Eine Frau mit Donut und Apfel und sie kann sich nicht entscheiden
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Ernährungspsychologin Jsabella Zädow erklärt, warum wir mehr essen, als wir möchten
«Es ist oft nicht der Hunger, der uns zum Kühlschrank treibt»

Abnehmen liegt nicht in der Natur des Menschen: Warum der Kampf gegen überflüssige Kilos so schwer ist, erklärt die Ernährungspsychologin Jsabella Zädow.
Publiziert: 16.02.2021 um 09:38 Uhr
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Aktualisiert: 16.02.2021 um 10:52 Uhr
Interview: Katja Richard

Wenn es um die Figur geht, ist das Leben unfair: Während manche riesige Teller Spaghetti reinhauen können und dabei schlank bleiben, dürfen andere die Cremeschnitte kaum anschauen und legen schon zu. Das hat mit Veranlagung zu tun, dem Stoffwechsel und nach neusten Erkenntnissen auch mit unserem Darmbakterienhaushalt. Die Ernährungspsychologin Jsabella Zädow im Interview.

Viele möchten abnehmen. Auch wenn es nur um ein paar Kilos geht, scheitern auf lange Sicht die meisten daran. Warum?

Jsabella Zädow: Weil Abnehmen wirklich schwierig ist. Das hat verschiedene Gründe, der wichtigste liegt weit in der Vergangenheit. Noch nie in der Geschichte der Menschheit waren wir mit diesem Überangebot an Nahrung konfrontiert, die jederzeit und überall zur Verfügung steht. Gleichzeitig bewegen wir uns im Alltag viel weniger, die meisten verbringen den Tag im Sitzen. Das senkt unsere Energiebilanz, gleichzeitig ist unser Körper darauf programmiert, Reserven einzulagern. Darum gibt es mehr Übergewicht.

Aber warum können die einen so viel essen, wie sie wollen, und bleiben schlank – und andere nicht?


Es gibt verschiedene Stoffwechseltypen, das ist genetisch bedingt und kein neues Phänomen. Früher waren Menschen, die gut verbrennen, aber im Nachteil, auch bei der Partnerwahl. Niemand wollte eine «magere Frau», weil sie weniger körperliche Reserven hatte, um den Nachwuchs zu sichern. Was man früher als mager bezeichnete, gilt heute als schlank. Es ist ein neues Schönheitsideal, dem heute viele nacheifern, obwohl sie eine andere Veranlagung haben.

Ernährungspsychologin Jsabella Zädow.
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Stichwort Stoffwechsel: Kann man diesen mit einer Diät beeinflussen?


Bei sogenannten Stoffwechsel- oder Low-Carb-Diäten werden die Kohlenhydrate reduziert. Das ist sinnvoll. Denn jedes Mal, wenn wir Zucker, Brot oder Nudeln essen, steigt der Insulinspiegel an, um den Blutzucker zu regulieren. Weil Insulin ein stoffwechselaktives Hormon ist, sorgt eine übermässige Kohlenhydratzufuhr zu einer Gewichtszunahme. Vor allem Zuckerbomben wie Süssgetränke, Fruchtsäfte oder Süssigkeiten haben, wenn sie regelmässig eingenommen werden, einen negativen Einfluss aufs Gewicht.

Low Carb Diät: Das Kreuz mit den Kohlenhydraten

Kohlenhydratarme Diäten versprechen einen einfachen und gesunden Weg zur Bikini-Figur. Wenig Kohlenhydrate – dafür  viel Gemüse, Milchprodukte, Fisch und Fleisch. Wie  funktioniert Low Carb Diät?

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Kommt mit dieser Diät auch die Verbrennung besser in Schwung?

Nein, das funktioniert nur über mehr Muskulatur und mehr Bewegung, mindestens drei- bis fünfmal pro Woche Sport. Es gibt keine schlank machenden Nahrungsmittel wie etwa die fettverbrennende Ananas oder Gurken mit Negativkalorien, das ist Blödsinn.

So klappt das Abnehmen mit Sport

Bewegung hilft beim Abnehmen. Aber wie viel davon ist nötig und welche Sportarten eignen sich besonders?

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Als Wundermittel gelten Darmbakterien, laut neusten Erkenntnissen beeinflussen sie das Gewicht enorm.

Natürlich ist nicht nur wichtig, was und wie viel wir essen, sondern auch was damit im Körperinnern geschieht. Billionen von Mikroorganismen bestimmen mit, wie welche Nährstoffe aus der Nahrung aufgenommen werden. Es gibt bestimmte Darmflora-Milieus, die eher zu Übergewicht führen. Die Forschung dazu steckt noch in den Kinderschuhen. So viel ist aber sicher: Es wird nicht so schnell ein Pülverchen geben, das schlank macht. Unser Darm beeinflusst die ganze Gesundheit. Darum ist es gut, ihm Sorge zu tragen – mit frischer und vielfältiger Kost. Gemüse, Früchte und Ballaststoffe sind wichtig. Fertigprodukte beeinflussen das Mikrobiom negativ.

Gibt es denn ein Erfolgsrezept zum Abnehmen?


Leider ist kein Wundermittel in Sicht. Wer abnehmen will, kommt nicht drum herum, sich täglich mit dem eigenen Lebensstil auseinanderzusetzen. Was funktioniert, sind zwei oder drei Hauptmahlzeiten, dazwischen sollte man nichts essen. Beim Intervallfasten werden die Essenspausen bewusst verlängert. Das hat den Vorteil, dass weniger Insulin ausgeschüttet wird. Wichtig ist eine geregelte Essstruktur. Einmal festgelegt, sollte man sich jeden Tag daran halten. Was viele unterschätzen, sind energiereiche Getränke wie Fruchtsäfte, Milchgetränke und Alkohol. Sie liefern viele Kalorien mit wenig Sättigungseffekt.

Was ist «Planetary Health Diet»?

Sie ist gesund, hält schlank und hilft nebenbei noch den Klimawandel zu stoppen. Die Rede ist von der «Planetary Health Diet». Eine Ernährungsweise, die die Welt rettet.

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Wie sieht denn die ideale Diät aus?


Ich empfehle, keine Diät zu machen. Meist ist das eine Ernährungsform, die man ein paar Tage oder Wochen durchzieht und dann wieder damit aufhört. Nach dem Rückfall in die alten Essgewohnheiten nimmt man wieder zu und bleibt im Jo-Jo-Effekt gefangen. Der Körper senkt durch das dauernde Zu- und Abnehmen seinen Grundumsatz, und man legt immer mehr Gewicht zu.

Sie sind Ernährungspsychologin – welche Rolle spielen Emotionen beim Essen?


Eine wichtige. Es gibt viele Gründe zu essen, und oft ist es nicht der Hunger, der uns zum Kühlschrank treibt. Man kann mit gutem Essen eine unangenehme Situation überbrücken, so wie es andere mit Rauchen oder einem Glas Wein tun. Es geht um eine Art orale Befriedigung, welche Glücksgefühle auslöst. Wenn man darauf verzichtet, kommt plötzlich an die Oberfläche, was man sonst vermeidet. Oft sind es unangenehme Gefühle wie Einsamkeit, Stress oder Frust. Als emotionaler Esser muss man lernen, solche Gefühle auszuhalten oder alternative Strategien zur Gefühlsregulierung zu finden. Abnehmen hat demnach nicht nur mit der Waage, sondern auch mit dem Innenleben zu tun.

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Frau auf Waage am abnehmen
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Frauen haben weniger oft Übergewicht als Männer. Warum?


Weil der Leidensdruck bei Frauen grösser ist. Das ist ein typisches Genderthema, denn Frauen werden noch immer stärker über ihre Attraktivität definiert. Männer haben dafür mehr Druck, wenn es um Beruf und Erfolg geht. Doch das Aussehen wird auch bei der jüngeren Generation immer wichtiger, zum Erfolg gehört auch ein durchtrainierter Körper. Persönlich finde ich es besser, wenn weder Frauen noch Männer einem normierten Ideal nachspringen. Jemand, der etwas fülliger, dafür unverkrampft ist, wirkt doch viel attraktiver.

Was machen Menschen, die abnehmen wollen, Ihrer Meinung nach falsch?

Wer sich zwingt, zum Zmittag einen Salat zu essen, obwohl er lieber Spaghetti hätte, tut sich weder einen gesundheitlichen Gefallen, noch führt es langfristig zu einer Gewichtsreduktion. Studien haben gezeigt, dass der Verzicht später kompensiert wird und man insgesamt mehr isst. Wer nur noch ans Essen denkt, wird dadurch nicht automatisch schlanker. Es ist auch wichtig, auf sein Körpergefühl zu hören.

Hat das mit intuitiver Ernährung zu tun?


Ja, die eigenen Körpersignale wahrzunehmen, hat mit Achtsamkeit zu tun. Es geht darum, wieder zu lernen, wann man wirklich Hunger hat und wann man satt ist. Das ist etwas, das kleine Kinder noch ganz natürlich können. Später verlernen wir das ein Stück weit, weil man sich gesellschaftlich anpasst. Intuitives Essen hat aber nichts mit impulsivem Essen zu tun, also nach Lust und Laune reinzuhauen. Achtsames Essen muss man trainieren und täglich praktizieren. Genauso wie Meditation, Yoga oder Joggen.

Jsabella Zädow persönlich

Jsabella Zädow ist Gründerin und Inhaberin des Kompetenzzentrums für Ernährungspsychologie. Die leidenschaftliche Hobbyköchin möchte aufzeigen, dass sich gesunde Lebensweise und Genuss nicht ausschliessen müssen. Mit ihrer Weiterbildung in körperzentrierter Psychotherapie hat sie sich auf die Behandlung von Übergewicht und Essstörungen spezialisiert. Bei einer Überweisung durch den Arzt werden die Kosten für die Beratung von der Krankenkasse übernommen.

Jsabella Zädow ist Gründerin und Inhaberin des Kompetenzzentrums für Ernährungspsychologie. Die leidenschaftliche Hobbyköchin möchte aufzeigen, dass sich gesunde Lebensweise und Genuss nicht ausschliessen müssen. Mit ihrer Weiterbildung in körperzentrierter Psychotherapie hat sie sich auf die Behandlung von Übergewicht und Essstörungen spezialisiert. Bei einer Überweisung durch den Arzt werden die Kosten für die Beratung von der Krankenkasse übernommen.

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