Man sollte es vertraglich regeln
Wer kriegt das Haustier bei einer Scheidung?

Geschiedene werden sich in Zukunft vermehrt über Haustiere streiten, prophezeit Tierrecht-Spezialist Peter V. Kunz. Blick erklärt er, wie ein Richter bei einem Prozess vorgehen würde, und womit sich Halter dieses Drama ersparen können.
Publiziert: 25.10.2023 um 20:19 Uhr
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Jonas DreyfusService-Team

Ist die Frage überhaupt von Belang?

«Ja», sagt Peter V. Kunz (58), Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Bern. Er gilt als Pionier für Tierrecht und hat jüngst das Standardwerk «Tierrecht der Schweiz» veröffentlicht. Scheidungstiere seien ein zunehmend wichtiges Thema, sagt Kunz gegenüber Blick. «Schlicht und einfach, weil es immer mehr Haustiere gibt und sehr viele Scheidungen. Und weil Halter eine immer stärkere Bindung zu ihren Haustieren haben.» Bei einer Scheidung gehe es neben dem Sorgerecht für Kinder meistens auch darum, wem welche Dinge (Auto, Grill, Hausrat etc.) gehören. «Und weil Tiere rechtlich als Sache behandelt werden, geht es in diesem Zusammenhang auch um sie.»

Katzen, die von ihren «Kollegen» getrennt werden, geht es meistens nicht gut.
Foto: Getty Images

Wie wird die Zuteilung der Tiere gehandhabt?

Im Gegensatz zur Zuteilung von «Scheidungskindern», wo das Gesetz ein Besuchsrecht und Alimente vorsieht, gibt es bei Tieren, deren Halter sich scheiden lassen, keine gesetzliche Regelung. Laut Kunz gibt in diesem Zusammenhang bis heute auch kein einziges Urteil des Bundesgerichts, an dem sich Juristen orientieren können. Das sei damit zu erklären, dass Ehepaare die Frage meist ohne Gerichtsentscheid regeln und in den sogenannten Scheidungskonventionen vereinbaren. «Oft reicht es schon, dass ein Richter sagt, wie das Urteil aussehen würde.»

Wie wäre das Vorgehen, wenn ein Fall vor dem Richter landen sollte?

Die meisten Tiere sind Miteigentum beider Ehepartner. Der Richter würde schauen, bei welcher Partei es dem Tier, das beiden Partnern gemeinsam gehört, am besten geht, und dieser Partei das Alleineigentum geben, sagt Kunz. Wer weniger arbeitet respektive öfter zu Hause ist. Wer die grössere Wohnung hat. Wer mehr verdient, um die Kosten für Futter und Tierärzte tragen zu können. Wer mehr Zeit mit dem Tier verbringt. Wer die stärkere Bindung hat. All diesen Aspekten würden ein Richter nachgehen und sie im Urteil mitberücksichtigen. «Er könnte sogar Bekannte des Paars befragen lassen, einen Augenschein vor Ort nehmen und beobachten, wie die Ehepartner mit dem Tier interagieren.»

Man sagt, Tiere lieben bedingungslos. Bei Menschen ist das nicht immer so.
Foto: Shutterstock
Wo ist sie hin? Wann kommt sie wieder? Scheidungstiere sollen zu demjenigen Halter, der sich am besten um sie kümmern kann und zu dem sie die beste Beziehung haben.
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Wie sieht es mit finanzieller Entschädigung aus?

Die Person, der das Tier als Alleineigentum zugesprochen erhält, muss der anderen laut Kunz eine Entschädigung zahlen, die sich nach dem Marktwert des Tiers richtet. Wenn ein Richter zehn Prozent Abnutzung pro Jahr rechnet, ist ein für 500 Franken gekauftes Büsi nach einigen Jahren zum Beispiel noch 50 Franken wert. Bei einem Zuchthund können es mehrere Tausend Franken sein. Kunz plädiert dafür, dass bei der Entschädigung auch der meist viel höhere sogenannte Affektionswert geltend gemacht werden kann. Sprich: Der emotionale Wert, den ein Tier für eine Halterin oder einen Halter hat. «Den Affektionswert könnte ein Richter auch wieder durch Zeugenbefragung ermitteln. Oder Social-Media-Accounts der Halter inspizieren. Wenn jemand Tausende Selfies mit einem Hund postet, zeugt das zum Beispiel von einer engen Bindung.»

Professor für Büsi-Recht

Seine Kollegen würden darüber witzeln, dass er jetzt auch noch Büsi-Recht mache, sagte Peter V. Kunz in einem Interview mit «Tages-Anzeiger». Kunz (58) – er wuchs in Kanton Solothurn auf – ist Professor für Wirtschaftsrecht an der Uni Bern und hält dort eine Vorlesung und ein Seminar zum Thema Tierrecht. Im Werk «Tierrecht der Schweiz», das im August 2023 erschienen ist, behandelt er sämtliche Rechtsgebiete unter dem Aspekt des Tieres. Kunz ist zum zweiten Mal mit derselben Frau verheiratet, der die Katzen Micki, Daisy, Beni und Joa, die beim kinderlosen Paar leben, als Alleineigentum gehören, falls es zu einer (zweiten) Scheidung kommen sollte. Auch die Besuchszeiten hat das Paar für diesen Fall geregelt.

Seine Kollegen würden darüber witzeln, dass er jetzt auch noch Büsi-Recht mache, sagte Peter V. Kunz in einem Interview mit «Tages-Anzeiger». Kunz (58) – er wuchs in Kanton Solothurn auf – ist Professor für Wirtschaftsrecht an der Uni Bern und hält dort eine Vorlesung und ein Seminar zum Thema Tierrecht. Im Werk «Tierrecht der Schweiz», das im August 2023 erschienen ist, behandelt er sämtliche Rechtsgebiete unter dem Aspekt des Tieres. Kunz ist zum zweiten Mal mit derselben Frau verheiratet, der die Katzen Micki, Daisy, Beni und Joa, die beim kinderlosen Paar leben, als Alleineigentum gehören, falls es zu einer (zweiten) Scheidung kommen sollte. Auch die Besuchszeiten hat das Paar für diesen Fall geregelt.

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Wie kann man einen Rechtsstreit um Haustiere im Fall einer Scheidung möglichst verhindern?

Am besten machen die Eheleute gleich nach dem Kauf eines Haustiers ab, wem sie das Tier als Alleineigentum zuschreiben wollen. Denn selbst wenn eine Person das Tier mit seinem eigenen Geld kauft oder es auf den Namen von nur einer Person gechippt wird, fällt es unter die Errungenschaftsbeteiligung. Wenn das Alleineigentum auf einem Dokument mit Unterschrift beider Parteien festgehalten ist, gibt es bei einer möglichen Scheidung keine Differenzen. Kunz: «Das spart auch Kosten, denn der Streit um ein Haustier kann vor Gericht sehr teuer werden.» Am besten erstellt man das Dokument in zweifacher Ausführung, von der jede Partei eine bei sich aufbewahrt. Automatisch Alleineigentum sind Tiere, die eine Partei in die Ehe mitbringt. 

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