Von Gereiztheit bis hin zur Depression
So schädlich ist Dauerstress für den Körper

Die Steinzeitmenschen reagierten gleich wie wir heute: Stress löst nach wie vor einen lebenswichtigen Vorgang im Menschen aus, der dazu beiträgt, dass er sich bei Gefahr verteidigen kann.
Publiziert: 11.03.2021 um 17:28 Uhr
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Aktualisiert: 04.05.2021 um 16:25 Uhr
Susanne Wagner «Beobachter»

Ob ein wildes Tier unser Leben gefährdet oder eine Überforderung am Arbeitsplatz uns bedroht – die Reaktion des Körpers darauf ist dieselbe: Er stellt im Bruchteil einer Sekunde Energie bereit, um sich optimal vorzubereiten auf Kampf oder Flucht («fight or flight»). Dies läuft ohne bewusste Steuerung ab. Unser Körper greift auf einen tief in uns verankerten evolutionären Mechanismus zurück, der reflexartig abläuft.

Über die Sinnesorgane gelangen die Informationen über Stressfaktoren (Stressoren) in das Grosshirn und das limbische System. Mit Hilfe von Botenstoffen werden die Informationen den weiteren Organen übermittelt. Auf der Achse Hypothalamus/Hypophyse/Nebennierenrinde erfolgt ein komplexer Vorgang, der dazu führt, dass der Körper die Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol ausschüttet.

Das Denken macht Pause

Diese Hormone versetzen dem Körper einen Energieschub: Die Atemfrequenz erhöht sich, Herz und Kreislauf werden belastet, der Blutdruck steigt, und die Sauerstoffzufuhr wird erhöht. Es wird mehr Blut in die Muskeln gelenkt, die Muskeln spannen sich an, und dem Körper stehen für die Flucht oder den Kampf genug Sauerstoff und Energie zur Verfügung. Zudem wird das Immunsystem stärker aktiviert, was die Abwehrkraft – etwa gegen Entzündungsprozesse – kurzfristig steigert.

Überforderung am Arbeitsplatz ist nur eines der vielen Dinge, das unseren Körper in eine Stresssituation versetzen kann.
Foto: Getty Images
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Gleichzeitig unterdrückt der Körper die Funktionen, die er nicht unmittelbar benötigt: Zwar ist die Konzentration erhöht, aber die Wahrnehmung ist eingeschränkt und auf die Stresssituation fokussiert, das objektive Urteilsvermögen leidet, eine Denkblockade setzt ein. Im Angesicht grosser Gefahr ist die Verdauung unwichtig, deshalb reduziert sich die Magenaktivität, während sich die Darmtätigkeit erhöht.

Lange Stresssituationen sind eine Belastung

Ist die Stresssituation vorbei, verringert sich die Freisetzung von Adrenalin und Noradrenalin. Der Körper kehrt in den Ruhezustand zurück. Wie lange dies dauert, hängt von der Menge und Dauer des Stresses ab. Als Folge lockern sich die Muskeln, das Herz schlägt ruhiger, der Blutdruck sinkt, und die Atmung wird langsamer. Diese Entspannung ist ebenfalls überlebenswichtig, weil dabei wieder Energie gewonnen wird.

Der Körper versetzt sich bei Stress für kurze Zeit in Alarmbereitschaft. Bei unseren Vorfahren folgte nach einer Flucht oder einem Kampf auch wieder für einige Zeit Ruhe, sofern sie die Situation überlebten. Wenn körperliche Stressreaktionen jedoch über längere Zeit andauern, verkehren sich die ursprünglich selbsterhaltenden Aktivitäten ins Gegenteil.

Von Gereiztheit bis hin zur Depression

Häufige Stressreize führen zu einer Verkürzung der Erholungsphase und heben deren Wirkung schliesslich auf, was zum krank machenden Dauerstress führt. Mögliche Folgen: Gereiztheit, Nervosität, Konzentrationsschwierigkeiten, Abnahme der Leistungsfähigkeit, Schlafstörungen, Erschöpfung, Tinnitus, Verdauungsprobleme, Müdigkeit, chronische Kopfschmerzen.

Die Situation kann auch so belastend sein, dass emotionale Störungen wie Depressionen, Angst oder ein Burn-out die Folge sein können. Dauerstress schwächt das Immunsystem, was den Körper anfälliger für Infektionskrankheiten, Erkältungen und Herpes macht. Wenn eine genetische Veranlagung zur Entwicklung einer Krankheit wie etwa Bluthochdruck besteht, kann Stress das Risiko vergrössern, daran zu erkranken. Wie Studien zeigen, mindert akuter Stress zudem die Gedächtnisleistung. Bleibt das Gehirn für längere Zeit im Zustand der Übererregung, kann es sogar zu einem Verlust von Gehirngewebe kommen.

Beobachter
Artikel aus dem «Beobachter»

Dieser Artikel wurde aus dem Magazin «Beobachter» übernommen. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.beobachter.ch

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