Jagdinstinkt bei Vierbeinern
Was tun, wenn der Hund anderen Tieren hinterherjagt?

Vierbeiner mit hoher Jagdbereitschaft sind eine Herausforderung. Hundetrainerin Sibylle Kläusler gibt Tipps, worauf Besitzer von Vierbeinern achten müssen.
Publiziert: 12.05.2023 um 12:57 Uhr
|
Aktualisiert: 12.05.2023 um 14:06 Uhr
Sibylle Kläusler*

Das Problematische am Jagen ist die hohe Energie, die damit einhergeht. Ein Hund rennt nicht locker flockig einem Tier hinterher, sondern da ist ganz schön viel Power drin. Diese gibt dem Hund einen Kick, der den Selbstbelohnungs-Mechanismus aktiviert, und oft alle in ruhiger Atmosphäre gut funktionierenden Signale in den Schatten stellt. Deshalb funktionieren Ablenkungsmanöver und Versuche, einen bereits jagenden Hund zu stoppen, kaum.

Das Magazin für Hundefreunde

Egal ob versierter Hündeler oder ganz neu mit einem Vierbeiner unterwegs: Das «Schweizer Hunde Magazin» passt für jeden Hundefreund. Vielseitig, kompetent und kritisch berichten Fachleute über Themen rund um den Hund. Dieser Artikel stammt aus dem Hunde Magazin. Für noch mehr Spass und Freude mit Ihrem Vierbeiner!

Egal ob versierter Hündeler oder ganz neu mit einem Vierbeiner unterwegs: Das «Schweizer Hunde Magazin» passt für jeden Hundefreund. Vielseitig, kompetent und kritisch berichten Fachleute über Themen rund um den Hund. Dieser Artikel stammt aus dem Hunde Magazin. Für noch mehr Spass und Freude mit Ihrem Vierbeiner!

Mehr

Das Training: systematisch und durchdacht

Das Training muss entsprechend an der Basis beginnen, und dies so früh wie irgend möglich. Es geht um die Themen Impulskontrolle, Abbruchsignal, «Notbrems»-Rückrufsignal und hundegerechte Alternativen. Im Alltag bieten sich sehr viele Möglichkeiten an, die Impulskontrolle auf verschiedenen Schwierigkeitsstufen zu festigen. Der Blickkontakt zusammen mit einem prägnanten Markerwort bilden dabei die Basis.

Spielerisch lernen: Mit dem richtigen Training kann man den Jagdinstinkt des Hundes unter Kontrolle bringen.
Foto: Getty Images

Es ist sehr wichtig, das Markerwort immer stark positiv aufgeladen und entsprechend wertvoll zu halten. Dieses im Wert sehr hohe Wort muss achtsam und mit präzisem Timing eingesetzt werden. Ich arbeite gerne mit zwei Markerworten: Bei «Good» ist es meine Stimme, meine Aufmerksamkeit, die dem Hund positives Feedback gibt. Bei «Yes» kommt ausnahmslos ein supergutes Leckerli, und zwar sofort.

Herbst ist Jagdsaison: Nicht alle Hunde kann man dann frei im Wald laufen lassen.
Foto: Getty Images
1/6

Das Abbruchsignal und die Arbeit mit dem Markerwort sind eng miteinander verbunden. Gerade bei starken Reizen, die viel Energie beim Hund auslösen, muss er wissen, was er mit dieser alternativ anstellen soll. Das Abbruchsignal bedeutet für den Hund, mit dem, was er gerade macht, aufzuhören. Ein guter Aufbau, im Kleinen beginnend, ist die Basis. Wir können nicht aus dem Nichts heraus, ohne Training und Unterstützung, vom Hund erwarten, dass er in einem hohen Erregungslevel innehält. Jagen ist keine Unart. Jagen ist auch nicht falsch. Es gehört zur Natur der Hunde.

Jagen ist keine Unart. Jagen ist auch nicht falsch. Es gehört zur Natur der Hunde.
Foto: Getty Images

Notbremse und Motivation

Das Notbrems-Rückrufsignal ist ein Signal, das auf höchstem Motivationslevel des Hundes aufgebaut wird, nämlich im Spiel. Es ist kein normales Rückrufsignal, sondern ein emotional extrem positiv aufgeladenes Signal, mit einem gut rufbaren Wort, in das man stimmlich viel positive Energie legen kann, und das man sonst nie benutzt (es kann auch eine Hundepfeife sein, wobei da das präzise Handling wesentlich schwieriger ist). Für den Aufbau kann die Reizangel als Spielelement sinnvoll sein, denn mit ihr kann man gezielt sehr viel Energie generieren. Die Basis ist vereinfacht wie folgt:

  • Viel positive Spannung aufbauen (Hund hält sich zurück, Energie wird gestaut)

  • Das Rückrufsignal ist gleichzeitig das Freizeichen zum Spielen

  • Kurz bevor der Hund das Spielzeug packt, wird das Signal nochmals gegeben. So wird der stark positive Stimulus mit dem Signal verknüpft

  • Dann wird das Spiel in Ruhe beendet

Es sind also ganz kurze, präzise, hoch aufgeladene Spielmomente. Ganz wichtig beim Training und auch, wenn das Signal mal zum Einsatz kommt: der Hund darf nie ins Leere laufen, wenn er zurückgespurtet kommt. Es muss immer ein ausgiebiges Spiel geben. Danach sollte man in eine Richtung weitergehen, in der es wenig Gerüche und Auslösereize hat, damit der Hund wieder zur Ruhe kommen kann. Ziel ist es, dem Hund nach «hinten», das heisst zum Hundehalter hin, eine echte Alternative auf dem Energielevel, das er beim Nachjagen eines Tieres hat, zu bieten. Wir arbeiten also auf einem hohen Erregungslevel. Und deshalb kommt jetzt das Aber.

Belohnung und Motivation: Der Hund kann spielerisch trainiert werden, damit er auf das Rückruf-Signal hört.
Foto: Getty Images

Mit der Reizangel und der Arbeit in dieser Erregungsstufe ist Vorsicht geboten, denn sind Ablauf und Timing nicht präzise, kann es sehr schnell kontraproduktiv werden. Es ist nicht der Sinn, den Hund hochzuschrauben. Das tut dem Hund nicht gut und fördert genau das, was wir nicht wollen: das Jagen. Vor allem bei Junghunden kann man damit nicht vorsichtig genug sein. Der Ablauf muss genau durchdacht sein, damit es wirklich konstruktiv ist.

Vorsicht Jagdsaison

Wie das ganze Jahr über gilt es auch im Herbst, mit Respekt gegenüber der Fauna mit dem Hund unterwegs zu sein. Durch die Jagd sind die Wildtiere teils aufgeschreckt und unter Stress. Den müssen wir als Hundehalter nicht noch verstärken. Also lieber einmal mehr als zu wenig den Vierbeiner an die Leine/Longe nehmen. Beschäftigen können wir den Hund auch so. Es empfiehlt sich zudem, dem Hund eine Leuchtweste anzuziehen, vor allem bei Dämmerung. Stehen irgendwo Warnsignale «Jagd» dann sollte man dieses Gebiet meiden.

Während der Jagdsaison sollte man Hunde im Wald nicht frei laufen lassen.
Getty Images

Wie das ganze Jahr über gilt es auch im Herbst, mit Respekt gegenüber der Fauna mit dem Hund unterwegs zu sein. Durch die Jagd sind die Wildtiere teils aufgeschreckt und unter Stress. Den müssen wir als Hundehalter nicht noch verstärken. Also lieber einmal mehr als zu wenig den Vierbeiner an die Leine/Longe nehmen. Beschäftigen können wir den Hund auch so. Es empfiehlt sich zudem, dem Hund eine Leuchtweste anzuziehen, vor allem bei Dämmerung. Stehen irgendwo Warnsignale «Jagd» dann sollte man dieses Gebiet meiden.

Mehr

Ein systematisches Training mit allen Elementen, die dann auch Erfolg versprechen und dem Hund ein qualitativ ausgeglichenes Aktivitätsfeld bieten, beginnt mit der Entscheidung, es in Angriff zu nehmen, wird dann für mindestens zwei bis drei Monate sehr intensiv, und hört im Grunde nie auf. Die Lust des Hundes, zu jagen, begleitet uns ein Hundeleben lang.

In der Einschränkung Freiheiten schaffen

Die Leine oder Longe (sehr lange Leine), jeweils dem Trainingsbedürfnis und der Situation angepasst, hat mehrere Funktionen. Sie darf nicht bequemes Verhindern von Wegrennen sein. Einerseits ist die Trainingslonge eine Sicherheit für die Wildtiere, die unseren Spazierlebensraum teilen, andererseits verhindert sie, dass der Hund durch das Jagen in den Selbstbelohnungsmechanismus kommt und sich so immer höher und höher in die Erregung steigert.

Einen Hund kann man nicht immer an der Leine führen, darum ist Training wichtig.
Foto: Getty Images

Dennoch ist es nicht vertretbar, den Hund einfach ein Leben lang ohne Kompensationsaktivitäten an der Leine zu führen. Ziel ist es, dem Vierbeiner möglichst seine Freiheit zu geben. Deshalb ist die Longe immer auch mit Training verbunden. Wir müssen unserem Hund schon etwas bieten: Suchaufgaben, Futterbeuteltraining, Festigen des Blickkontakts, Bewegung in Form von Joggen, Longieren, was auch immer.

Eine Longe gehört immer an ein Führgeschirr, nicht ans Halsband, und sie ist auch nicht dazu da, abgelenkt (zum Beispiel vom Handy) das Ende zu halten, und den Hund, wenn er durchstartet, voll in die Longe laufen zu lassen. Das darf nicht passieren. Spaziergang und Training an der Longe erfordern Aufmerksamkeit und Konzentration.

«Chef-Anspruch» ist keine Lösung

Natürlich muss der Hund auch lernen, dass wir erst gar nicht wollen, dass er einem Tier hinterherjagt. Wenn wir darauf achten, diese Grenze möglichst früh im Welpenalter zu setzen und gleichzeitig Alternativen bieten, wie Nasenarbeit oder Bindungsaktivitäten, dann haben wir gute Chancen, dass der Hund gar nicht erst auf Jagdgelüste kommt. Es ist jedoch ganz wichtig, dass der Hund gelernt hat, was er machen kann, wenn er eine Katze oder ein Reh sieht und es ihn «im Füdli juckt», er sich aber zurückhält: Blickkontakt aufnehmen, sich zum Hundehalter abwenden, um eine Runde ausgelassen zu spielen, etc. Nie darf der Hund in einem Vakuum gelassen werden, sonst geht irgendwann die Energie mit ihm durch.

*Sibylle Kläusler ist Hunde- und Mentaltrainerin

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?