Herzversagen nach Chemotherapie
Carina Bürgisser (16) bekam mit elf Jahren ein Spenderherz

Der nationale Organspendetag am 7. September soll die Bevölkerung für Transplantationen sensibilisieren. Denn jedes Jahr sterben in der Schweiz etwa 100 Menschen, weil sie kein Spendeorgan erhalten. Carina (16) hatte Glück.
Publiziert: 07.09.2019 um 19:42 Uhr
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Aktualisiert: 05.09.2020 um 11:58 Uhr
Ihr Spenderherz erhielt die damals Elfjährige in letzter Minute. Vor der Organtransplantation versuchte man erfolglos, Carina ein künstliches Herz einzusetzen.
Foto: zVg
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Anne Grimshaw

Carina Bürgisser (16) aus Oberägeri ZG ist ein ganz normaler Teenager. Sie besucht die zweite Oberstufe, ist gesprächig und trifft gerne Freunde. Dass sie das alles erleben darf, ist aber keine Selbstverständlichkeit. Carina verdankt ihr Leben einem Spenderherz, das ihr vor fünf Jahren eingesetzt wurde.

1400 Leute warten in der Schweiz auf ein Organ. Davon sind zwei bis drei Prozent Kinder unter 16 Jahren. Jede Woche sterben laut Swisstransplant im Schnitt zwei Personen, weil kein passendes Organ für sie gefunden wird. Am 7. September veranstaltet Swisstransplant darum den nationalen Organspendetag, an dem die Bevölkerung für Transplantationen sensibilisiert werden soll.

Zerstörtes Herz nach Chemotherapie

Carina Bürgisser erhielt ihr Spenderherz im Alter von elf Jahren. Davor steht eine jahrelange Krankheitsgeschichte. Als Carina in der ersten Klasse war, entdecken ihre Eltern in den Ferien eine Beule an ihrem Bein. «Wir vermuteten zunächst noch nichts Schlimmes», erzählt Mutter Beatrice Bürgisser im Gespräch mit BLICK. Als die Beule aber nicht weggeht, folgt nach einem Arztbesuch die traurige Gewissheit: Carina leidet an einer seltenen Art von Knochenkrebs. Die Primarschülerin erhält ein künstliches Schienbein, eine Knochenmarktransplantation und muss mit einer Chemotherapie behandelt werden.

Chemotherapien können in seltenen Fällen Herzprobleme auslösen. Einer von 1000 Patienten ist davon betroffen. So auch Carina. Nur eine Woche nach der «Welcome Home»-Party, die ihre Familie nach Abschluss der Chemo für sie organisiert hat, bekommt Carina Herzflimmern. «Ich hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu kriegen, wenn ich mich hinlegte», erzählt sie rückblickend. Die Primarschülerin wird sofort ins Spital eingeliefert. Dort versagen ihre Organe.

Rettung in letzter Sekunde

Schnell wird klar: Carinas Herz schafft das nicht mehr. Ein Jahr nach Chemo-Abschluss nimmt man sie daher auf die Warteliste für Spenderherzen. Doch die Liste ist lange, darum versucht man es mit einem künstlichen Herz. Carina erhält als erstes Kind der Schweiz zwei künstliche Herzhälften.

Ein weiteres Mal denkt Carinas Familie, dass jetzt alles gut kommt. Und wieder macht Carinas Körper ihr einen Strich durch die Rechnung: Kaum darf sie mit ihrem künstlichen Herz nach Hause, geht es ihr wieder schlechter. Sie kommt wieder ins Spital und wieder versagen ihre Organe. Carina ist extrem schwach. Mit knapp elf Jahren ist das Mädchen nur noch achtzehn Kilogramm schwer. Sie braucht dringend ein Spenderherz.

«An einem Samstag sprachen die Ärzte mit mir darüber, Carina von der Transplantationsliste zu nehmen. Es war nicht klar, ob sie die Operation überleben würde», erzählt ihre Mutter. Als sie dann im Spital in ein Zimmer gebeten wird, befürchtet sie das Schlimmste: «Um mich herum standen zehn Ärzte. Ich rechnete damit, dass keine Transplantation mehr möglich ist». Doch die Ärzte glaubten an Carinas Kampfgeist und führten die Transplantation durch. Während acht Stunden wird in Carinas Brustkorb ein Spenderherz eingesetzt. Dort schlägt es bis heute.

«Angehörige wissen nicht, was der Verstorbene wollte»

Die Zahl der Organtransplantationen ist in der Schweiz in den letzten fünf Monaten stark zurückgegangen. Anfang 2019 starben laut Swisstransplant fünf Personen, die sich auf der Warteliste befanden. In den Monaten April bis Juni waren es dreimal mehr.

Auch wenn die Anzahl an Spendern in den letzten Jahren gestiegen ist, schwankt die Zahl an tatsächlich durchgeführten Transplantationen extrem. «Grund für diese unbeständigen Zahlen ist, dass viele Verstorbene sich zu Lebzeiten nie zu ihrem Willen bezüglich einer Organspende geäussert haben», erklärt Franz Immer, Direktor von Swisstransplant. In einem solchen Fall müssen die Angehörigen entscheiden. Mehr als die Hälfte aller Angehörigen kenne den Willen der Verstorbenen aber nicht.

Der nationale Organspendetag soll Menschen dazu bewegen, sich über das Thema Gedanken zu machen und ihren persönlichen Entscheid festzuhalten. Im nationalen Organspenderegister kann jede Person ab 16 Jahren ihren Entscheid zur Organspende in wenigen Schritten online festhalten – egal ob ja oder nein.

Carina ist heute – fünf Jahre nach ihrer Transplantation – wieder munter und fidel. «Von einem normalen Teenager unterscheidet mich nichts», sagt sie. Trotz den Medikamenten, die sie ihr Leben lang nehmen muss, stehen ihr fast alle Wege offen. Erst gerade holte sie an den World Transplant Games die Bronzemedaille im Kugelstossen und im Bowling. Nach dem Schulabschluss möchte sie Optikerin werden.

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