Diese Rebe trotzt dem Meersalz
Weinbau in der Lagune von Venedig

Mazzorbo heisst die Schwesterinsel von Burano in der Lagune von Venedig. Statt Spitzenstoffe und bunten Häusern ist die Attraktion hier ein Rebgarten, bepflanzt mit einer Sorte, die beinahe untergegangen wäre.
Publiziert: 23.03.2024 um 13:50 Uhr
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Aktualisiert: 28.04.2024 um 15:35 Uhr
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Ursula GeigerRedaktorin Wein

In der Lagune von Venedig soll es 120 Inseln geben. Bekannt sind Touristenmagnete wie Torcello, Murano und Burano. Wer auf Burano Richtung Fähranleger schlendert, kann über eine Holzbrücke auf die Insel Mazzorbo und so in eine völlig andere Welt spazieren.

Auf der idyllischen Insel wachsen Gemüse und seit einigen Jahren auch wieder Weintrauben. Der Prosecco-Produzent Gianluca Bisol (58) startete hier 2002 ein kühnes Projekt. Die Stadt Venedig überliess ihm einen Hektar Land, um Reben der Sorte Dorona di Venezia pflanzen zu können. Das war die Geburtsstunde des Weinguts Venissa.

Weinbau in der Lagune nach Jahrhundertflut

Gianlucas Sohn Matteo (37) leitet Venissa. An einem heissen Tag im Juli führt er durch die Rebzeilen und erklärt: «Früher lebten die Insulaner von dem, was die Lagune hergab, denn die Märkte in Venedig waren drei Ruderstunden entfernt. Selbst Wein wurde hier produziert. Die Dorona-Reben passten auf den salzhaltigen Boden.»

Der Kirchturm von San Michele Arcangelo steht nahe bei den Reben.
Foto: Getty Images
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Doch 1966 rauschte eine Jahrhundertflut über Mazzorbo. Viele Rebstöcke ertranken im salzhaltigen Wasser. Der Weinbau kam nicht wieder zurück. Bis Gianluca Bisol in den 2000ern in einem Garten auf der Insel Torcello alte Rebstöcke entdeckte. Seine Neugier war geweckt.

Rebenforscher rückten an und bestimmten die Sorte als die in Vergessenheit geratene Dorona di Venezia. Aus dem Schnittholz der alten Stöcke wurden Jungpflanzen gezogen und 2006 auf Mazzorbo gesetzt. Weinbau auf der Insel ist keine einfache Sache. Die Reben werden nicht bewässert. Winter ohne Wasser und trockene, heisse Sommer beschleunigen die Versalzung der Böden. Zum Beweis rupft Matteo Grünzeug aus dem Boden: Salicorn oder Meerspargel wuchert hier direkt neben den Rebstöcken. Und selbst für Dorona wird die Salzkonzentration langsam zu hoch.

Meditationswein

Der erste Venissa wurde 2010 gekeltert. Matteo der als Önologe auch die Weinbereitung managt, ist sich bewusst: «Dorona ist eine neutrale Rebsorte. Terroir und Ausbau sind hier entscheidend.» Die Sorte wird wie ein Rotwein gekeltert: Bis zu 30 Tagen kann die Maischegärung dauern. Danach wird der Wein vier Jahre in Zementtank ausgebaut.

Das schmeckt ein bisschen wie Sherry mit Noten von Oxidation, reifen Äpfeln und Nüssen. Am Gaumen ist der Venissa komplex, hat eine straffe Säure und die zarte Aromatik von Salzmandeln und Zitronen. Ein Meditationswein, der sich langsam im Glas entfaltet.

2017 kam der trockene, deutlich frischere Venusa dazu, der aus höher liegenden Rebflächen stammt, eine Woche auf der Maische gärt und 24 Monate im Zementtank ausgebaut wird.

Rotwein aus Swarovski-Reben

Doch auch Rotweine sind im Sortiment von Venissa: Merlot- und Cabernet Sauvignon-Trauben für den roten Venusa stammen von der Privat-Insel Santa Cristina, wo die Kristall-Familie Swarovski ein Hide-away für sich und zahlungskräftige Urlaubsgäste geschaffen hat. Die Reben dort sind 60 Jahre alt. Die Flut 1966 hat sie verschont, denn Santa Cristina liegt höher als Mazzorbo.

Wer Venissa und die beiden Venusa-Weine geniessen möchte, besucht am besten die Insel. Mit dem Vaporetto ab Venedig dauert die Reise 30 Minuten. Die Osteria bei den Reben und das sternegekrönte Ristorante Venissa am Anleger sind perfekt für eine Auszeit vom venezianischen Dichtestress während der Hauptsaison.

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