Auf dem Schulweg
Wie lange darf man sein Kind chauffieren?

Eltern, die ihre Kinder zur Schule fahren, richten erheblichen Schaden, sagt der Zürcher Schriftsteller Thomas Meyer und eröffnet somit eine wichtige Diskussion zu Kindererziehung.
Publiziert: 25.08.2017 um 14:37 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 09:37 Uhr
Thomas Meyer

«Meine Frau entwickelt sich immer mehr zur Helikoptermutter. Sie fährt unseren achtjährigen Sohn jeden Tag zur Schule», schreibt ein Blick-Leser.

Viele Eltern unterliegen einem fatalen Missverständnis. Sie glauben, besonders liebevoll und fürsorglich zu sein, wenn sie ihr Kind vor allen nur erdenklichen Gefahren, Enttäuschungen und anderen Widrigkeiten des Lebens schützen. In der Folge chauffieren sie es überallhin, sagen viel zu selten Nein, weil seine zarte Seele sonst Wutgefühle erdulden muss, und gehen auf seinen Lehrer los, wenn es ein schlechtes Zeugnis nach Hause gebracht hat. Es ist ja klar, wer die wahre Schuld an den schlechten Noten trägt – sicher nicht ihr hochbegabter, völlig verkannter Schatz!

Zu viel Vorsorge ist gefährlich

Diese Menschen erziehen ihre Kinder zur gleichen narzisstischen Lebensunfähigkeit, an der sie selbst leiden. Sie vermitteln ihnen, dass Rückschläge etwas Schlechtes sind, dass Frustration eine angemessene Reaktion auf die Ungerechtigkeit der Welt ist und alles, was sich ausserhalb der Komfortzone abspielt, wie beispielsweise der Schulweg, eine blanke Zumutung. Diese unbelastbaren, dauergekränkten Mimöslein müssen Arbeitgeber und Partner später mühsam nacherziehen.

Sollte man ein Kind alleine zur Schule gehen lassen?

Enttäuschungen gehören zum Leben

Ein Kind sollte lernen, und zwar schon möglichst früh, dass das Leben nur höchst selten wunschgemäss verläuft und dass Enttäuschungen fest dazugehören. Und dass man an ihnen nicht zerbricht, sondern erst durch sie zu einem verantwortungsbewussten und respektvollen Mitglied der Gesellschaft heranreift. Es muss lernen, dass es nicht hochwohlgeboren ist und eine Luxusbehandlung verdient, sondern dass es ein ganz normaler Mensch ist, für den dieselben Regeln gelten wie für alle anderen.

Unterbinden Sie Verzärtelungen!

Ihre Frau tut Ihrem Sohn keinen Gefallen – im Gegenteil. Unterbinden Sie diese idiotische Verzärtelungskampagne rigoros, wenn Sie vermeiden wollen, dass Ihr Kind später vulgär auf der Strasse herumbrüllt, bloss weil es eine Parkbusse bekommen hat.

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