Akute Frostgefahr
Schweizer Winzer bibbern um Ernte 2024

Nachdem ein warmer April einen gewaltigen Vegetationsvorsprung gebracht hat, ziehen nun Frostnächte durchs Land. Wir haben nachgefragt, wie Schweizer Winzerinnen und Winzer die Gefahr einschätzen und was dagegen unternommen wird.
Publiziert: 21.04.2024 um 13:56 Uhr
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Aktualisiert: 22.04.2024 um 16:53 Uhr

Obschon der Schweizer Weinjahrgang 2024 noch in den Kinderschuhen steckt, droht ihm der Frost bereits jetzt einen gehörigen Strich durch die Rechnung zu machen. Der mildeste Winter, gleichzeitig auch wärmste Februar seit Messbeginn und die sommerlichen April-Wochenenden haben bei den Reben zu einem Vegetationsvorsprung von bis zu drei Wochen geführt. Doch nun ziehen Frostnächte durchs Land. Bereits ab minus einem Grad ist das zarte Grün der jungen Triebe gefährdet.

Erfrieren die Knospen, aus denen im späteren Verkauf des Jahres neue Triebe sowie auch Trauben wachsen sollen, sind Ernteausfälle vorprogrammiert. Laut Michael Gölles (47) von der Fachstelle Rebbau im Strickhof in Wülflingen, hat das Thema Frost in den letzten Jahren an Prägnanz gewonnen. Was passiert nach einem Frostereignis? «Die Nebenaugen der Rebe treiben erneut aus. Je nach Rebsorte und Schwere des Frostes sind dadurch Erträge von 30 bis 50 Prozent durchaus noch möglich.»

Frostschäden im Wallis bereits Realität

Erste Winzer hat es in der Nacht auf Freitag getroffen. Vor allem im Wallis. So auch Romain Cipolla aus Raron VS. «Bei den unteren Lagen in der Talebene habe ich einen Ausfall von wohl gegen hundert Prozent. Zum Glück sind das aber keine zehn Prozent meiner Rebberge. Die anderen liegen höher und waren vom Frost nicht betroffen.» Ohnehin schlug Väterchen Frost sehr sektoriell zu. Die Regionen Chamoson, Ardon, Vétroz, Salgesch waren zum Beispiel betroffen.

Erfrieren die jungen Knospen, aus denen im späteren Verkauf des Jahres neue Triebe sowie auch Trauben wachsen sollen, sind Ernteausfälle programmiert.
Foto: Shutterstock
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Sandrine Caloz aus Miège VS hat für ihre Prestigeweinberge «Les Bernunes» im Talkessel Paraffinkerzen und eine Windmaschine eingesetzt, um sie am Leben zu halten: «Die Temperaturen gingen bis minus drei Grad hinunter. Da sind diese Mittel durchaus wirksam. Wird es aber minus fünf, sechs nützen auch die nichts mehr. In dieser Nacht haben wir nur die zwei, drei Kleinparzellen teilweise verloren, die wir nicht schützen konnten. Der Rest scheint ziemlich okay zu sein.»

Doch die Schlacht geht weiter! Denn bereits für die Nacht von heute auf Montag sind zum Beispiel im Wallis wieder Temperaturen bis zu minus vier Grad gemeldet. Voraussichtlich auch Ende nächste Woche. «Wir müssen diese Schlachten alle gewinnen», so Caloz, sonst seien die vorangehenden nutzlos gewesen. «Es wird eine harte Woche!»

Véronique Besson-Rouvinez bibbert den kalten Nächten gleich in doppelter Funktion entgegen. Zum einen ist sie die Verantwortliche für die Weinbereitung im Familienbetrieb der Rouvinez' in Sierre VS, zu dem gleich fünf Betriebe gehören. Zum anderen ist sie Geschäftsleitungs-Mitglied: «Wir sitzen hier wie auf Kohlen! Wir werden alle Methoden anwenden, die wir dafür bereitgestellt haben. Von der Frostberegnung bis zu verschiedenen Wärme-Methoden. Aber nur rund zehn Prozent unserer Weinberge sind für Frostbekämpfung gerüstet.»

Patrick Revey, Mitinhaber der Gregor Kuonen Caveau de Salquenen AG aus Salgesch VS, ist nicht minder nervös: «Wir hatten am Donnerstag einen VIP-Anlass auf dem Jungfraujoch, an welchem wir unseren neuen Gletscherwein vorgestellt haben. Aber Mitgründer François Kuonen hat sich kurzfristig abgemeldet, weil er die Frostbekämpfung persönlich organisieren will. Es könnte ja so schlimm werden wie 2017, als ein Viertel der Rebfläche im Wallis massiven Schaden nahm. Wenn es aber minus fünf Grad wird, kann man nicht mehr viel machen. Hoffen wir, dass sich die Meteorologen um einige Grade getäuscht haben.»

Frostruten in Sankt Gallen

Roman Rutishauser (39) vom Weingut am steinig Tisch in Thal SG hat in seinen Rebbergen eine Frostrute als Versicherung stehenlassen. Frostruten werden nicht gebogen, wodurch die Knospen später austreiben. Erst im Nachgang an ein mögliches Frostereignis werden geschädigte Traghölzer entfernt und die Frostruten gebogen.

Bleibt die Anlage vom Frost verschont, wird die Frostrute entfernt. Ein Mehraufwand, aber ohne Einsatz von anderen Mitteln, wie beispielsweise das Zünden von Frostkerzen. «Die nützen in unseren Steillagen eh nicht. Die Wärme steigt nach oben und anstelle der Rebstöcke heizen wir die Luft», so Rutishauser gegenüber Blick.

Hubschrauber gegen Frost

Im Kampf gegen den Frost kommen auch Frostkerzen häufig zum Einsatz, da sie die Temperatur um rund drei Grad erhöhen können. Um einen Hektar Rebfläche zu heizen, braucht es allerdings rund 200 Kerzen. Ein teures Unterfangen, da Frostkerzen um die 15 Franken pro Stück kosten. Dazu kommt die Arbeitszeit für das Aufstellen, Anzünden sowie Abräumen. Am Ende aber möglicherweise immer noch besser als eine Ertragseinbusse.

Eine weitere Möglichkeit, die jungen Pflanzenteile vor Frost zu schützen, ist die Beregnung mit Wasser. Bei dieser Methode schützt der zarte Eisfilm die Triebe. In manchen Weinregionen dieser Welt sind mittlerweile sogar Helikopter im Einsatz, wenn Frost droht. Das Fliegen über dem Weinberg drückt warme Luft nach unten. Ob und wie stark der aktuelle Frost den Schweizer Weinbau gefährdet, wird in den kommenden Tagen entschieden.

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