Fit oder fett
Wie uns Zucker das Leben schwer macht

Offenbar genügt eine durchschnittliche Dosis Zucker, um sich in wenigen Wochen die Gesundheit zu ruinieren.
Publiziert: 30.03.2017 um 17:17 Uhr
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Aktualisiert: 30.11.2020 um 22:33 Uhr
Werner Vontobel

So viel braucht es gar nicht: Eine Dose Limo, zwei Schokoriegel, 200 Gramm Fruchtjoghurt, 50 Gramm Cornflakes und drei Tassen Kaffee mit Zucker, und schon sind wir auf 160 Gramm Zucker angelangt und haben noch kaum die Hälfte unseres Kalorienbedarfs gedeckt.

160 Gramm Zucker pro Tag sind das, was ein australischer Jugendlicher laut Statistik zu sich nimmt, und an diese Menge hat sich auch Damon Gameau bei seinem 60-tägigen Selbstversuch gehalten. Er hatte zuvor jahrelang gar keine zuckerhaltigen Lebensmittel gegessen und mit mässig Sport und täglich 2300 Kalorien sein Gewicht gehalten. An diesen Lebensgewohnheiten änderte er – bis auf die 160 Gramm «versteckte» Zucker – nichts.

WHO empfiehlt 25 Gramm - pro Tag

Extrem ist das nicht. Zwar empfiehlt die Weltgesundheitsbehörde WHO, den Zuckerverbrauch auf 25 Gramm täglich zu geschränken, doch die Realität sieht anders aus. Gemäss Gastromed verbraucht der durchschnittliche Schweizer pro Jahr 52 Kilo Zucker. Das sind sogar in einem Schaltjahr 142 Gramm pro Tag. Über den Daumen gepeilt kann man also davon ausgehen, dass mindestens jeder dritte Erwachsene Schweizer die von Gameau getesteten 160 Gramm übertrifft.

Der durchschnittliche Schweizer verbraucht pro Jahr 52 Kilo Zucker.

Dieser ganz normale Wahnsinn hatte Folgen: Schon nach 12 Tagen hat Gameau 3 Kilo zugenommen, nach 60 Tagen waren es 8,5 Kilo und 11 Zentimeter mehr Bauchumfang. Gameau hatte eine Fettleber, litt unter Bluthochdruck und Diabetes 2 im Frühstadium und die Ärzte.

Sind diese Ergebnisse allgemeingültig? Nein, meint Isabelle Keller, Ernährungswissenschaftlerin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Dies sei bloss ein Einzelfall und keine wissenschaftliche Studie. Doch das heisst auch, dass es in anderen Einzelfällen noch schlimmer heraus kommen könnte. Dafür dass Gameau Fall nicht untypisch ist, spricht auch die Tatsache, dass Blutdrucksenker und Statine (gegen einen zu hohen Cholesterin-Spiegel zu den meistverschriebenen Medikamenten gehören. Inzwischen leben und leiden fast die meisten Menschen über 40 wie Gameau in der neunten Woche, doch sie haben sich daran gewöhnt.

Heisshunger nach einer Stunde

Gameaus Selbstversuch ist nicht ganz neu und auch nicht das einzige Experiment dieser Art. Berühmt wurde etwa auch Super Size Me (30 Tage nur Fastfood). Eindrücklich sind vor allem Gameaus Schilderungen seiner Befindlichkeit: Nach einer Stunde setzte immer wieder der Heisshunger ein, seine Wahrnehmung wurde unscharf, er war oft müde und lustlos. Der Entzug nach 60 Tagen sei reinste Folter gewesen. Kopf- und Bauchschmerzen. Er habe es nur durchgehalten, weil er sich noch daran erinnern konnte, um wie viel besser seine Lebensqualität in der Vor-Zuckerzeit gewesen sei.

Hormone haben einen Einfluss

Doch warum hat Gameau bei gleich viel Kalorien und gleich viel Sport 8,5 Kilo zugenommen? Heisst das nicht, dass er heimlich doch mehr gegessen hat? Kann sein. Schliesslich wurde sein Experiment nicht wissenschaftlich begleitet. Doch mit hoher Wahrscheinlichkeit liegt es daran, dass die Ernährung unseren Hormonhaushalt ganz schön durcheinander bringt. Unser Gewicht hängt nicht (nur) von den zuführten Kalorien, sondern von den Hormonen ab. Diese bestimmen, ob Kalorien als Fett gespeichert oder als Energie verbrannt werden.

Und das Hungergefühl hängt nicht nur von den Kalorien, sondern auch von den Nährstoffen ab. Bekommt der Körper zu wenig davon (Vitamine, Mineralstoffe etc.), aktiviert er das Hungerhormon Ghrelin und verlangt nach mehr Nahrung, in der Hoffnung, dass da etwas Brauchbares dabei sei. Beim Zucker ist nichts dabei – also Hungerrrr!!

Das alles, ist wie gesagt nicht neu: Aber weil wir uns inzwischen so sehr an den Zucker gewöhnt haben, sollten wir Herrn Gameau dankbar sein, dass er uns mit seinen spektakulären Selbstversuch wieder daran erinnert, dass ein besseres Leben möglich ist. Klinische Versuche sind da weit weniger hilfreich.

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