Spezialist erklärt
Das kannst du konkret gegen Stress tun

Stress sei ein subjektives Gefühl, schreibt der deutsche Psychiater Andreas Hillert (62) in seinem Ratgeber «Stress positiv nutzen». Er weiss, was die Hauptgründe dafür sind, dass wir uns belastet fühlen. Und kennt Möglichkeiten, wie wir das verhindern können.
Publiziert: 18.04.2023 um 14:36 Uhr
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Aktualisiert: 24.04.2023 um 11:53 Uhr
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Jana GigerRedaktorin Service

Nie zufrieden sein

Ausgangslage: Wenn man seine guten Leistungen nicht also solche würdigen kann, löst das Stress aus. Das führe dazu, dass man scheitere, sagt Hillert. «Die Grundanspannung ist irgendwann so gross, dass sie dem im Wege steht, was man leisten könnte.»

Das kann man tun: Um die Ansprüche an sich zurückzuschrauben, sei es wichtig, klare Ziele vor Augen zu haben, sagt Hillert. Wenn man zum Beispiel weniger Überstunden machen will, sollte man eine Uhrzeit definieren, zu der man das Büro verlässt. Die freie Zeit sollte man nicht mit einem schlechten Gewissen, sondern mit Sport oder einem Treffen mit Freunden füllen. Das verursache zunächst mehr Stress, da sich die eigenen Muster ein Leben lang eingeprägt hätten, sagt Hillert. «Längerfristig lässt der Stress aber nach.»

Sich vor Fehlern fürchten

Ausgangslage: Wer unbedingt Fehler vermeiden will, um sich nicht zu blamieren, ist schnell gestresst. Das Paradoxe daran gemäss Hillert: «Das Bedürfnis, Fehler vermeiden zu wollen, erhöht die Anspannung hinsichtlich einer Aufgabe derart, dass das Fehlerrisiko steigt.»

Diese Frau ist nicht nur gestresst. Sie ist gestreeeeeeeeesst! Müsste eigentlich nicht sein, wenn sie sich ein paar Fragen stellen würde.
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Niemand möchte von anderen ausgeschlossen werden. Aber wenn man sich zu sehr verausgabt, um beliebt zu sein, kann das Stress auslösen.
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Das kann man tun: Einen angemessenen Umgang mit den eigenen Fehlern zu finden, sei wichtig, sag Hiller. Dazu sollte man sich Fragen stellen wie «Was haben Fehler mit meinem Selbstwert zu tun?» oder «Wie reagiere ich, wenn ich von anderen auf Fehler angesprochen werde?». Zu realisieren, wie man mit solchen Situationen umgehe, helfe, sagt Hillert. «Um lockerer mit Fehlern umzugehen, muss man Unsicherheiten und Anspannungen aushalten.»

Um Beliebtheit buhlen

Ausgangslage: Um beliebt und anerkannt zu sein, tun manche Menschen laut Hillert Dinge, die eigentlich nicht vertretbar sind. Etwa dauernd die Arbeit für den Kollegen übernehmen, um von ihm gemocht zu werden. «Das reduziert kurzfristig den inneren Druck, überfordert einen aber langfristig.»

Das kann man tun: Gemäss Hillert ist es unumgänglich, bewusst Grenzen zu setzen. Das heisse, dass man nicht mehr ständig für den Kollegen einspringe, sondern sich zurücknehme und beobachte, wie er reagiert. «Wenn er sich tatsächlich etwas kühler verhält, muss man das aushalten», sagt Hillert. Die Zeit, die man nicht mehr für den Kollegen aufwende, könne man nutzen, um eigenen Aufgaben zu erledigen.

Die Schuld immer auf sich nehmen

Ausgangslage: Gibt man sich immer selbst die Schuld, sobald etwas schiefgelaufen ist, führt das zu Stress. Freiwillig die Rolle des Sündenbocks zu übernehmen, komme in der Gruppe meist positiv an, sagt Hillert. «Dem eigenen Selbstwert tut es allerdings weniger gut.»

Um Hilfe zu bitten, fällt nicht allen leicht. Manche Menschen haben Angst, anderen damit zur Last zu fallen.
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Das kann man tun: Hillert empfiehlt, sich an die letzte Situation zu erinnern, in der man sich für einen Misserfolg verantwortlich gemacht hat. Und sich Fragen zu stellen wie: Habe ich die Schuld aus Bescheidenheit auf mich genommen? Wie viel Mitschuld hatte ich überhaupt im Vergleich zu meinen Kollegen? Aus den Antworten ergebe sich oft, dass es keine rationale Einschätzung der Situation war, die einen in die Sündenbock-Rolle geführt habe.

Alles alleine machen

Ausgangslage: Wenn man andere nicht um Hilfe bittet aus Angst, ihnen zur Last zu fallen oder als dumm dazustehen, quält man sich unnötig. Hillert: «Das verhindert längerfristig auch, dass jemand von sich aus Hilfe anbietet.»

Das kann man tun: Hillert empfiehlt, die betreffenden Menschen zu fragen, wie sie einen wahrnehmen und ob es sie tatsächlich belastet, wenn man sie um Hilfe bittet. «Meistens nehmen das andere viel entspannter wahr, als man selbst.»

Der Stress-Spezialist

Andreas Hillert (62) ist Chefarzt der medizinisch-psychosomatischen «Schön Klinik Roseneck» in Prien am Chiemsee (D) und Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie sowie psychosomatische Medizin. Er erforscht den Zusammenhang zwischen beruflicher Belastung und psychischer Erkrankung und hat bereits mehrere Bücher über Burnout, Stress und Depressionen geschrieben. Daneben gibt er Seminare zur Stressreduktion für Lehrkräfte, Mitarbeiter aus dem Gesundheitssystem oder angehende Opernsänger.

Carolin Jacklin

Andreas Hillert (62) ist Chefarzt der medizinisch-psychosomatischen «Schön Klinik Roseneck» in Prien am Chiemsee (D) und Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie sowie psychosomatische Medizin. Er erforscht den Zusammenhang zwischen beruflicher Belastung und psychischer Erkrankung und hat bereits mehrere Bücher über Burnout, Stress und Depressionen geschrieben. Daneben gibt er Seminare zur Stressreduktion für Lehrkräfte, Mitarbeiter aus dem Gesundheitssystem oder angehende Opernsänger.

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