle Saft auf dem Siegerpodest eines Autorennens verloren? Und warum wird mehr davon verspritzt als getrunken?
Publiziert: 14.12.2021 um 17:06 Uhr
Shirley Amberg

Es war vielleicht eines der kleineren Details beim Grossen Preis von Saudi-Arabien, blieb aber nicht unbemerkt: Der spätere Weltmeister Max Verstappen (24) verliess das Podest beim zweitletzten Formel-1-Rennen der Saison auffallend schnell. Auf die Frage eines Reporters, warum er das tat, antwortete der Niederländer: «Weil es keinen Champagner gab. So macht es keinen Spass!»

Wer sich auch nur ein kleines bisschen für die Formel 1 interessiert, weiss, dass das Versprühen und Trinken von Champagner auf dem Siegertreppchen dazugehört. Aber wie wurde Champagner zum Hausgetränk der Formel 1?

Die Antwort liegt einige Jahrzehnte zurück

1966 gewann der Schweizer Rennfahrer Jo Siffert (1936–1971) das berühmte 24-Stunden-Rennen von Le Mans (F). Ein anstrengendes, nervenaufreibendes Erlebnis, bei dem die Fahrer 24 Stunden lang Rennen fahren. Nach dem Sieg von Siffert wurde ihm auf dem Podest eine Flasche Champagner überreicht – die der arme Kerl jedoch nicht sehr lange in seinen Händen hielt.

Dan Gurney setzte das «Missgeschick» von Jo Siffert in eine Tradition um und verspritzte den Champagner (hier 1967 in Le Mans) über seine Mitstreiter, Zuschauer und Fotografen.
Foto: Getty Images
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Es gibt eine Reihe von Theorien darüber, warum das, was als Nächstes geschah, tatsächlich passierte. Die am häufigsten akzeptierte Version ist, dass die Flasche überhitzt war. Das führte dazu, dass der Verschluss der Flasche sich ohne Zutun von Siffert selbständig machte, der Champagnerkorken aus der Flasche schoss und der Inhalt übers Publikum gesprüht wurde – wodurch ein ebenso legendäres wie unbeabsichtigtes Bild entstand.

Ein Jahr später beschloss Dan Gurney (1931–2018) als Le-Mans-Sieger, aus dem Zufall ein regelmässiges Ereignis zu machen. Er feierte seinen Sieg, indem er die jubelnde Menge erneut mit Champagner «duschte». Jackie Stewart (82) holte diese Feiertaktik danach in die Formel 1 – und führte diese Tradition damit in die Königsklasse des Automobilrennsports ein.

Die Verbannung

In den folgenden 25 Jahren war das Bild des siegreichen Fahrers, der Zuschauer, Fotografen und Konkurrenten mit Champagner überschüttet, ein fester Bestandteil der Formel 1. 1991 wurde jedoch ein Gesetz erlassen, durch das versucht wurde, die Werbung für Alkohol und Tabak einzuschränken – womit Champagner vom Podest verbannt war.

Das Verbot dauerte bis 1997, als es dem damaligen Formel-1-Chef Bernie Ecclestone (91) zu blöd wurde und er einen Assistenten losschickte, um eine Flasche Champagner für den Sieger des Rennens in Magny-Cours (F) zu kaufen. Plötzlich war die Tradition wieder lebendig, und Champagner wurde erneut zu einem festen Bestandteil auf dem Podest.

Keine Regel ohne Ausnahme

Einige Staaten, etwa Bahrain oder eben Saudi-Arabien, haben bekanntlich keine Toleranz gegenüber Alkohol. Was dazu führt, dass der Champagner bei Rennen in diesen Ländern durch ein anderes Getränk ersetzt wird.

In Bahrain feiert der Gewinner seinen Sieg tatsächlich mit einer einzigartigen Mischung aus lokal angebauten Früchten, die mit Sodawasser gemischt werden, um einen sprudelnden Saft herzustellen. Dieser kann dann ganz wie Champagner versprüht werden, ohne dabei gegen die Gesetze der Religion zu verstossen.

Schaumwein aus der Kellerei Ferrari

Es gibt keine Regel, die vorschreibt, dass ein Fahrer nach der Siegerehrung für Fotos posieren muss – und daher wird Verstappen von der FIA für seinen nüchternen Abgang in Saudi-Arabien auch nicht bestraft.

Seit diesem Jahr ist es übrigens sowieso kein «richtiger» Champagner mehr, der da auf dem Podest geköpft wird. Es ist – nomen est omen – italienischer Schaumwein aus der Kellerei Ferrari, der nach der traditionellen Champagner-Methode hergestellt wird. Was Verstappen aber sicherlich auch geschmeckt hätte …

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