Anti-HIV-Therapie schlägt an
Zweiter «Londoner» HIV-Patient geheilt

Der «Berlin Patient» war lange Zeit der einzige Mensch, der als geheilt von HIV galt. Nun gibt es neue Ergebnisse von einem Londoner Patienten, der mit einer speziellen Therapie wohl vom Aids-Erreger befreit wurde.
Publiziert: 11.03.2020 um 16:19 Uhr

Es ist erst der zweite Fall weltweit: Der als «Londoner Patient» bezeichnete HIV-Patient ist wahrscheinlich geheilt. Etwa zweieinhalb Jahre nach Beendigung der Anti-HIV-Therapie ist bei dem Patienten kein funktionsfähiges HI-Virus mehr nachweisbar gewesen, berichtet eine Gruppe um den Mediziner Ravindra Gupta von der University of Cambridge (Grossbritannien) in der Fachzeitschrift «The Lancet HIV».

Der Patient, der neben HIV eine Blutkrebserkrankung hatte, hatte zuvor eine spezielle Stammzellspende erhalten. Die Forscher betonen, dass die Stammzelltherapie eine Hochrisikobehandlung sei, die für die meisten HIV-Patienten nicht infrage komme.

Eine Heilung von Aids ist bis heute grundsätzlich nicht möglich. Mit Hilfe von antiretroviralen Medikamenten kann der Erreger allerdings in Schach gehalten und der Ausbruch von Aids langfristig verhindert werden. Beim «Londoner Patienten», wie auch beim «Berliner Patienten» Timothy Brown, der seit 2011 als geheilt gilt, wurde das Immunsystem durch eine Stammzelltherapie neu aufgebaut.

Timothy Ray Brown, auch als «Berlin Patient» bekannt, war der erste bekannte HIV-Patient, der geheilt wurde.
Foto: AP
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Stammzellentransplantation gegen HIV?

Der Stammzellspender hatte dabei jeweils eine seltene Mutation, die ihn immun gegen das HI-Virus macht. Sie führt dazu, dass die Zellen kein CCR5-Rezeptor bilden, den die meisten HI-Viren benötigen, um an eine Zelle anzudocken, in der sie sich vermehren könnten.

«Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Erfolg der Stammzelltransplantation als Heilung für HIV, über den erstmals vor neun Jahren beim Berliner Patienten berichtet wurde, wiederholt werden kann», sagt Gupta. Auch der Berliner Patient hatte eine Form von Blutkrebs.

Das Team um Gupta untersuchte zahlreiche Flüssigkeits- und Gewebeproben des Londoner Patienten. Die Wissenschaftler fanden in einigen Proben zwar noch Teile des Erbguts von HI-Viren. Sie gehen jedoch davon aus, dass es sich dabei um «fossile» DNA-Stränge handelt, die nicht zu einem vermehrungsfähigen Virus gehören. Viele andere Daten, etwa die stark zurückgegangene Anzahl HIV-spezifischer Antikörper, wiesen darauf hin, dass das Virus aus dem Körper des Patienten verschwunden sei, schreiben die Forscher.

Patient geheilt?

In einem Kommentar, ebenfalls in «The Lancet HIV», stellen Sharon Lewin und Jennifer Zerbato von der University of Melbourne (Australien) die Frage, ab wann ein HIV-Patient als geheilt angesehen werden kann.

Die Medizin wisse heute, dass die meisten Viren, die eine Anti-HIV-Therapie überstehen, defekt seien und sich nicht vermehren könnten. «Eine Heilung für HIV könnte besser als ‹kein intaktes Virus› definiert werden denn als ‹kein nachweisbares Virus›», schreiben die Medizinerinnen. Die Studie des Teams um Gupta sei ermutigend, aber am Ende müsse die Zeit zeigen, ob tatsächlich von einer Heilung gesprochen werden könne. (SDA)

Fast 40 Jahre HIV und Aids
  • 1981
    Am 5. Juni 1981 schlagen die US-Gesundheitsbehörden Alarm wegen des Auftretens einer selten Form der Lungenentzündung bei jungen Homosexuellen in Kalifornien.
    In den kommenden Monaten werden dieselben Symptome bei Drogenabhängigen, bei mit Transfusionen behandelten Blutern und in den USA lebenden Haitianern gefunden.
     
  • 1982
    Der Fachausdruck Aids (Acquired immune defiency syndrome) beginnt sich durchzusetzen.
     
  • 1983
    Im Januar isolieren die Forscher Françoise Barré-Sinoussi und Jean-Claude Chermann unter Leitung von Luc Montagnier ein neues Virus namens LAV, das mit Aids in Zusammenhang stehen könnte.
     
  • 1984
    Am 23. April gibt Robert Gallo bekannt, den "wahrscheinlichen" Aids-Verursacher gefunden zu haben: HTLV-III. Bei LAV und HTLV-III handelt es sich um dasselbe Virus. 1986 wird es HIV genannt.
     
  • 1985
    Der erste Prominente stirbt an Aids, der Schauspieler Rock Hudson.
     
  • 1987
    Am 20. März 1987 wird in den USA das erste Medikament zugelassen: AZT. Es hat zahlreiche schwere Nebenwirkungen.
     
  • Anfang der 90er Jahre
    Eine ganze Reihe von Prominenten stirbt an Aids, unter ihnen Queen-Frontmann Freddie Mercury, der Ballettstar Rudolf Nurejew oder der deutsche Tennisprofi Michael Westphal.
     
  • 1995/1996
    Neue Medikamente kommen auf den Markt: Die Kombinationstherapien beginnen, die sich als sehr wirksam erweisen. 1996 geht die Zahl der Aids-Toten in den USA erstmals zurück.
     
  • 1999
    Die Weltgesundheitsorganisation zählt 50 Millionen Infizierte und 16 Millionen Tote seit Beginn der Epidemie.
     
  • 2001
    Generika werden erlaubt, um den Entwicklungsländern die Herstellung von Aids-Medikamenten zu ermöglichen.
     
  • 2012
    In den USA wird das Medikament Truvada zugelassen, ein Mittel zur Prophylaxe.
     
  • 2017
    Erstmals sind laut Uno die Hälfte der Infizierten in Behandlung. 36,9 Millionen sind 2017 als infiziert gemeldet, rund 35 Millionen seit 1981 gestorben.
     
  • 2019
    Zum zweiten Mal weltweit ist ein HIV-Patient nach einer Stammzellen-Transplantation virenfrei. Die bis dato einzige anerkannte Heilung eines Aids-Patienten ist der Fall des US-Bürgers Timothy Brown, bei dem in den 90er Jahren in Berlin Aids diagnostiziert worden war.
  • 1981
    Am 5. Juni 1981 schlagen die US-Gesundheitsbehörden Alarm wegen des Auftretens einer selten Form der Lungenentzündung bei jungen Homosexuellen in Kalifornien.
    In den kommenden Monaten werden dieselben Symptome bei Drogenabhängigen, bei mit Transfusionen behandelten Blutern und in den USA lebenden Haitianern gefunden.
     
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    Eine ganze Reihe von Prominenten stirbt an Aids, unter ihnen Queen-Frontmann Freddie Mercury, der Ballettstar Rudolf Nurejew oder der deutsche Tennisprofi Michael Westphal.
     
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