Seit Juli bei uns zugelassen
Neue Abnehmspritze zeigt beeindruckende Wirksamkeit

Tirzepatid, bekannt als Mounjaro, revolutioniert die Gewichtsabnahme. Man kann damit mehr als ein Viertel seines Körpergewichts verlieren. Die hohen Kosten und die allfällige Notwendigkeit einer lebenslangen Einnahme werfen Fragen auf. Experte David Infanger klärt auf.
Publiziert: 21.08.2024 um 18:36 Uhr
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Aktualisiert: 22.08.2024 um 10:53 Uhr
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Jonas DreyfusService-Team

Eine neue Studie zur Wirksamkeit von Tirzepatid schreibt dem als Mounjaro bekannten Wirkstoff eine beachtlich stärkere Wirkung zu als dem bisher erhältlichen injizierbaren Wirkstoff zum Abnehmen: Semaglutid, bekannt als Wegovy respektive Ozempic.

Hergestellt wird Mounjaro vom amerikanischen Pharmaunternehmen Eli Lilly. Seit Juli 2024 ist es in der Schweiz für Nicht-Diabetiker zugelassen. Übergewichtsspezialist David Infanger (59) beantwortet die fünf drängendsten Fragen zum Arzneimittel, das für Patienten neben hohen Kosten weitere Herausforderungen mit sich bringt.

Wie gut wirkt Tirzepatid?

Gemäss aktueller Studienlage nehmen rund ein Drittel der Patienten, die sich Tirzepatid spritzen, mehr als 25 Prozent ihres ursprünglichen Körpergewichtes ab. Die Behandlung könne eine hundert Kilogramm schwere, krankhaft übergewichtige Person also auf ein Körpergewicht unter 75 Kilo bringen, sagt Infanger. Das ist vergleichbar mit dem Effekt eines Magenbypass, mit dem im Durchschnitt eine Gewichtsreduktion von 25 bis 40 Prozent erreicht werden kann.

Eine Frau injiziert sich Semaglutid. Das neuere Abnehmpräparat Tirzepatid ist offenbar noch wirksamer.
Foto: Getty Images
In den USA wird Tirzepatid, das zum Abnehmen gespritzt wird, unter dem Medikamentennamen Zepbound vermarktet. In der Schweiz trägt es denselben Namen wie die amerikanische Version für Diabetiker: Mounjaro.
Foto: keystone-sda.ch

Wie gut wirkt der Wirkstoff im Vergleich?

Gemäss einer viel beachteten Vergleichstudie, deren Ergebnisse im Juli 2024 veröffentlicht wurden, wirkt der Wirkstoff Semaglutid, enthalten in den Medikamenten Wegovy (für Übergewichtige) und Ozempic (für Diabetiker), schwächer als der Wirkstoff Tirzepatid. Rund 30 Prozent der Patienten nehmen mit Semaglutid rund 20 Prozent des ursprünglichen Körpergewichtes ab. Mit Tirzepatid sind es fast doppelt so viele. Auch bei den Durchschnittswerten hat Tirzepatid die Nase vorn.

Warum ist Tirzepatid so potent?

Sowohl Tirzepatid als auch Semaglutid ahmen das sättigende Hormon GLP-1 des Verdauungstraktes nach. Dieses verzögern die Magenentleerung und die Darmbeweglichkeit, was zu einem verminderten Hungergefühl und besserer Sättigung führt. Patienten essen mengenmässig weniger und weniger häufig und verlieren deshalb Gewicht. Das Spezielle an Tirzepatid: Es ahmt neben GLP-1 ein weiteres Hormon nach, genannt GIP, das die Wirkung verstärkt. Infanger: «Der Wirkmechanismus ist bei beiden Medikamenten aber derselbe.»

Wie lange dauert die Behandlung?

Eine Behandlung mit Abnehmspritzen sollte gemäss Infanger nur im Rahmen eines Übergewichtsprogramms durchgeführt werden. Das Ziel sei, dass Patienten das Gewicht ohne Medikament konstant auf einem gesunden Level halten können. Eine Gewichtsreduktion von 25 Prozent und mehr zu halten, was mit Tirzepatid möglich ist, sei mithilfe von Bewegung und einem gesunden Essverhalten kaum möglich. Das Medikament müsste im Prinzip ein Leben lang gespritzt werden. «Beim geringeren Gewichtsverlust, den man mit Semaglutid bewirkt, ist das Halten des Gewichts ohne das Medikament zwar schwer, aber eher möglich», sagt Infanger.

Wer übernimmt die Kosten?

Mounjaro ist in der Schweiz seit 2022 zugelassen, seit Juli 2024 auch für die Behandlung von krankhaftem Übergewicht. Es handelt sich also nicht um einen Off-Label-Gebrauch, wenn Patienten es nehmen, bezahlen müssen sie es jedoch selbst. Da aktuell keine Kassenzahlpflicht besteht, ist der Verkaufspreis nicht fixiert. Der Verkäufer – egal ob Arzt oder Apotheker – dürfe verlangen, was er wolle, sagt Infanger. Er verlange 435 Franken pro Monatspackung, was der gebräuchlichste Preis sei. Dieselbe Ration Wegovy kostet 180 Franken. Wer Mounjaro zu Wucherpreisen von bis zu 1000 Franken verkaufe, was offenbar vorkommt, bereichere sich am Leidensdruck übergewichtiger Patienten. «Das ist eine Sauerei.» Der Ab-Fabrik-Preis, den Eli Lilly im Moment für Mounjaro festlege, mache eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse eher unrealistisch, fügt Infanger an.

Er erhält 100 Mails pro Tag

Dr. med. David Infanger beschäftigt sich seit 1996 mit der Thematik Übergewicht und Übergewichtschirurgie und leitet seit 2014 das Adipositas- und Stoffwechselzentrum Zürich. Pro Tag erhält Infanger im Moment rund 100 E-Mails. Ein Grossteil davon stehen in Zusammenhang mit Semaglutid. Infanger führt Programme durch, während denen Patienten mit dem Wirkstoff behandelt und medizinisch begleitet werden. Er hat an der Universität Zürich studiert, an der Uni Bern promoviert, lebt im Kanton Schwyz, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

Dr. med. David Infanger beschäftigt sich seit 1996 mit der Thematik Übergewicht und Übergewichtschirurgie und leitet seit 2014 das Adipositas- und Stoffwechselzentrum Zürich. Pro Tag erhält Infanger im Moment rund 100 E-Mails. Ein Grossteil davon stehen in Zusammenhang mit Semaglutid. Infanger führt Programme durch, während denen Patienten mit dem Wirkstoff behandelt und medizinisch begleitet werden. Er hat an der Universität Zürich studiert, an der Uni Bern promoviert, lebt im Kanton Schwyz, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

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Was spricht für eine Abgabe?

Übergewicht sei eine hochkomplexe, chronische und unheilbare Erkrankung, sagt Infanger. Egal, ob man mit oder ohne Medikamenten gegen sie ankämpft – um eine lebenslange, konservative Diät komme man nicht herum. «Sonst droht der Jo-Jo-Effekt.» Er befürwortet die Abgabe von Mounjaro – auch wenn es eine Gewichtsreduktion ermöglicht, die man ohne Medikament kaum halten kann. «Eine Lösung, mit der man die erreichte Gewichtsreduktion auch auf Dauer halten könnte, wäre, es im Rahmen eines Adipositasprogrammes in Intervallen einzusetzen.»

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