Drei Tage am Fusse des Matterhorns
Unser Mann auf der Hörnlihütte berichtet vom Berg

Die Hörnlihütte am Fusse des Matterhorns ist die wahrscheinlich berühmteste Berghütte der Alpen. Von hier erklimmen die Bergsteiger das Hore. Unser Autor Christian Bauer hat sich für drei Tage auf 3260 Metern eingenistet und berichtet vom Leben am Rande des Mythos. Doch bevor man den Berg der Berge berühren kann, kommt man gehörig ins Schwitzen.
Publiziert: 20.07.2015 um 17:26 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2018 um 15:30 Uhr
Da gehts lang! Also rauf und rauf und rauf.
Foto: Christian Bauer
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Von Christian Bauer

Heute hasse ich das Matterhorn, diesen hundsgemeinen Saukerl! Am Morgen erlaubte das Prachtexemplar einen scheuen Blick auf seine Schönheit und verhüllte sich dann schleunigst in einer Wolkendecke. Fast so wie eine Striptease-Tänzerin, die mit ihrem Publikum spielt.

Seit Jahren bin ich dem Anblick dieser steinernen Hexennase verfallen - wie wahrscheinlich Millionen Menschen weltweit. Heute mache ich mich endlich auf den Weg, den Mythos von ganz nah zu erleben: Für drei Tage habe ich mich in der Hörnlihütte am Fuss des Matterhorns eingenistet, im Basislager der Matterhorn-Bezwinger und der wahrscheinlich berühmteste Berghütte der Alpen.

Doch bevor man von der Terrasse das Panorama geniessen kann, hat Gott eine elende Schufterei gesetzt. Vom Schwarzsee auf 2500 Meter geht es in etwa 2,5 Stunden auf 3260 Metern, wo die HöHü am Abgrund schwebt. Nein, eine Seilbahn gibt es hier nicht! Klingt harmlos, theoretisch. Wäre es auch, hätte der innere Schweinehund mich Flachlandbewohner regelmässig ins Fitness geschickt. Völlig untrainiert ist es eine Schinderei - eine beglückende und befreiende Schinderei wohlgemerkt.

John aus Vancouver, Kanada, holt mich ein und schwärmt von der Schweizer Bergwelt, von diesem «great walk up to the Matterhorn» und den freundlichen Schweizern. Nach einiger Zeit entschuldigt er sich, er müsse nun weiter, und zieht davon. John ist ein 70-jähriger Rentner...

Ich krieche - das ist die ungeschminkte Wahrheit! Mit einem älteren Japaner, der etwa in meinem Tempo läuft, verbrüdere ich mich im Aufstiegskampf. Sein Englisch ist miserabel. Aber eines sagt er pausenlos: «Wonderful, wonderful!» Regelmässig piepst sein Handy und erzählt ihm irgendetwas Unverständliches. Was das sei, will ich wissen. «Wonderful», sagt Suzuki, äh, Sazuka. Oder war es Sizaku? Den Namen habe ich nie wirklich verstanden.

Die letzten 300 Höhenmeter geht es steil nach oben, mal kletternd, mal in den Abgrund starrend. Der Weg zur Hörnlihütte bietet für alle Fusslahme einen Vorgeschmack auf die Besteigung des Matterhorns - hätte man denn genug trainiert.

Der liebe Suzuki und ich schaffen es dann doch noch bis zur Hütte. Und ja, ich bin stolz wie ein kleines Kind, das auf einen Baum geklettert ist. Und natürlich steckt das Matterhorn immer noch in einer weissen Decke - aber ich gebe dem mystischen Dreieck morgen noch eine Chance.

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