«Ein Tag im Rebberg geht sehr schnell vorbei»
Das bewegt einen angehenden Winzer

Was spornt junge Menschen dazu an, den Winzerberuf zu ergreifen? Blick-Weinredaktorin Isabelle Thürlemann-Brigger hat Björn Meile (19) im Weinberg begleitet und nachgefragt.
Publiziert: 12.04.2023 um 13:50 Uhr
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Aktualisiert: 13.04.2023 um 15:37 Uhr

Verweichlicht und verwöhnt sind Begriffe, die in der «die Jugend von heute»-Diskussion immer wieder auftauchen. Einer, der nicht in dieses Schema passt, ist Björn Meile (19). Als Winzerlehrling steht er in jeder Witterung draussen und packt im Weinkeller mit viel Elan an.

In den Rebgärten seines Lehrbetriebs Rutishauser-DiVino SA in Winterthur ZH zeigt er Blick an einem sonnigen Februarmorgen, wie sein Alltag aussieht und wie er sich die Zukunft ausmalt.

Gummistiefel statt Bostitch

Vor seiner Schnupperlehre als Winzer liebäugelte Meile mit einer Laufbahn im Büro. Den Plan, sich zum Informatiker ausbilden zu lassen und in die Fussstapfen seines Vaters zu treten, hat er nach dem ersten Tag im Weinberg verworfen. Er durfte Rebstöcke setzen und war vom abwechslungsreichen Arbeitsinhalt und der Tätigkeit an der frischen Luft sofort angetan. «Mein Umfeld war überrascht, ich bin der einzige in der Familie, der einen landwirtschaftlichen Weg eingeschlagen hat», erzählt Meile.

Urs Bosch (38), Björn Meile (19) und Raphael Koller (26) (v. l. n. r.) sind ein eingeschworenes Team.
Foto: Isabelle Thürlemann-Brigger
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Weder Wind noch Wetter, geschweige denn die körperliche Anstrengung machen dem sportlichen jungen Mann etwas aus. Beigeistert erzählt er: «Ein Tag im Rebberg geht sehr schnell vorbei. Zurzeit kontrollieren wir die Drahtanlagen und schneiden die alten Reben. Wenn die Frostgefahr sehr gering ist, folgt der Rebschnitt bei den Junganlagen». Spannend ist für ihn ausserdem der Einsatz moderner Hilfsmittel. Im grossen Maschinenpark stehen Staplerfahrzeuge, Traktoren, Vollernter, etc. Hier fühlt sich der technikaffine Thurgauer wohl.

Sprudelnder Berufsstolz

An seinem Metier schätzt er ebenfalls, dass er den ganzen Entstehungsprozess von der Traube am Stock, über die Ernte und die Produktion bis zur fertig abgefüllten Flasche Wein mitverfolgen kann. Obendrein motiviert ihn die Leidenschaft der Beteiligten: «Der Austausch mit den anderen Angestellten und den Helfern während der Lese bereitet mir am meisten Freude, weil alle Feuer und Flamme für ihre Tätigkeit sind. Dabei kommt das Gesellige nicht zu kurz, das ist sympathisch.»

Sein Lehrbetrieb legt Wert auf Praxiserfahrung und ermöglicht den Lernenden jedes Jahr, aus selbst geernteten Trauben einen Wein von A-Z in der Stilistik ihrer Wahl zu bereiten. «Die Kelterung des Lehrlingsweins ist ein spezielles Erlebnis. 2021 haben wir unseren Tropfen aus der pilzwiderstandsfähigen Sorte Seyval blanc vinifiziert. Letztes Jahr wurde es ein Pinot noir, mit Ausbau in der Barrique». Sie sind ganz nach seinem Geschmack ausgefallen. Er mag fruchtbetonte, ausgewogene Weine, wie Pinot gris und Gamaret.

Der richtige Weg

Die Ausbildung hat ihm nicht nur Rebbau und Kellertechnik näher gebracht, sondern ihn auch auf Veränderungen in der Natur sensibilisiert. Der Klimawandel und die Massnahmen beschäftigen ihn. «Ich schaue meine Umgebung heute mit anderen Augen an. Zum Beispiel ist Boden nicht gleich Boden, sondern lebendige Materie. Seine Struktur und seine Lebewesen faszinieren mich». Für Meile ist der ökologische Anbau deshalb die Zukunft. «Es ist nicht für alle Betriebe möglich, biologisch zu spritzen, für das habe ich Verständnis».

Eine ruhige Kugel schieben ist nicht Meiles Art. Er paukt zurzeit für die Lehrabschlussprüfungen und verlängert anschliessend sein Engagement bei seinem Arbeitgeber. Danach wird er seine Winzerkluft gegen den Tarnanzug eintauschen und die Winter-RS 2024 absolvieren. Weiter möchte er sich noch nicht festlegen, er kann sich aber gut vorstellen, die Weinwelt zu erkunden: «Mein Lehrjahr in der Romandie hat mir sehr gut gefallen. Es würde mich wieder reizen, Erfahrungen in einem neuen Weingebiet zu sammeln». Zu seinen Sehnsuchtsorten gehören Griechenland und Südafrika. Egal, wohin es ihn treibt, sicher ist, dass es ihm nicht langweilig wird.

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