Über den Ursprung von Schweizerdeutsch
Woher kommen diese Mundart-Begriffe?

Für die Überreste eines Apfels gibt es im Schweizerdeutschen unzählige Begriffe. Woher unsere Mundartausdrücke stammen, verrät Gabriela Bart, Redaktorin des Schweizerischen Idiotikons.
Publiziert: 02.10.2020 um 16:44 Uhr
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Aktualisiert: 04.02.2021 um 22:34 Uhr
Milena Gähwiler

Unsere Mundarten sind einzigartig – Begriffe wie Bünzli, Büez und Grüezi gehören zu unserem Alltag. Doch woher kommen diese schweizerdeutschen Ausdrücke eigentlich? Gabriela Bart (41) ist Redaktorin am Schweizerischen Idiotikon, dem Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache. Sie kennt die Antwort auf diese Frage. Doch sollte laut Bart folgendes beachtet werden: «Es gibt nicht bloss eine Erklärung. Unsere Dialekte sind so vielfältig und so unterschiedlich sind auch die Herkunft, der Bedeutungs- und Variantenreichtum einzelner Wörter.»

BLICK hat ein paar typische schweizerdeutsche Ausdrücke herausgepickt und Bart zur Analyse gebeten.

Bünzli

«Er isch en richtige Bünzli!»

Verschiedene Ausdrücke für schaukeln und deren Verteilung.
Foto: kleinersprachatlas.ch
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Gabriela Bart: «Das Wort Bünzli bedeutet ‹Spiessbürger›. Ursprünglich geht der Zürcher Familienname entweder auf die mittelhochdeutsche Binse (grasartige Sumpfpflanze) oder auf die mittelhochdeutsche Punze (geeichtes Weinfässchen) zurück. Die heutige Bedeutung basiert aber wahrscheinlich auf der ordentlichen, sparsamen und besserwisserischen Figur Züs Bünzlin aus Gottfried Kellers Novelle ‹Die drei gerechten Kammacher› (1856). Auch die populäre Bühnenfigur Heiri Bünzli aus Fredy Scheims Dialektposse ‹Käsefabrikant Heiri Bünzli› oder dessen Filme ‹Bünzlis Grossstadt-Erlebnisse› (1930) und ‹Ohä lätz! De Bünzli wird energisch!› (1935) könnten dazu beigetragen haben.»

grüezi oder grüessech

«Grüezi, wie gahts Ihne?»

Gabriela Bart: «Grüezi und grüessech bedeuten beide ‹grüsse euch› und sind aus ‹Gott grüsse euch› entstanden. Das -i in grüezi ist das unbetonte Pronomen ‹euch›. Grüez-i ist also eine Kurzform von grüez-euch. Das Verb ‹grüssen› lautete östlich der Reuss ursprünglich grüeze und westlich davon grüesse. Daher der geografische Unterschied zwischen grüezi und grüessech. Es gibt in der Schweiz aber auch Regionen, wo weder grüezi noch grüessech vorkommen, dort heisst es dann guete Taag. Und ursprünglich ist es Gott, der grüsst. Früher lautete die Formel im Osten ‹Gott grüez i› und im Westen ‹Gott grüess ech›.»

gäbig

«Das isch gäbig, will ich chum eh morn id Stadt.»

Gabriela Bart: «Das Adjektiv gäbig bedeutet unter anderem geschätzt, wertvoll, angenehm, bequem. Es geht auf das mittelhochdeutsche gaebe (annehmbar, erwünscht, lieb, gut) zurück. Oft kommt es auch in der Form ‹gang und gäb› vor, was allgemein üblich, gewöhnlich, geläufig bedeutet.»

verhebe

«Das isch sehr viel Lascht uf eim schmale Seil. Ich weiss ned, ob das verhebet.»

Gabriela Bart: «Verhebe kommt von mittelhochdeutsch verhaben, verheben, was zuhalten, verdecken, verschliessen, zurückhalten bedeutet. Daraus erschliesst sich auch die schweizerdeutsche Bedeutung ‹luft-, wasserdicht sein›.»

Büez

«Ich gang jetzt uf d Büez.»

Gabriela Bart: «Büez ist eine Rückbildung zum bereits im 16. Jahrhundert belegten Verb büezen mit der Bedeutung ausbessern, flicken. Das Substantiv scheint jünger und ist im 19. Jahrhundert in der Bedeutung Arbeit, Plage, heikle Aufgabe belegt. Sprachgeschichtlich gehört büezen zu büssen, was verbessern, ausbessern bedeutet. Auch ‹Busse tun› meint eigentlich, Besserung erreichen, Wiedergutmachung leisten.»

blutt

«Er isch ganz blutt dur d Gegend grennt.»

Gabriela Bart: «Laut dem Schweizerdeutschen Wörterbuch hat blutt neben dem bekannten nackt weitere Bedeutungen. Zum Beispiel kann blutt auch für weich, zart, sichtbar, ohne Zutat, rein stehen. Das Wort ist ein altes germanisches Adjektiv, das auch im Dänischen und Schwedischen verbreitet ist.»

luege

«Du muesch das gseh. Lueg mal übere!»

Gabriela Bart: «Schweizerdeutsch luege bedeutet schauen und geht auf das mittelhochdeutsche luogen zurück, was aufmerksam blicken bedeutet. Das Wort ist verwandt mit sehen. Eine ähnliche Parallele wäre lose und (g)höre

Eierschwämmli

«Eierschwämmli sind doch Pilz, oder?»

Gabriela Bart: «Eierschwämmli ist eine dialektale Variante für den Pfifferling. Daneben gibt es im Schweizerdeutschen auch noch weitere Varianten für den Pilz: Chrueg-Schwämmli oder Hasen-Or. Die Bezeichnung Eierschwämmli lässt sich von der gelben Eierfarbe, dem Geschmack und der schwammigen Konsistenz ableiten.»

Härdöpfel

«Mir chochet Härdöpfel fürs Raclette.»

Gabriela Bart: «Schweizerdeutsch Häärd bedeutet Erde, Erdboden. Der Härdöpfel ist also der Apfel, der in der Erde wächst und nicht etwa der Apfel, der auf dem Herd gekocht wird.»

Feufliiber

«Es het mich en Feufliiber kostet!»

Gabriela Bart: «Fünf-, Füüf-, Föuf- oder Foif-liiber, schweizerdeutsch für das ‹Fünffrankenstück›, bedeutet ‹Taler im Wert von fünf französischen Livres (Franken)›. Die Livre, französisch für Pfund, war eine Einheit der Silberwährung und hat sich über Zeit in den schweizerdeutschen Sprachgebrauch eingebürgert.»

Stutz

«Häsch mir bitte zwei Stutz fürs Billett?»

Gabriela Bart: «Neben Stutz gibt es viele mundartliche Bezeichnungen für Franken oder für Geld allgemein, zum Beispiel auch Stäi. Die ältesten Stutz-Belege im Material des schweizerdeutschen Wörterbuches stammen aus der Soldatensprache des Ersten Weltkriegs. Dort finden sich neben Stutz auch noch gleichbedeutend Rugel und Meter. Weitere Ausdrücke für Franken oder Geld sind Schlotter, Hammer, Bock, Hoger, Hebel, Chlotz, Chlütter oder Chlüübis

Rank

«Ich hätt bim Velo fahre de Rank fascht nöd verwütscht!»

Gabriela Bart: «Rank ist eine dialektale Variante für die hochdeutsche Kurve. Daneben gibt es auch Boge, Winkel, Cher oder Buck. Rank wird aber nicht nur im Dialekt verwendet, sondern ist auch ein sogenannter Helvetismus, eine spezielle Prägung, die den Weg ins Schweizerhochdeutsche gefunden hat. Das gilt auch für Pressieren, Stutz, Fünfliber oder Grüezi.»

pressiere

«Mir müend jetzt pressiere, suscht chömmed mir z spaat!»

Gabriela Bart: «Pressiere kommt vom französischen presser, was sich beeilen bedeutet. Im Schweizerdeutschen gibt es viele französische Lehnwörter, so zum Beispiel auch Trottoir, Perron oder Coiffeur

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