Auswirkungen auf Hirn und Körper – Einsamkeit macht krank
Junge Menschen sind besonders betroffen

Über 40 Prozent der Bevölkerung fühlen sich einsam. Das wirkt sich nicht nur aufs Gemüt, sondern auch negativ auf die Gesundheit aus. Was man dagegen tun kann.
Publiziert: 30.01.2024 um 20:10 Uhr
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Aktualisiert: 30.01.2024 um 21:02 Uhr
Margaux Baralon

42,3 Prozent der Schweizer Bevölkerung gaben im Jahr 2022 gegenüber dem Bundesamt für Statistik an, «manchmal», «oft» oder «sehr oft» einsam zu sein. 2017 waren es noch 38,6 Prozent. Eine Entwicklung, die zu einem Problem für die öffentliche Gesundheit werden könnte. Denn Einsamkeit wirkt sich konkret aufs Gehirn und auf den Körper aus. Das belegen verschiedene Studien. 

So wurden bei einem Experiment 90 Personen eingeschlossen und acht Stunden lang von jeglichen sozialen Kontakten isoliert. Anschliessend wurden Herzfrequenz und Stimmung gemessen. Das Ergebnis: Acht Stunden Einsamkeit haben die gleiche Wirkung wie acht Stunden Nahrungsentzug! Man verliert Energie, der Stresspegel steigt und die Müdigkeit nimmt zu.

Im August 2022 stellte die American Heart Association die Ergebnisse zahlreicher Forschungsarbeiten zum Thema Einsamkeit zusammen. Ihr Urteil war eindeutig: «Es gibt starke Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Einsamkeit und einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen». Das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden oder an einem Herzproblem zu sterben, steigt um 29 Prozent, wenn man isoliert ist. Bei Schlaganfällen beträgt der Anstieg 32 Prozent.

Junge Menschen zwischen 16 und 24 Jahren sind besonders stark von dem Gefühl der Isolation betroffen.
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Einsamkeit und Schrumpfung des Gehirns

Es ist nicht die Einsamkeit im eigentlichen Sinne, die Herz und Gefässe angreift. Aber Betroffene neigen oft zu schlechten Gewohnheiten und rauchen und trinken überdurchschnittlich viel. Sie achten weniger gut auf sich und gehen seltener zum Arzt. Zudem führt Einsamkeit zu einem höheren Risiko, an Angstzuständen oder Depressionen zu erkranken. Dies wirkt sich wiederum auf den Schlaf oder die verminderte körperliche Aktivität und damit auf die Gesundheit aus.

Die Auswirkungen von Einsamkeit sind auch neurologisch. Ältere Menschen, die sich einsam fühlen, haben ein höheres Risiko, Demenz zu entwickeln. Eine im letzten Jahr veröffentlichte japanische Studie zeigte einen Zusammenhang zwischen der bei Senioren erlittenen Isolation und einer Schrumpfung bestimmter Gehirnbereiche. Wie zwei amerikanische Ärztinnen in «The Conversation» berichten, ist bei Menschen, die unter Einsamkeit leiden, ein allgemeiner kognitiver Verfall zu beobachten. Sie schneiden bei Tests zum logischen Denken schlechter ab.

Junge Menschen sind stark von Einsamkeit betroffen

Es ist durchaus möglich, unter Einsamkeit zu leiden, auch wenn man unter Menschen ist. Im Jahr 2021 gab die Migros eine Umfrage zum Thema Einsamkeit in der Schweiz in Auftrag. 27 % der Befragten gaben an, dass sie sich «manchmal» unter Menschen noch mehr allein fühlen.

Nicht nur ältere Menschen sind von Einsamkeit betroffen. In der Migros-Umfrage zeigte sich: Je jünger die Befragten sind, desto häufiger gaben sie an, sich in letzter Zeit einsam gefühlt zu haben. Menschen, die allein leben, nicht arbeiten und wenig oder keinen Sport treiben, leiden am häufigsten unter Einsamkeit. Neue Freizeitaktivitäten oder Arbeit können helfen, den sozialen Kreis zu erweitern, um neue Kontakte zu knüpfen. 

Was kann man gegen Einsamkeit tun?

Wichtig ist, sich nicht zu isolieren. Spaziergänge an der frischen Luft sind eine Möglichkeit, den Tag zu strukturieren und Menschen zu begegnen. Eine sinnvolle Taktik ist auch, die Erwartungen zu senken. Laut einem Bericht der Hochschule für Soziale Arbeit und Gesundheit in Lausanne geht es dabei um das Prinzip, der «regulativen Strategie»: Genauso wie man akzeptieren muss, dass die körperliche Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter abnimmt, muss man auch damit rechnen, dass der eigene soziale Kreis kleiner wird.

Ein Mechanismus, der auch für junge Menschen gilt. Etwa wenn sie fürs Studium oder einen Job in eine andere Stadt ziehen: Es ist logisch, dass es in einer neuen Umgebung weniger Kontakte gibt. Die Erwartungen, entsprechend zu reduzieren, bedeutet nicht unbedingt, dass man resigniert - sondern man bewahrt sich vor unnötigen Enttäuschungen. Das Wirksamste gegen Einsamkeit sind übrigens Aktivitäten, die in einer Gruppe durchgeführt werden. Mit anderen Worten: Es ist empfehlenswerter, einem Buchklub beizutreten, als allein ins Fitnessstudio zu gehen.


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