Expertin über Konflikte, Fehler und Grenzen
Meiner Partnerin geht es psychisch nicht gut – was tun?

Leidet jemand unter mentalen Problemen, kann das die Beziehung belasten. Eine Psychologin erklärt, wie Angehörige unvoreingenommen helfen können, ohne die Situation zu verschlimmern.
Publiziert: 26.04.2024 um 12:42 Uhr
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Aktualisiert: 26.04.2024 um 15:23 Uhr
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Jana GigerRedaktorin Service

Sie sind unsichtbar, vielschichtig und betreffen mehr Menschen, als viele denken. «Jede zweite Person in der Schweiz erleidet einmal im Leben eine psychische Erkrankung», sagt Psychologin Dalit Jäckel-Lang (39). Sie leitet das Programm «ensa – Erste-Hilfe-Kurse für psychische Gesundheit», das von der Stiftung Pro Mente Sana mit Unterstützung der Beisheim-Stiftung lanciert wurde. Hier erklärt sie, wie Angehörige richtig damit umgehen, wenn die Partnerin oder der Partner mit psychischen Problemen kämpft. Und wie man verhindert, dass die Beziehung zerbricht.

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Wie merke ich, dass meine Partnerin oder mein Partner mental leidet?

«Bei psychisch belasteten Menschen ändern sich drei Dinge», sagt Jäckel-Lang. Die Gedanken, die Gefühle und das Verhalten. Änderungen im Verhalten, wie etwa Antriebslosigkeit, sozialer Rückzug oder Vernachlässigung der Körperhygiene, seien deutliche Anzeichen dafür, dass es jemandem nicht gut gehe. Die Expertin sagt: «Oft merken Angehörige, dass etwas nicht stimmt, aber sie bringen es nicht mit der psychischen Gesundheit des Gegenübers in Verbindung.» In einer Beziehung könnten daraus Konflikte entstehen. Angehörige sind zum Beispiel verärgert, wenn das Gegenüber nicht mehr mithilft im Haushalt oder nur noch selten das Haus verlässt. Der erste Schritt sei zu verstehen, dass hinter einer Verhaltensänderung, die längere Zeit andauere, eine psychische Belastung oder sogar eine psychische Erkrankung stecken könne. 

Es kann zu Streit führen, wenn Angehörige nicht nachvollziehen können, warum der Partner ständig niedergeschlagen ist.
Foto: Getty Images
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Wie unterstütze ich die Person, ohne sie unter Druck zu setzen?

Die Expertin sagt: «Indem man ihr unvoreingenommen zur Seite zu steht und signalisiert, dass man offen ist für ein Gespräch, sobald sie dafür bereit ist.» Ein psychisch erkrankter Mensch dürfe selbst entscheiden, ob und wie er sich helfen lassen wolle. Das müssten Nahestehende akzeptieren. Ausserdem sei es wichtig, sagt Jäckel-Lang, auf die Bedürfnisse der Partnerin oder des Partners einzugehen und nicht zu denken, dass man als Angehöriger besser wisse, was das Gegenüber brauche. Das beinhalte auch, schwierige Dinge in Ich-Botschaften anzusprechen. Zum Beispiel sagen: «Ich habe beobachtet, dass in letzter Zeit oft die Wäsche liegenbleibt», und nicht: «Du bist so unzuverlässig und machst nichts mehr im Haushalt».

Es gibt gewisse Sätze, die im Umgang mit einer psychisch erkrankten Person nicht förderlich sind.
Foto: Getty Images
Hilfe anzubieten sei immer besser, als gar nichts zu machen, sagt Psychologin Dalit Jäckel-Lang.
Foto: zVg
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Wo sind die Grenzen der Fürsorglichkeit?

«Sobald Angehörige in die Rolle eines Therapeuten verfallen oder beginnen, die psychisch erkrankte Person zu bevormunden», werde eine Grenze überschritten, sagt Jäckel-Lang. Das schade der Beziehung. Stattdessen sei es wichtig, in der Rolle der Partnerin oder des Partners zu bleiben und nicht überfürsorglich zu sein. Eine weitere Grenze ist gemäss Expertin erreicht, wenn Angehörige die Situation nicht mehr alleine stemmen können. «Eine psychisch erkrankte Person zu unterstützen, kann erschöpfend und frustrierend sein», sagt sie und legt Angehörigen ans Herz, die eigenen Bedürfnisse nicht zu vernachlässigen.

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Kann ich als Angehöriger etwas falsch machen?

Nein, grundsätzlich nicht, sagt Jäckel-Lang. «Es ist immer besser, etwas zu tun, anstatt aus Angst vor Fehlern untätig zu bleiben.» Allerdings sei es kontraproduktiv, die Probleme zu verharmlosen oder die Gefühle der Partnerin oder des Partners herunterzuspielen und zu sagen: «Sei doch etwas fröhlicher» oder «Reiss dich endlich zusammen». Für psychisch gesunde Menschen kann es schwierig sein, nachzuvollziehen, dass das Gegenüber ständig niedergeschlagen ist oder Mühe hat, morgens aus dem Bett zu kommen. Die Expertin sagt: «Angehörige müssen verstehen, dass eine psychische Erkrankung wie eine körperliche Krankheit professionelle Hilfe erfordert.» Es gibt viele Beratungsangebote, die Nahestehende bei Fragen oder Unsicherheiten unterstützen.

Anlaufstellen für Angehörige
  • Pro Mente Sana bietet kostenlose Beratungen zu psychosozialen und juristischen Fragen für Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung, deren Angehörige und weitere Bezugspersonen an. Die Fragen können telefonisch oder als Textnachricht über das e-Beratungstool gestellt werden.
  • Stand by You ist die Organisation der Angehörigen und Vertrauten von Menschen mit einer psychischen Erkrankung.
  • «Wie geht’s dir?» liefert Gesprächstipps für verschiedene Situationen.
  • Das Institut Kinderseele Schweiz berät Kinder von Eltern mit einer psychischen Belastung.
  • Pro Mente Sana bietet kostenlose Beratungen zu psychosozialen und juristischen Fragen für Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung, deren Angehörige und weitere Bezugspersonen an. Die Fragen können telefonisch oder als Textnachricht über das e-Beratungstool gestellt werden.
  • Stand by You ist die Organisation der Angehörigen und Vertrauten von Menschen mit einer psychischen Erkrankung.
  • «Wie geht’s dir?» liefert Gesprächstipps für verschiedene Situationen.
  • Das Institut Kinderseele Schweiz berät Kinder von Eltern mit einer psychischen Belastung.
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