Halbinsel  Palacio de la Magdalena bei Santander in Nordspanien

Ich fahr dann mal durch
Mit dem Zug durch Nordspanien

Nordspanien wird förmlich von Europäern überrannt: Hier führt der Jakobsweg entlang. Aber man kann sich auch zurücklehnen und das Land per Zug bereisen. Und ja: grossartige Landschaften entdecken.
Publiziert: 08.03.2018 um 13:09 Uhr
|
Aktualisiert: 17.06.2019 um 10:53 Uhr
Christian Bauer

Der Blick auf den gedeckten Tisch verheisst nichts Gutes. Dort stapeln sich Folterwerkzeuge: Haken, Zangen, Pinzetten, Skalpelle. Der Kellner serviert uns Meeresgetier: eine Krabbe, die uns mit ihren Stielaugen anglotzt, Langusten sowie herzförmige, ovale und fingerlange Muscheln. Und abstruse Urzeitwesen, die aussehen wie ein Mix aus Mini-Auster und Koralle. Wir zögern, aber die Spanier um uns herum geraten in Ekstase: Entenmuscheln – eine der teuersten Spezialitäten hier. Die Einheimischen pulen, züllen, saugen.

«Entenmuscheln gibt es sonst nur an Weihnachten»

Mit von der Partie ist José aus Alicante, der es sich zum Ziel gesetzt hat, dem Journalisten aus der Ferne alle Vorzüge des Landes schmackhaft zu machen. In einem abenteuerlichen Mix aus Spanisch, Englisch und Französisch ruft er: «Christian, lass ja nicht die Entenmuscheln liegen! Die gibt es sonst nur an Weihnachten.»

Unterwegs sind wir mit dem Luxuszug «El Transcantabrico Clasico» durch Nordspanien. Zu grossen Teilen entlang des nördlichen Jakobswegs. Wenn es bei Hape Kerkelings Wanderbericht «Ich bin dann mal weg» heisst, so lautet das Motto hier: «Ich fahr dann mal durch» – ab Leon entlang der Nordküste bis nach Galicien im Westen. Und da die Spanier Schleckermäuler sind, ist unsere Zugreise auch ein Fest für die ­Geschmacksknospen. In ausgiebigen Gelagen zur Mittags- und Abendzeit werden die lokalen Spezialitäten wie «Pulpo a feira» (Oktopus), luftgetrockneter Schinken oder Anchovis aufgetischt.

Blick-Autor Christian Bauer ist mit dem Luxuszug «El Transcantabrico Clasico» durch Nordspanien gefahren.
Foto: Renfe
8 Tage im Norden Spaniens

Wer in Leon startet, verbringt die ersten Tage im Landesinnern. Erster Nacht-Stopp ist Cisterna, der zweite Villasana de Mena. Am dritten Tag führt die Reise durch Bilbao nach Santander, am vierten Tag nach Arriondas. Am fünften Tag geht es durch Asturiens Hauptstadt Oviedo nach Candas. Die letzten Etappen: an Tag 6 über Gijon nach Luarca, an Tag 7 nach Viveiro und am Schlusstag nach Ferrol und mit dem Bus nach Santiago de Compostela.

Reiseroute durch Nordspanien
ZVG

Wer in Leon startet, verbringt die ersten Tage im Landesinnern. Erster Nacht-Stopp ist Cisterna, der zweite Villasana de Mena. Am dritten Tag führt die Reise durch Bilbao nach Santander, am vierten Tag nach Arriondas. Am fünften Tag geht es durch Asturiens Hauptstadt Oviedo nach Candas. Die letzten Etappen: an Tag 6 über Gijon nach Luarca, an Tag 7 nach Viveiro und am Schlusstag nach Ferrol und mit dem Bus nach Santiago de Compostela.

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kulinarische Höhenflüge und Historische Züge

«El Transcantabrico» zuckelt seit den 80er-Jahren über die Schmalspurstrecke entlang des Golfs von Biskaya. Zusammengestellt wurde das Gespann allerdings aus historischen Wagen aus den 20er-Jahren. Bahn-Enthusiasten können auf der achttägigen Reise in den goldenen Zeiten des Eisenbahnbaus schwelgen – inklusive roter Samtsessel, Jugendstillämpchen und Bordpersonal im klassischen Frack. Allerdings hat die schmale Spurbreite auch noch einen anderen Effekt: Die Zimmer sind winzig. Für einen Alleinreisenden ist das urgemütlich – wer jedoch als (älteres) Paar reist, kann auch die Deluxe-Variante «El Transcantabrico Gran Lujo» mit grösseren Zimmern auswählen.

Die Städte Nordspaniens haben viel zu bieten

Unsere Reise führt uns von Leon nach Bilbao mit seinem futuristischen Guggenheim-Museum, zum Badeort San-tander und hinauf zum Nationalpark Picos de Europa, dem malerischsten Teil des kantabrischen Gebirges. Ein Highlight ist der Besuch der Höhlen von Altamira, der «Sixtinischen Kapelle der Eiszeit». Dort haben vor 15 000 Jahren Urspanier Büffel, Hirsche und Pferde an die Höhlenwand gemalt.

Überhaupt ist Nord­spanien vollgepackt mit Geschichte. Seit über 1000 Jahren ziehen hier ­Pilger aus ganz Europa auf dem ­Jakobsweg Richtung Santiago de Compostela, wo die Gebeine des ­Heiligen Jakobus ­liegen sollen, und haben ihre Spuren hinterlassen: reiche Klöster, Tempelritter-Komtureien und gotische Kirchen mit bedeutenden Reliquien. Die Region eignet sich also nicht nur für Geniesser, sondern besonders auch für Kulturinteressierte – und für Sonnenanbeter, die im Sommer ein kühleres Badewetter bevorzugen.

Der Zara-Shop

Die Modekette Zara findet sich in fast jeder Schweizer Einkaufsmeile – und in vielen Malls der Welt. Die ­Billig-Shops wurden 1974 im galicischen A Coruña gegründet und sind nun zu einem Imperium von knapp 1800 Läden angewachsen. Zara-Jünger können das erste Geschäft der Modekette in A Coruña besuchen (Rúa Juan Flórez, 64–66) – und exakt die gleiche Produkt­auswahl finden wie etwa auch an der Zürcher Bahnhofstrasse. Zara-Gründer Amancio Ortega hat mittlerweile die grösste Textilkette der Welt geschaffen. Zu seinem Unternehmen Inditex gehören unter anderem die Marken «Pull & Bear», «Bershka» oder «Massimo Dutti». Ortega ist der reichste Mann Europas und rangiert weltweit auf Platz vier. «Forbes» schätzt das Vermögen auf 71 Mil­liarden Dollar.
www.zara.com

Zara Gebäude A Coruña
Google Maps

Die Modekette Zara findet sich in fast jeder Schweizer Einkaufsmeile – und in vielen Malls der Welt. Die ­Billig-Shops wurden 1974 im galicischen A Coruña gegründet und sind nun zu einem Imperium von knapp 1800 Läden angewachsen. Zara-Jünger können das erste Geschäft der Modekette in A Coruña besuchen (Rúa Juan Flórez, 64–66) – und exakt die gleiche Produkt­auswahl finden wie etwa auch an der Zürcher Bahnhofstrasse. Zara-Gründer Amancio Ortega hat mittlerweile die grösste Textilkette der Welt geschaffen. Zu seinem Unternehmen Inditex gehören unter anderem die Marken «Pull & Bear», «Bershka» oder «Massimo Dutti». Ortega ist der reichste Mann Europas und rangiert weltweit auf Platz vier. «Forbes» schätzt das Vermögen auf 71 Mil­liarden Dollar.
www.zara.com

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Abseits des klischeehaften Spanienbilds

Vielleicht liegt es an dem permanenten Durchzug von Fremden, dass man sich hier ganz besonders seiner Eigenheiten bewusst ist. Viele Menschen im Baskenland und in den Regionen Kantabrien, Asturien und Gali­cien träumen von der Unabhängigkeit. «Wir sind keine Spanier», ruft Barkeeper Guillermo in einer urchigen Beiz in Santiago, wo unsere Reise endet. «Wir haben ganz andere Gene!»

Für den Besucher bedeutet das: Das klischeehafte Spanienbild mit Flamenco-Tänzern und weiss getünchten Häusern aus Andalusien findet sich im Norden nicht. Die Kultur hier findet Anklänge in der Bretagne, in Irland oder Schottland. Das spürt man besonders in der Musik. Fester Bestandteil der Bands, die abends durch Santiagos Kneipen ziehen, ist eine Gaita – ein Dudelsack, der mit Geige und Trommel kombiniert wird.

Queimada rundet 8 Tage Schlemmen ab

Zum Abschluss der Reise spendiert uns José eine Queimada, den legendären galicischen Hexentrank. Angeblich geht der flambierte Punsch aus Traubenschnaps, Zucker und Zitronen auf keltische Zeiten zurück, als Druiden und Zauberfrauen durch die Lande zogen. Beim Quäken des Dudelsacks rezitiert Guillermo die rituelle Beschwörungsformel: «Wenn dieser Trank durch unsere Kehlen fliesst, wird er uns befreien von allem Bösen und aller Hexerei.»

Und, so hoffen wir, von all den ­Kalorien, die es sich an unseren Bäuchen gemütlich gemacht haben.

Der Botafumeiro

Highlight der Kathedrale von Santiago (unbedingt die Pilgermesse am Mittag besuchen!) ist der Botafumeiro – eines der grössten Weihrauchfässer der Welt. Das 1,60 Meter grosse und im befüllten Zustand 100 Kilo schwere Gefäss wird von acht Männern an einem Seil durch das Querschiff geschwungen. Erstmals verwendet wurde der Botafumeiro im Mittelalter, als man glaubte, Krankheiten würden durch schlechte Gerüche übertragen. Damals schliefen die Pilger in der Kathedrale – der Weihrauch diente zur Desinfektion. Zu sehen gibt es das Spektakel nur an besonderen Festtagen. Oder wenn man genügend Geld spendet.

Botafumeiro
Getty Images

Highlight der Kathedrale von Santiago (unbedingt die Pilgermesse am Mittag besuchen!) ist der Botafumeiro – eines der grössten Weihrauchfässer der Welt. Das 1,60 Meter grosse und im befüllten Zustand 100 Kilo schwere Gefäss wird von acht Männern an einem Seil durch das Querschiff geschwungen. Erstmals verwendet wurde der Botafumeiro im Mittelalter, als man glaubte, Krankheiten würden durch schlechte Gerüche übertragen. Damals schliefen die Pilger in der Kathedrale – der Weihrauch diente zur Desinfektion. Zu sehen gibt es das Spektakel nur an besonderen Festtagen. Oder wenn man genügend Geld spendet.

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Infos für Reise mit dem Zug durch Nordspanien

Zugreise
Bei «El Transcantabrico Clasico» werden verschiedene Varianten angeboten. 7 Nächte/8 Tage sind es von Leon bis Santiago (oder umgekehrt). 5 Tage/4 Nächte sind es von Santander nach Santiago (ebenfalls in umgekehrter Reihenfolge machbar). Eine viertägige Reise ist von Leon nach Santander möglich. Die Preise starten bei 1650 Euro pro Person. Die Luxus-Variante «El Transcantabrico Gran Lujo» fährt in acht Tagen von San Sebastian nach Santiago de Compostela. Kostenpunkt: 4980 Euro/Person. Tipp: Wer direkt bei der spanischen Bahngesellschaft Renfe bucht, spart ein paar Franken.
www.renfe.com

Hinkommen

Wer mit der Zugreise in Leon beginnt, sollte mit Iberia nach Madrid fliegen und von dort mit dem Bus nach Leon weiterreisen (www.alsa.com). Wer in Santander zusteigt, kann mit Iberia nach einem Zwischenstopp in Madrid dorthin fliegen.
www.iberia.com

Nordspanien individuell
Das intensivste Erlebnis Nord­spaniens bekommt man bei einer Pilgerwanderung auf dem Jakobsweg (die Zugreise folgt dem Camino del Norte). Wer keine fünf Wochen Zeit für die gesamte Strecke von den Pyrenäen bis nach Santiago mitbringt, kann ohne grosse Probleme eine individuelle Wanderung auf einem Teilstück organisieren. Wer nicht wandern möchte, dem empfiehlt sich ein Mietwagen. Unterkünfte können leicht vor Ort gefunden werden.

Zugreise
Bei «El Transcantabrico Clasico» werden verschiedene Varianten angeboten. 7 Nächte/8 Tage sind es von Leon bis Santiago (oder umgekehrt). 5 Tage/4 Nächte sind es von Santander nach Santiago (ebenfalls in umgekehrter Reihenfolge machbar). Eine viertägige Reise ist von Leon nach Santander möglich. Die Preise starten bei 1650 Euro pro Person. Die Luxus-Variante «El Transcantabrico Gran Lujo» fährt in acht Tagen von San Sebastian nach Santiago de Compostela. Kostenpunkt: 4980 Euro/Person. Tipp: Wer direkt bei der spanischen Bahngesellschaft Renfe bucht, spart ein paar Franken.
www.renfe.com

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Wer mit der Zugreise in Leon beginnt, sollte mit Iberia nach Madrid fliegen und von dort mit dem Bus nach Leon weiterreisen (www.alsa.com). Wer in Santander zusteigt, kann mit Iberia nach einem Zwischenstopp in Madrid dorthin fliegen.
www.iberia.com

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Weine auf dem Jakobsweg -  Eine Wein-Reise durch Spanien

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Lese auf Losada: Auf dem Jakobsweg fliegen die Trauben.
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