Tag der Artenvielfalt 2023
Rettet die Insekten: Ihr Verschwinden wäre katastrophal!

Sterben die Insekten, bricht unsere Nahrungsmittelkette zusammen. Was können wir dagegen tun.
Publiziert: 22.05.2023 um 10:32 Uhr
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Aktualisiert: 22.05.2023 um 14:51 Uhr
Silvia Tschui

Die Zahlen sind bestürzend: 75 Prozent der Menge aller Insekten sind weg, im Vergleich zu 1970. 48 Prozent der Pflanzen in der Schweiz stehen auf der Roten Liste, sind also vom Aussterben bedroht.

Geht das unverändert so weiter, droht innert einiger Jahre der Kollaps unserer Nahrungsmittelkette. Davor warnen über 50 von der Nahrungsmittelindustrie unabhängige europäische Forscher. Tomaten, Auberginen, Äpfel, Kirschen, Zucchini – alles weg. Unsere Enkelkinder werden nicht mehr wissen, wie Gemüse und Obst schmecken, wenn das so weitergeht. Unsere Landwirtschaft vergiftet systematisch unsere Nahrungmittelgrund­lage und unser Trinkwasser. Es gibt keine Ausreden mehr: Wir müssen selber einschreiten. Und zwar dreifach: als Konsument, als Gärtner und als Bürger.

Wir können sehr wohl etwas tun

Wer Bio-Produkte kauft, unterstützt eine Landwirtschaft, die auf Pestizideinsatz verzichtet und so langfristig die biologischen Prozesse in unserer Umwelt erhält. Während Grossverteiler nicht alles in Bio-Qualität führen, gibt es praktische Alternativen. Die Webseite farmy.ch etwa: Das Unternehmen bietet an, diverse Bio- und Demeter-Produkte inklusive Milch, Fleisch und Eier schweizweit und in Liechtenstein direkt vor die Haustüre zu ­liefern.

60 Prozent der Insekten in der Schweiz sind gefährdet.
Foto: Getty Images
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Im Garten oder auf dem Balkon lässt sich viel bewirken

Wer einen wöchentlichen Menü­plan erstellt und die Dinge bestellt, die er wirklich braucht, reduziert nicht nur Foodwaste und fördert Insekten und Kleintiere, sondern hat am Ende der Woche erst noch mehr Geld im Portemonnaie – trotz besserer Bio-Qualität.

Man kann auch insektenfreundliche, einheimische Blumen pflanzen und Überwinterungsmöglichkeiten anbieten, ganz egal, ob auf Fenstersims, Balkon oder im Garten – jedes bisschen hilft.

Tipp 1: Weniger Ordnung!

Thuja-, Buchsbaum- oder Kirschlorbeerhecken sind eine Katastrophe für Insekten und bieten keinen Lebensraum für einheimische Arten. Viel besser ist es, eine einheimische Gehölzhecke anzulegen und darunter ein paar Wildstauden anzupflanzen, deren Stängel als Überwinterungshilfe stehen bleiben dürfen. So haben diverse Fluginsekten Nahrung und finden ein Zuhause.

Wer ein Mäuerchen zum Begrünen hat, pflanzt zusätzlich einheimisches Efeu – dieses blüht spät im Jahr. Nektar wie Pollen sind bei einer Vielzahl von Fluginsekten äusserst beliebt.

Ökologische Wüsten sind neben den erwähnten Hecken auch die beliebten englischen Rasenflächen; besser ist es, Blumenrasen anzusäen oder auf mindestens zehn Quadratmetern eine Blumenwiesenecke anzulegen. Achtung: Viele Blumenmischungen von Grossverteilern sind aus nicht einheimischen Blütenpflanzen und einjährigen Kräutern zusammengesetzt. Diese blühen zwar im ersten Jahr reichlich, danach macht sich aber Unkraut breit. Auf heimische Böden spezialisierte Mischungen, die ursprünglichen Wildblumenwiesen nahekommen, sind unter ufasamen.ch bestellbar.

Gartenbesitzer können aber noch viel mehr tun. Insbesondere um die vielen vom Aussterben bedrohten Käferarten zu fördern, gilt es, in einer Ecke einen Totholzhaufen aus Baum- und Heckenschnitt anzulegen, der über ein paar Jahre ungestört liegen bleiben kann.

Tipp 2: Stängel stehen lassen!

Es gilt dasselbe wie beim Fenstersims: Wildstauden pflanzen! Zusätzlich lassen sich auf dem Balkon Nist-und Überwinterungshilfen aufstellen: Indem man die Stängel grösserer Pflanzen stehen lässt oder solche senkrecht an der Gebäudewand fixiert, fördert man bis zu zehn einheimische Wildbienenarten. Am liebsten besiedeln sie einzeln senkrecht stehende Brombeerstängel mit einem Durchmesser von ca. 1 cm und einer Höhe von ca. 50 cm. Aber auch Sonnenblumenstängel oder Königskerzenstängel sind beliebt. Die Schweizer Webseite wildbee.ch hält Videos bereit, die zeigen, wie diese Stängel zu präparieren sind, damit Insekten sie als Niststätten erkennen. Tipp: Wer in einem grossen Topf wilden Fenchel pflanzt, kann mit etwas Glück die schönen Schwalbenschwanz-Raupen anlocken. Und wer dann noch die heimischen Flockenblumen daneben blühen lässt, bietet den vom Aussterben bedrohten Schmetterlingen gleich Nahrung.

Auf wildstauden.ch finden sich unter «Sortiments- und Speziallisten» Zusammenstellungen diverser einheimischer Pflanzen sowie Hinweise, für welche Insekten in welchem Stadium sie Nahrung bieten – inklusive Extraliste für Balkon und Terrassen. Die Webseite bietet zusätzlich einen schnellen Postversand für die Pflanzen an.

Tipp 3: Wildstauden pflanzen!

Weg mit den Geranien! Die beliebten «Granium» bieten für Insekten weder Pollen noch Nektar. Die Blüten heimischer Wildstauden sind zwar oft etwas bescheidener als hochgezüchtete, gefüllte Arten, dafür sind sie voller Futterstoffe für Hummeln, Wildbienen, Schmetterlinge und diverse Schwebfliegenarten. Eine Kultivierung dieser blühenden Wildstauden ist auch in Balkonkisten möglich. Das Wichtigste, um Fluginsekten zu helfen: Konstant etwas blühen lassen! So können in einer Blumenkiste Krokuszwiebeln oder Blausternzwiebeln unter den Wurzelballen von Wildstauden oder Küchenkräutern wie Kapuzinerkresse schlummern. Erstere gehen schon im März auf und sind ein wahres Pollenwunder, Letztere blühen bei guten Umständen bis Anfang November. Unter bluehende-landschaft.de findet sich unter dem Stichwort «Handlungsempfehlungen» ein Online-PDF mit geeigneten Balkonpflanzen und einem Verzeichnis, wann sie blühen. So ist es einfach, Insektenweiden zusammenzustellen, welche von März bis tief in den Oktober ein Nahrungsangebot darstellen.

Geheimtipp: Viele Küchenkräuter wie Schnittlauch, Thymian, Ysop, Bergbohnenkraut und Minze erfreuen unseren Gaumen genauso wie den der Insekten – sofern man die Kräuter blühen lässt.

Artenvielfalt in der Schweiz

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