Sonnenuntergang in Agrigento, Sizilien.
Foto: Getty Images

Heimat von Montalbano
Das Sizilien Camilleris entdecken

Andrea Camilleri hat mit Salvo Montalbano eine Figur erschaffen, die für seine Leser zum exemplarischen Sizilianer geworden ist: dem guten Essen verfallen, die Frauen liebend, ein bisschen kauzig, sehr menschlich und überaus sympathisch.
Publiziert: 08.10.2019 um 00:00 Uhr
|
Aktualisiert: 08.10.2019 um 17:14 Uhr

Sie bereiten sich vor auf eine Mussestunde guter Lektüre, Sie öffnen das Buch, und heraus strömen verlockende Düfte von Pirciati chabbruscianu, von Nunnatu, von Pasta ncasciata... Sie haben das noch nie erlebt? Sie kennen Commissario Montalbano nicht. Noch nicht.

Mit dem liebenswerten und etwas spröden Kommissar Salvo Montalbano hat sich Andrea Camilleri sein eigenes Denkmal geschaffen.

Launisch, verfressen, geliebt

Salvo Montalbano ist zynisch, launisch, manchmal richtig gemein und mit der Wahrheit nimmt er es nicht immer so genau. Liebenswert ist er trotzdem. Mit der Bürokratie steht er auf Kriegsfuss. Listig verhindert er regelmässig seine eigene Beförderung, aus Angst vor noch mehr Papierkram und um seine Stadt Vigàta nicht verlassen zu müssen. Die Fernbeziehung mit seiner Dauergeliebten Livia ist alles andere als harmonisch.

Der fiktive Schauplatz Vigàta in Sizilien ähnelt sehr seinem Heimatort Porto Empedocle, einer süditalienischen Küstenstadt.
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Ein Ausflug nach Sizilien

Wer einen Montalbano-Roman liest, führt sich nicht nur einen Krimi erster Güte zu Gemüt, er lernt auch Sizilien kennen. Der aufmerksame Leser erfährt viel über die Lebensumstände der Sizilianer, ihre politischen und sozialen Probleme. Jeder Roman von Andrea Camilleri ist tief in Sizilien verankert. So ist das Restaurant San Calogero in Porto Empedocle – Camilleris Heimatstadt und Vorbild für das fiktive Vigàta – nicht nur Montalbanos kulinarischer Zufluchtsort, sondern auch eines von Camilleris Lieblingslokalen. Zur Betrübung aller Fans ist das Lokal mittlerweile geschlossen. Der Namenspate des Restaurants, der heilige Calogero, wird in der Provinz Agrigento, in der Porto Empedocle bzw. Vigàta liegt, auch heute noch verehrt. Während dieser literarischen Sizilienausflüge lernt der Leser (auch jener der deutschen Übersetzung) sogar einige Brocken Sizilianisch. Denn obwohl ihn seine Livia öfters anfährt «Sprich Italienisch mit mir!», fällt Salvo immer wieder in seinen südsizilianischen Dialekt. Wer des Italienischen mächtig ist, dem sei empfohlen Montalbanos Fälle in der Originalsprache zu lesen. Camilleri schrieb sie nämlich in einem selbst erfundenen Kunst-Sizilianisch. Hat man sich nach einigen Seiten daran gewöhnt, fühlt man sich selbst als Sizilianer.

Wo ist denn die Mafia?

Wer Sizilien sofort und ausschliesslich mit der Mafia assoziiert und deshalb einen blutrünstigen Mafiaroman erwartet, wird bei Andrea Camilleri nicht fündig. Obwohl in seinen Krimis genregemäss zahlreiche Verbrechen begangen werden, taucht die Mafia nur am Rande auf. Lieber griff der Autor zeitgemässe Problematiken auf, zum Beispiel das erbärmliche Schicksal der zahlreichen illegalen Einwanderer, welche übers Meer nach Sizilien gelangen. Auch delikate Themen wie die allgegenwärtige Korruption werden nicht ausgeklammert. Camilleri versteht es jedoch, sie ohne Moralinsäure einzubringen.

Kulinarische Offenbarungen

Man muss kein Gourmet sein, um Camilleris Krimi zu mögen. Doch wer die Bücher mag, wird die urwüchsige mediterrane Küche lieben lernen. Salvo Montalbano kocht selten selber. Mittags isst er meistens in der Trattoria San Calogero, nach des Tages Mühen geniesst er die Köstlichkeiten, die ihm seine Haushälterin Adelina vorbereitet hat. Oberstes Gebot: Gegessen wird schweigend.


Eine Vorsichtsmassnahme sei hier angebracht: Lesen Sie keinen Commissario Montalbano-Roman mit leerem Magen. Sie werden sich sonst unweigerlich vor einem schmerzhaften Dilemma befinden: Weiterlesen und Acht geben, dass das im Munde zusammenlaufende Wasser nicht auf die Seiten tropft, oder schweren Herzens das Buch weglegen und sich eine von Montalbanos köstlichen Mahlzeiten zubereiten?

Andrea Camilleri (1925 - 2019)

Mit seinem Commissario Montalbano ist Andrea Camilleri erst mit über 70 Jahren der Durchbruch gelungen. Mit seinen Geschichten scheute sich nicht, auch heikle Themen anzusprechen.

Der Schriftsteller schrieb mehr als 100 Bücher. Der Durchbruch gelang ihm allerdings mit seinen «Montalbano»-Krimis. Seine historischen Romane brachten ihm nur wenig Erfolg ein. In Italien verkaufte der gebürtige Sizilianer über 20 Millionen seiner Werke. Mehr als 30 Millionen Exemplare wurden in aller Welt verkauft, die Romane in Dutzende Sprachen übersetzt. Wochenlang beherrschten die Werke die italienischen Bestseller-Listen.

Zahlreiche seiner Romane wurden zudem für das Fernsehen verfilmt, auch das ZDF strahlte einige Episoden aus.

Camilleris Leben und Persönlichkeit finden sich in seinen Romanen auch ein Stück weit wieder - so ähnelt etwa die Figur des Commissario Montalbano seinem Vater, der fiktive Schauplatz Vigàta in Sizilien seinem Heimatort Porto Empedocle, einer süditalienischen Küstenstadt. Dort wurde er am 6. September 1925 geboren.

Italienischer Autor Andrea Camilleri starb mit 93 in Rom

Seiner Heimat Sizilien blieb Camilleri stets eng verbunden, lebte aber seit 1949 und bis zu seinem Tod in Rom. Einmal öffnete er sein Wohnzimmer für einige treue Leser: Lange Bücherregale und gemütliche Sessel, in denen der passionierte Raucher Camilleri mit einer Zigarette im Mund seine Romane schrieb. Sein Erfolgsrezept war die Mischung aus tiefgründigen Handlungen, der Verwurzelung in Sizilien, der charismatischen Hauptfigur und der Gesellschaftskritik.

Mit seinem Commissario Montalbano ist Andrea Camilleri erst mit über 70 Jahren der Durchbruch gelungen. Mit seinen Geschichten scheute sich nicht, auch heikle Themen anzusprechen.

Der Schriftsteller schrieb mehr als 100 Bücher. Der Durchbruch gelang ihm allerdings mit seinen «Montalbano»-Krimis. Seine historischen Romane brachten ihm nur wenig Erfolg ein. In Italien verkaufte der gebürtige Sizilianer über 20 Millionen seiner Werke. Mehr als 30 Millionen Exemplare wurden in aller Welt verkauft, die Romane in Dutzende Sprachen übersetzt. Wochenlang beherrschten die Werke die italienischen Bestseller-Listen.

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