Der Oster-Klassiker ist umstritten
Darf es Gitzeli meh si?

An Ostern gehört Gitzi traditionell zum Festtagsmenü. Das bekommt nicht allen Tierfreunden, denn die jungen Ziegen sind bei der Schlachtung erst zarte zwei bis drei Monate alt.
Publiziert: 17.04.2019 um 23:33 Uhr
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Aktualisiert: 18.04.2019 um 10:26 Uhr
Peter Padrutt / Katja Richard

Sie sind nicht nur herzig, sondern schmecken auch gut: junge Zicklein. Zu Ostern gehört der Gitzi-Braten zum Feinschmeckermenü – eine Tradition, an der sich die Geister scheiden. Nicht nur Tierschützer protestieren, auch manchem Fleischesser vergeht der Appetit beim Gedanken, dass ein Geisslein im zarten Alter von zwei bis drei Monaten auf die Schlachtbank kommt.

So ergeht es auch der TV-Pfarrerin Nathalie Dürmüller (39): «Wie beim Kalbfleisch hätte ich auch hier ein ungutes Gefühl, ein Tier, das so jung geschlachtet wird, zu essen. Das hat für mich nichts mit Ostern zu tun.» 

Ziegenmilch ist beliebt, Ziegenfleisch nur an Ostern

Tatsächlich kommt in der Schweiz selten Gitzi auf den Tisch, nur gerade 70 Gramm wurden im vergangenen Jahr laut Schweizer Fleisch-Fachverband pro Kopf verspeist. Zum Vergleich: Beim Schaf sind es 1,23 Kilo, gesamthaft werden 51 Kilo Fleisch pro Kopf und Jahr gegessen.

Festtagsmenü zu Ostern: Gitzi aus dem Ofen.
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Bei der Migros hat die Nachfrage nach Gitzi in den letzten Jahren nachgelassen, ausser im Tessin. Auch bei Coop ist die Spezialität nur saisonal zu Ostern im Angebot, kann aber während des ganzen Jahres bestellt werden. Zusehends beliebter werden hingegen Ziegenmilchprodukte, die Milch ist mit weniger Laktose und Fett besser verträglich, und auch der Käse ist im Trend. 

Schicksal eines Nutztieres

Was Konsumenten oft vergessen: Damit die Muttermilch fliesst, müssen Geisslein geboren werden. «Die Ziegen geben 300 Tage pro Jahr Milch, dann kommt es wieder zur Geburt», so Andreas Eggenberger (54), Präsident des Ziegenzuchtverbands St. Gallen. Er hält acht bis zehn Muttertiere, im Schnitt kommen im Frühling 10 bis 16 Junge zur Welt. Davon kann er vier weibliche Tiere für die Zucht gebrauchen, die restlichen, zumeist männlichen Zieglein werden geschlachtet. «Natürlich sind sie herzig. Aber man sollte sie nicht vermenschlichen und kann auch nicht alle behalten. Das ist letztendlich das Schicksal eines Nutztiers», so Eggenberger, der die Zicklein bei sich in Grabs SG in der Dorf-Metzgerei schlachten lässt. 

Bewusster Fleischkonsum 

Während bei den Eggenbergers am Ostersonntag ein Gitzi auf den Tisch kommt, lässt sich die reformierte Pfarrerin Dürmüller aus Zürich-Wipkingen von einem Gericht ihres Mannes überraschen. «Weil ich den Gottesdienst halte, bleibt mir keine Zeit, um aufwendig zu kochen.» Und eine Tradition habe sie diesbezüglich nicht. Wichtig ist ihr ein bewusster Fleischkonsum: «Ich kaufe nur Fleisch, bei dem ich sicher sein kann, dass die Tiere ein lebenswertes Leben gehabt haben.» Und ein längeres als das der Zicklein. 

Wer zu Ostern ein Gitzi geniesst, tut das mit besserem Gewissen mit Fleisch aus der Region. Die Transportwege sind kürzer, und das Tierwohl zählt in der Schweiz.

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