Hinter den Kulissen des Europaparks
3800 fleissige Helfer für einen Tag Spass

Er ist der beliebteste Freizeitpark der Schweizer: Etwa eine Million Eidgenossen vergnügen sich jährlich im Europa-Park. Wir haben einen Blick hinter die Kulissen der Traumwelt geworfen.
Publiziert: 27.09.2018 um 14:20 Uhr
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Aktualisiert: 23.10.2018 um 00:57 Uhr
Christian Bauer

7 Uhr im Europa-Park, Deutschland. Während die Hotelgäste gerade aus den Betten steigen, ist Tommy-Lee Wissler (19) schon lange auf den Beinen. Der angehende Industriemechaniker klopft, lauscht und beäugt. Er achtet auf Haarrisse und abgefahrene Gummibänder: Der Stift überprüft die Systeme der Katapultachterbahn «Blue Fire» – ein Mega Coaster, der mit Kräften von 3,8 G in die Loopings rast. Da darf nichts dem Zufall überlassen werden. 

Tommy-Lee Wissler kontrolliert die Räder der «Blue Fire».
Foto: Stefan Bohrer

Täglich werden alle Attraktionen überprüft

«Jeden Morgen, bevor der Park öffnet, kontrollieren wir alle Sicherheitssysteme unserer 100 Attraktionen», so Can de Haan (26), Chef der Anlagen- und Betriebssicherheit, der an diesem Morgen Wissler zur Hand geht. Doch die Techniker sind nicht die Einzigen, die teilweise um 5 Uhr in der Nacht zum Dienst antreten. Stunden, bevor die ersten Besucher in den Park strömen, gleicht das Gelände einem Ameisenhaufen.

Reinigungsmannschaften pflücken Papierfetzen vom Boden, Logistiker füllen die Lagerräume der Restaurants, und Maler führen die letzten Schönheitsreparaturen aus: Die Traumwelt ist harte Arbeit. Für ein paar vergnügte Stunden werkeln im Hintergrund Hunderte Ingenieure, Designer und Handwerker. «Wir haben hier jeden Beruf, den es auch in einer Kleinstadt gibt», sagt Christian Hirt (34), Technischer Leiter. Ihm alleine unterstehen etwa 700 Mitarbeiter an den Attraktionen und 450 Handwerker in den Werkstätten.

Der Europapark ist mit etwa 1 Millionen Besucher der beliebteste Freizeitpark der Schweizer.
Foto: Europapark

Alle Handwerksberufe sind vertreten

Helena Heidt schneidert Kostüme für die 1600 Figuren des Parks.
Foto: Stefan Bohrer

Schreiner, Zimmermänner, Elektriker, Mechaniker, Maler gibt es hier; eine eigene KFZ-Werkstatt für den Fuhrpark, eine Druckerei, Kostüm- und Maskenbildner, Pferdewirte, eine Gärtnerei, Sanitäter und eine eigne Werksfeuerwehr – von den Berufen in der Verwaltung, der Gastronomie und den Künstlern für die Shows ganz zu schweigen. Insgesamt arbeiten in der Sommersaison mehr als 3800 Menschen im Freizeitpark. Der Vergleich mit einer Kleinstadt passt: Mit mehr als fünf Millionen Besuchern in der achtmonatigen Saison kommen täglich so viele Menschen, wie die Stadt Aarau Einwohner hat.

Die Ausschmückung des Parks ist Handarbeit. Hier werden GFiguren aus Holz geschnitzt.
Foto: Stefan Bohrer

Die Anfänge des beliebten Freizeitparks waren jedoch alles andere als spektakulär: 1975 öffnete der Park mit gerade mal 15 Attraktionen (heute sind es auf dem 95 Hektar grossen Areal mehr als 100). Die Firmengeschichte geht allerdings bis ins Jahr 1780 zurück. Damals gründete der Vorfahr der jetzigen Besitzerfamilie, Paul Mack, ein Unternehmen zum Bau von Fuhrwerken und Postkutschen. Anfang des 20. Jahrhunderts folgten Schausteller- und Zirkuswagen und dann die ersten Achterbahnen. Doch wie kann man als Hersteller von Fahrgeschäften seine Produkte den potenziellen Kunden vorstellen? Genau: mit einem Park, in dem man nach Herzenslust Achterbahnen, Wasserrutschen und Karusselle testen kann – die Idee vom Europa-Park war geboren.

Der Parkleiter ist der «Kapitän» des Parks

Thorsten Marohn hat als Parkleiter die letztliche Verantwortung.
Foto: Stefan Bohrer

Mittlerweile sind 15 europäische Themenbereiche entstanden – der jüngste Zugang, Irland, ist zugleich auch der «wichtigste». Denn hier befindet sich das Büro des Parkleiters Thorsten Marohn (38). In dem sachlichen Zimmer, das nichts mit dem Pomp der Traumwelt gemeinsam hat, flimmern die Überwachungsbilder über die Bildschirme und zeigt eine Tabelle, an welchen Bahnen das meiste Gedränge herrscht. Marohn ist die wichtigste Entscheidungsgewalt im täglichen Betrieb – insbesondere, wenn etwas schiefläuft.

Wenn die Drehkreuze am Eingang ihren Geist aufgeben, eine Bahn stecken bleibt oder beim Grossbrand im Mai diesen Jahres, als der skandinavische Bereich komplett zerstört wurde. «Nachdem wir die Dimension des Brandes abschätzen konnten, habe ich schliesslich entschieden, den gesamten Park zu räumen.» Ansonsten liebt Marohn es, durch den Park zu schlendern und in die Gesichter der Besucher zu blicken: «An dem Strahlen in den Augen kann ich sehen, welche Attraktionen oder Shows besonders gut ankommen – oder wo wir etwas verbessern können.»

Bald wird der Wasserpark «Rulantica» eröffnet

Der Wasserpark «Rulantica» hat ein skandinavisches Thema.
Foto: Stefan Bohrer

Wo jetzt die Lücke im Park klafft, wird derzeit fleissig am Wiederaufbau gearbeitet; das grösste Bauprojekt liegt allerdings einige Hundert Meter abseits vom Park: Dort entsteht der Wasserpark «Rulantica» mit 25 Attraktionen und eigenem Hotel – eine Mammutaufgabe nicht nur für die externen Baufirmen, sondern auch für die Handwerker im Europa-Park. Denn in der Dekoabteilung wird schon jetzt für die Wasserwelten gebastelt: Da werden Holzfiguren geschnitzt, Leinwanddrucke auf alt getrimmt und «jahrmillionenalte» Fossilien realistisch aus Ton modelliert.

Kunstmaler Bernhard Hauns trimmt Drucke mit Speziallack auf alt.
Foto: Stefan Bohrer

Natürlich ist auch im Europa-Park nicht alles Gold, was glänzt. Und nicht alles Vintage, was alt aussieht. Aber schliesslich kommt man hierher für ein paar traumverlorene Stunden. Und da darf die Bronzestatue in Wirklichkeit auch bemaltes Styropor sein.

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