Kuschen vor der EU?
Champagner-Verband mobbt Schweizer Winzer im Waadtland

Der Champagner-Verband sieht den Markenschutz verletzt. Winzer Eric Schopfer (69) sieht die Interessen der Winzer im Schweizer Dorf Champagne auf dem Altar der bilateralen Verträge mit der EU geopfert. Ein zwanzig Jahre alter und dennoch hochaktueller Konflikt.
Publiziert: 11.07.2024 um 13:48 Uhr
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Aktualisiert: 14.08.2024 um 14:31 Uhr
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Ursula GeigerRedaktorin Wein

Der Bundesordner, den Eric Schopfer auf den Tisch legt, ist nicht prall gefüllt. Er birgt aber zwei eingeschriebene Briefe von 2020 und 2023 einer Schweizer Anwaltskanzlei (Name der Redaktion bekannt), die es in sich haben. Die Schreiben beinhalten eine Verzichtserklärung, die innert Monatsfrist unterschrieben zurückzusenden sei.

Verzichten soll der Winzer auf den Firmennamen «Champagnoux» und er soll die so bezeichneten Weiss-, Rot- und Schaumweine nicht mehr in Verkehr bringen. Zumal ihm 2007 die Registrierung der Marke «Champagnoux» für alkoholische Getränke ausser Bier verweigert worden sei. Das kommt für den Winzer aber nicht infrage.

Ortsname triggert den Champagner-Verband

Schopfer lehnt sich entspannt zurück, giesst seinen preisgekrönten Rosé-Schaumwein in die Gläser und beginnt zu erzählen. Angefangen hat alles im Jahr 2002. Im Waadtländer Dörfchen Champagne produzieren eine Handvoll Winzer Trauben, die von der Kooperative im Nachbardorf gekeltert werden.

Zwei Schaumweine produziert Eric Schopfer unter dem Label «Champagnoux» im Dörfchen Champagne in der Waadt. Das ärgert den Markenriesen in Frankreich.
Foto: Ursula Geiger
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Dass die Dörfler ihren Weisswein als «Vin de Champagne» etikettierten, war den Markenhütern des französischen Nobelschaumweins ein Dorn im Auge. Diese «Konkurrenz» im Herzen des geografischen Europas - das durfte nicht sein.

Zumal mit dem Inkrafttreten der Bilateralen-Verträge I zwischen der EU und dem Bund alles geregelt schien. Es folgte ein Namensverbot. Die Dorfbewohner konterten mit der Bezeichnung «Libre-Champ» auf den Etiketten der Weinflaschen.

«Wo sind die Keller in Champagne?»

«Kaum war das Verbot bekannt, wurde unser Dorf von der Presse belagert. Die Journalisten fragten nach den Kellern und den Weinen aus Champagne. Doch da war wenig. Die Bauern lieferten ihre Trauben an die Kooperative», erklärt Schopfer einen der Beweggründe für sein Handeln.

Bestimmt war Trotz mit dabei und die Gewissheit, dass die Sympathien auf seiner Seite sind. Jedenfalls stockte der Elektrotechniker die kleine Rebfläche seiner Familie auf 3,1 Hektar auf, trat aus der Kooperative aus und gründete 2005 das Weingut Champagnoux. «Champagnoux, so heissen die Dorfbewohner, seit es den Ort gibt», sagt er. Auch das Dorfwappen — drei Champignons, mit denen man durchaus Champagner-Korken assoziiert, wenn man die Geschichte kennt, ziert die Etiketten seiner Weine.

Weshalb der Bund dem Namensverbot zugestimmt haben soll

Schopfer ist überzeugt, dass die Zugeständnisse des Bundes mit den Flugrechten für die damalige Swissair in den europäischen Flughäfen zusammenhängen. Ein Flugzeug der Flotte sei extra auf den Dorfnamen getauft worden. Und als Zückerchen hätte die Swissair in derselben Maschine die Dorfbewohner zu einem Rundflug ab Genf eingeladen.

Eine Anfrage bei der Swiss ergab Folgendes: Im Dienst bei Swissair stand vom 12.05.1999 bis am 31.03.2002 ein A319-112 mit dem Namen «Commune de Champagne». Das Flugzeug ging per Ende März in den Flugbetrieb der Swiss über und trug ab dann den Namen «Piz Morteratsch». Seit 2013 gehört das Flugzeug nicht mehr zur Swiss-Flotte. Zu Taufnamen und Sonderflügen der damaligen Swissair könne die heutige Swiss keine Auskunft geben.

David gegen Goliath

Mittlerweile heisst das Unternehmen des Widerständlers «Vins Schopfer» und nur noch seine Weine werden unter dem Label «Champagnoux» verkauft. So sind Land und Gebäude geschützt, sollten die Markenhüter nicht locker lassen und ihn verklagen. «Jedes Jahr werden in die Schweiz rund 6,3 Millionen Flaschen Champagner importiert. Ich verkaufe etwas über 3'000 Flaschen Schaumwein jährlich», rechnet Schopfer vor.

An der Wand im Verkaufsraum hängt ein Samurai-Schwert und einer der Schaumweine heisst «La Geisha». Die japanische Kultur gefällt Schopfer. Er ist Judoka und trägt den schwarzen Gürtel (Dritter Dan). Judo bedeutet der «sanfte Weg». Den geht Eric Schopfer in aller Ruhe: «Ich mache mir keinen Kopf und produziere weiterhin meine Champagnoux-Weine. Wenn ihnen das nicht passt, schreibe ich ‘1424 Champagne’ auf meine Etiketten, denn Postleitzahlen und Ortsnamen können nicht verboten werden».


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